Siegerich an Rosemunden

[55] Dir wünschet Siegerich mehr freudenreiche Stunden,

Als Rosen, Jungfrau, dir auf deinen Wangen stehn,

Als Lilgen die Natur um deinen Hals gewunden,

Und Zucker Silben stets aus deinem Munde gehn.

Könt ich was ich gewünscht, dir auch zugleiche geben,

So öffnet ich itzund dir völlig meine Handt,

Der Himmel lasse doch umb deine Scheitel schweben,

Was keine Schönheit nicht bey einem Helden fandt.

Nicht wunder dich darob, was ich itzund geschrieben,

Betrachte dich nur recht, kenst du dich selber nicht?

Der Spiegel will, du solst dich in dich selbst verlieben,

Und dein Gesichte lehnt den Sternen Krafft und Licht;

Es hat das lange Jahr vier Zeiten, du nur eine;

Es blüht der Frühling stets um deinen frischen Mund,

Kein Winter ist bey dir, für deiner Augen Scheine

Ist fast der Sonne selbst zuscheinen nicht vergunt.

Die Tugend trägest du in purpurreichen Schalen,

Geziehret wie es scheint, durch weisses Helffenbein,

Dein Mündlein ist ein Orth von tausend Nachtigalen,

Wo Engels Zungen selbst Gehülffen wollen seyn.

Diß, was der kleine Brief itzund an dir gepriesen,

Diß hat dein Siegerich von weitem nur erblickt,

Durch Wolcken hat sich itzt die Sonne mir gewiesen,

Wie daß mir nicht ihr Glantz frey in die Augen rückt?

Ich habe mehr von dir, als du vermeinst, gehöret,

Du kennest nicht den Ruhm, den dir die Warheit giebt,[55]

Und meine hohe Gunst wird gegen dich vermehret,

Weil deiner Jugend nicht der Jugend Lust beliebt.

Ich weiß von guter Handt wie du dich hast bemühet,

Auf einen reinen Grund zubauen deinen Ruhm,

Auf derer keuschen Brust die Tugend Rose blühet,

Die hat bey Dürfftigkeit ein reiches Eigenthum.

Mein Aug' und Ohre wünscht, O züchtige Sirene,

Zuhören und zusehn, was deine Jugend ziehrt,

Mich deucht, wie albereit dein liebliches Gethöne,

Der Ohren Wachs zerschmeltzt, und nur uns selbst entführt.

Mich deucht, ich schaue schon wie deiner Augen Blicke

Bald freudig, bald bestürtzt, bald lieblich, bald betrübt

Begleiten deinen Thon, und deine Wunderstücke,

Daß sich der Himmel selbst in deine Kunst verliebt.

Du darffst dich, Schönste, nicht vor meinem Scepter scheuen,

Er richt die Demuth auf, und reist nur Hoffarth ein,

Ein Tritt in meinem Hof, der kan dich nicht gereuen,

Du wirst ein lieber Gast für meinen Augen seyn.

Denn meine Faust weiß mehr als Schwerd und Helm zutragen,

Sie liebt zwar Knall und Blitz, und scheut nicht Sturm und Streit,

Doch glaub? ich will dir nichts von Krieg und Feuer sagen,

Laß nur die Funcken aus von deiner Liebligkeit.

Ich will den schönen Blitz und keine Feuerballen,

Ich will kein Feld Geschrey, ich will ein Lied von dir,

Du darfst mir nicht bestürtzt zu meinen Füssen fallen,

Du findest nichts als Freund, ja mehr als Freund an mir.

Laß nichtigen Verdacht nicht deinen Sinn bethören,

Ein ungefälschtes Wort bereitet dir die Bahn,

Und dencke, will dein Haupt ein starcker Adler ehren,

Daß dir gewiß forthin kein Habicht schaden kan.

Der Stand worin ich bin, muß nicht Erklärung leiden,

Ich will, das ist genug; Dein Antwort sey: Ich soll;

Ich setze nichts dazu, du wirst dich selbst bescheiden,

So bleibest du Gelück und ich Genaden voll.

Der dir mein Schreiben gibt, der soll dich sicher leiten,

Was er dir weiter sagt, das nim genau in acht,

Er wird dir eine Bahn von Wolle zubereiten,[56]

Zu der man nicht zuvor den Schlag hat aufgemacht.

Entschließ dich Jungfrau nun und mache mir zuwissen,

Wenn du ein schönes Lied vor mich bestimmet hast,

Wenn deine Liebligkeit soll in mein Ohre flüssen,

So mich entbinden soll der schweren Sorgen Last.

Schreib nur ein süsses Wort und laß mein Auge schauen,

Ob deine Feder auch den Lippen ähnlich sey,

Schreib itzt ohn alle Scheu, du kanst mir sicher trauen,

Mein Nahmen machet dich von allen Sorgen frey.

Der Kummer muß itzund aus deinem Herzen weichen,

Du hast ein schönes Pfand mein hohes Wort von mir,

Das Glücke muß nunmehr vor dir sein Seegel streichen,

Und was ein grössers ist, auch anckern neben dir.

Ich fasse was du schreibst mit hochgeneigten Händen,

Und deinem Briefe will ich selbst entgegen gehn,

Ich weiß du wirst mir nichts als Zucker übersenden,

Der wohl mit Würden kan auf meiner Tafel stehn.

Mich deucht ich schmecke schon die süsse Götter Speise,

Die Gott den Menschen auch vor Menschen machen heist,

Und spühre durch den Brief der Lieder süsse Weise,

Die dein berühmter Mund zusingen sich befleißt.

Doch schreib mir nicht allein, denn Schreiben seyn nur Schreiben,

Und wer alleine schreibt, der thut nicht allzuviel,

So du bey mir begehrst in guter Gunst zu bleiben,

So kom wie ich gesagt, und singe wie ich will.

Ich weiß die Höfligkeit, so mit dir ist gebohren,

Verbietet dir itzund zu brauchen Nicht und Nein,

Denn was mein Sinn ihm hat zu seiner Gunst erkohren,

Das muß bey stetem Ja ihm auch gehorsam seyn.

Kom Schönste, glaube mir, mein Thor das steht dir offen,

Und wilst du mehr als diß, mein Hertze selbst dazu,

Diß was du nur ersinnst, das hastu auch zuhoffen,

(Schreib, eil' und singe mir, Ach was verweilest du?)

Die Flügel meiner Gunst die sollen dich bedecken,

Was hier nicht sicher ist kan nirgend sicher stehn;

Wo eine Crone liebt, da werden keine Flecken,

Und weren Flecken da, so müsten sie vergehn.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 55-57.
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