Heidenlied

[123] »Der verfluchte Faffe weiß selbst nicht, was e wil; hol ihn der Deuffel!«

Friedrich der Große


Wie lebten doch die Heiden

So herrlich und so froh!

Das war ein Volk von Seiden,

Wir sind ein Volk von Stroh;

Entführt' ein Ochs ein schönes Kind

Zuweilen auch – doch glaubet mir:

Die Heiden waren nicht so blind,

Nicht halb so blind als wir.
[123]

Die Heiden, 's ist doch schade

Um solch ingenium;

Sie hießen Vier gerade

Und nahmen Fünf für krumm;

Auch hatt' die Jungferschaft ein End',

Sobald die Magd ein Kind gebar,

Dieweil das N.T.

Noch nicht erfunden war.


Sie taten, was sie mochten,

Die Frechheit war enorm;

Sie siegten wenn sie fochten,

Auch ohne Uniform;

Sie hatten keine Polizei

Und tranken lieber Wein als Bier,

Wie waren doch die Heiden frei,

Die Heiden! – aber ihr?


Und von Achill und Hektor,

Wie's im Homerus steht,

Bis zu dem letzten Rektor

Der Universität,

Da gab's kein Buch in ganz Athen –

O schreckliche Verworfenheit!

Man wurde vom Spazierengehn

Und von der Luft gescheit.


Wie wußten sie die Tatzen

Den Pfaffen abzuhaun!

Die durften nur nach Spatzen,

Nicht nach den Weibern schaun;

Den Prinzen gar erging es schlecht,

Die fanden kaum ein Nachtquartier;

Wie hatten doch die Heiden recht,

Die Heiden! – aber ihr?


Die Heiden, ach! die Heiden,

Die keine Christen sind,

Sie spinnen doch die Seiden

Für manch ein Christenkind;

Drum lebe hoch das Heidenpack

Und jeder echte Heidenstrick,

Homerus mit dem Bettelsack

Und ihre Republick!
[124]

Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 123-125.
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