Der liberale Frühling

[60] Mel. Warum bist du denn so traurig?


Maienglöcklein läuten wieder,

Denn der Frühling ziehet ein,

Und der Vögel helle Lieder

Heißen ihn willkommen sein.


Und mit Sonnenschein beladen

Und mit Blumenduft besä't,

Nahet er von Gottes Gnaden,

Er des Frühlings Majestät.[61]


Und an eines Berges Halde

Schlägt er auf sein Königszelt,

Und beruft aus Feld und Walde

Hin zu sich die Sängerwelt.


Und er spricht zu ihnen allen:

Hört, ihr Sänger groß und klein!

Jeder singe nach Gefallen,

Frei soll alles Singen sein!


Und die Maienglockchen klangen

Niemals noch so hell und laut,

Und die kleinen Vöglein sangen

Niemals noch so hold und traut.


Warum klingen doch die Lieder

Und die Glöckchen weit und breit?

Ja, dem Frühling gilt es wieder,

Mehr doch gilt's der Singfreiheit.

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Deutsche Lieder aus der Schweiz, Hildesheim/New York 1975, S. 60-62.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Lieder aus der Schweiz
Deutsche Lieder Aus Der Schweiz (Paperback)(German) - Common