Pfingstgewitter

[108] Löwe, Adler ihre stürzenden Grausamkeiten sind mehr als

Lammverspeisen und Verzehren von Ziegen. Sie haben Sein.

Sein der Höhe.

Ihr fragenden Grausamkeiten halte ich in mir, ein geduldiger Löwe.

Ich stöhne den Rager, den Weltvergießer

Ich brülle den Reißenden.[108]

Bin Gewitter wie das, das da oben kommt


(Fernes Donnern. Leiser Blitz)


Ich behalte meine Blitze:

Zerrissener Himmel

Gewaltiges Wort.

Und ist da oben wer Schriftgelehrter:

Mag sein Gewand zerreißen.

Bardenwart der!

Ja, ja du Bardenwart der Lüfte, und wenn du noch so brummst.

Ragender,

Weltvergießer,

Frierst du nicht, so oben?

Wirst du nicht wahnsinnig,

Da so gar nichts dein ist.

Wer alles hat, hat wieder nichts.

Sollen wir?

Dir Gesellschaft leisten?

Mit dir spielen?

Bist du nicht Kind?

So mußt du es werden.

Und besonders wir Dichter.

Wir?

Was weiß ich von anderen,

Bin ich nicht auch wie du?

So eigen allein!

Ob auch nicht ganz

So mächtig.


Ich will dich unterhalten:


Weiße Flammen taumeln,

Tanzen der jauchzenden Feuerreigen

Glühender Welt.

Leuchtende Gewitter blühen,

Klaräugige Stürme, Wolkenjäger[109]

Wischen den sprühenden Schweiß

Von hämmernder Stirn.

Und wilder Segen ist,

Himmeltaumelnde Trunkenheit,

Zausen starker Neckerei.

Dankbar blüht da Lächeln aus tauig taumelndem Grunde.

Safttollende Kelche strotzend frischer Feuer bluten.

Weiß geschürzte Reigen,

Drängend leuchtende Gewitter

Drücken ihrer schwellenden Früchte

Berauschend erquickenden Saft

Auf diese weiß geschürzten selig auf-

schmachtenden Reigen,

Warme Wolken gleiten glückleuchtend spazieren.

Umtaumelnd Mutwill, fromm die Erde, fürchtende Freude.

Wie sie ausbricht, die jubelstrotzende

Leidenschaft zusammenziehender Höhen.

Nachtigallenstürme aus wonnewankenden Wäldern.

Weichstark dringen klingender Seele –

Jubelnd stirbt sich's am Lied.


Adler schreien und schlagen nieder

mit jauchzendem Gefieder

Das dunkelgolden streitende Gewühl des Gewölks.

Silberscharf

Zackt das Wort der Höhenleidenschaft

Hin zu Tal,

Und der Erde reife Zeilen

Sind gesättigt, und ist ein Spiel.

Frommer Mutwill

Auf zu lachend starkem Vater.

Und Schläge

Tollender Zärtlichkeit

Schallen ....

Rasendes Rauschen

Seliger Kräfte.[110]

Wonne entwurzelt das Herz der Welt.

In traufender, strahlenschüttender Wollust vergeht die Sonne.

Zitternd am Tage entschlafend.

Blutende Wunden suchen sich

Zu süßmundenden Küssen,

Wohlige, rosige, ziehende Wunden. –

Weltenblüte

Verrucht vor Güte,

Flammende Wildnis

Ungezügelter Kräfte.

Blitzrankende Augen,

Leuchtende Dornen,

Scharfe Wildheit, bang, zerstörend,

Grausam scheu.

In Baum und Tier und mir

Lauschende Adern,

Wasserantlitz, wollust-klar,

Zitternder Zweige schauerndes Haar

Und aus Tollnis springende,

Wilde

Gebilde.

Spiel der Himmel,

Blumen und Blitz.

Leichtes Licht

Wie kriegende Kinder –

Springt und flimmert

Von Wolke zu Wolke.

Treu aufsteigende Flammenbäume

Unzerstreuet,

Ein Gebet –

Steht der Wald

Aufgerichtet.

Und des Himmels Liebe:

Morgenröte des Hasses

Auf geschliffener Schneide:

Sich anlachender Schwertblitz,[111]

Fern aufgerichtet steht

Waffen auf den Wald gestützt

Mir des Blitzes Sohn

In Antlitz.

Und ist alles

Unzufrieden Blut,

Gattung der Welten.


Quelle:
Peter Hille: Gesammelte Werke. Berlin 1916, S. 108-112.
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