Sommer und Winter

[189] S.


So komm doch heraus ins Freie zu mir!

So komm doch, o Winter! ich tanze mit dir.


W.


Ich mag nicht tanzen, ich geh' nicht hinaus,

Viel lieber ist mir am Ofen zu Haus.


S.


O sieh doch, wie Alles hüpfet und springt!

O hör doch, wie draußen die Nachtigall singt!


W.


Laß springen und singen nur immerzu –

Ich lieg' im Bett und pflege der Ruh.


S.


So jag' ich dich fort von Hof und Haus,

Und treibe dich weit in die Welt hinaus.


W.


Und bin ich dann ein vertriebener Mann,

So steig' ich die Alpen da droben hinan.


[189] S.


Auch droben da wirst du nicht sicher sein,

Ich schicke dir nach den Sonnenschein.


W.


Und willst du nicht Frieden halten mit mir,

So komm' ich gar zeitig hinab zu dir.


S.


Und kommst du, so nehm' ich zum Aufenthalt

Die Laubern und Blumen im grünen Wald.


W.


So komm' ich mit Reif und mit Schnee und mit Eis

Und mache den grünen Wald dir weiß.


S.


So kriech' ich mit meinen Blümelein

Tief unter das Gras in die Erde hinein.


W.


So deck' ich mit weißen Laken dich zu,

Dann hab' ich vor dir doch endlich Ruh.


S.


Dann ruf' ich die Sonne mit ihrem Schein,

Die jagt dich dann fort in die Welt hinein.


W.


Und jagt sie mich fort, was mach' ich mir draus?

Sie jagt mich doch nie aus der Welt hinaus.


So necken sich Winter und Sommer fürwahr,

So necken sie sich doch jegliches Jahr,

Und necken sich fort bis in Ewigkeit,

Denn ewig ist Winter und Sommerzeit.


Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Kinderlieder, Hildesheim/New York 1976, S. 189-190.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Kinderlieder
Kinderlieder

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon