Wiegenlied

[130] »Schlafe, was willst du mehr?«

Goethe


Deutschland – auf weichem Pfühle

Mach' dir den Kopf nicht schwer!

Im irdischen Gewühle

Schlafe, was willst du mehr?


Laß jede Freiheit dir rauben,

Setze dich nicht zur Wehr,

Du behältst ja den christlichen Glauben:

Schlafe, was willst du mehr?


Und ob man dir alles verböte,

Doch gräme dich nicht zu sehr,

Du hast ja Schiller und Goethe:

Schlafe, was willst du mehr?


Dein König beschützt die Kamele

Und macht sie pensionär,

Dreihundert Taler die Seele:

Schlafe, was willst du mehr?


Es fechten dreihundert Blätter

Im Schatten, ein Sparterheer;

Und täglich erfährst du das Wetter:

Schlafe, was willst du mehr?


Kein Kind läuft ohne Höschen

Am Rhein, dem freien, umher:

Mein Deutschland, mein Dornröschen,

Schlafe, was willst du mehr? –
[130]

Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 130-131.
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