Das freie Wort

[137] Diese heilige Freiheit der Natur werde ich mir nie nehmen lassen, so lange noch ein Puls sich in mir bewegt, ich werde frei aussprechen was ich frei fühle.

E.M. Arndt, Geist der Zeit 1, 6.


Mel. Das Volk steht auf, der Sturm bricht los.


Das freie Wort von Ort zu Ort,

In jedem Munde das freie Wort!

Wir wollen es singen, wir wollen es sagen,

Im Herzen wie auf den Lippen tragen.

Frei ist das Wort! wer das nicht erkannt,

Der sei kein Deutscher je genannt,

Dem reiche kein Deutscher je die Hand,

Der sei verbannt aus dem Vaterland!

Freies Wort immerfort!

Stoßet an auf's freie Wort![138]


Wenn des Freisinns reine edele That

Verdammt und verfolgt wird als Hochverrath,

Wenn die Wahrheit in dunkeln Kerkermauern

Verstummen muß und ihr Leben vertrauern –

Frei ist das Wort! wer das nicht erkannt,

Der sei kein Deutscher je genannt,

Dem reiche kein Deutscher je die Hand,

Der sei verbannt aus dem Vaterland!

Freies Wort immerfort!

Stoßet an auf's freie Wort!


Wenn Buch und Schrift in Knechtsgestalt

Nur dienen darf der frechen Gewalt,

Wenn die Kunst und Wissenschaft schmeichelt und kriechet,

Wenn Kraft und Gesinnung kränkelt und siechet –

Frei ist das Wort! wer das nicht erkannt,

Der sei kein Deutscher je genannt,

Dem reiche kein Deutscher je die Hand,

Der sei verbannt aus dem Vaterland!

Freies Wort immerfort!

Stoßet an auf's freie Wort![139]


Wenn Lug und Trug die Welt umschwärmt,

Wenn das Laster jauchzt, wenn die Tugend sich härmt,

Wenn der Teufel im Bunde mit Bösen und Schlechten

Uns machen möchte zu Feigen und Knechten –

Frei ist das Wort! wer das nicht erkannt,

Der sei kein Deutscher je genannt,

Dem reiche kein Deutscher je die Hand,

Der sei verbannt aus dem Vaterland!

Freies Wort immerfort!

Stoßet an auf's freie Wort!


Frisch auf, mein freies Wort, ins Gefecht

Für's Vaterland, für die Ehr' und das Recht!

Und saus' und brause wie Donnerwetter,

Verkünd' uns den Sieg mit Drommetengeschmetter!

Frei bleibt das Wort! wer das erkannt,

Der wird ein Deutscher stets genannt,

Dem reicht ein Deutscher stets die Hand,

Den rühmt und preist das Vaterland.

Freies Wort immerfort!

Stoßet an auf's freie Wort!

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Deutsche Lieder aus der Schweiz, Hildesheim/New York 1975, S. 137-140.
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Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Lieder aus der Schweiz
Deutsche Lieder Aus Der Schweiz (Paperback)(German) - Common

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