[363] STANI kommt zurück. Nur für eine Sekunde, Onkel Kari, wenn du mir verzeihst. Ich hab müssen dein Urteil über diesen Herrn hören!
HANS KARL. Das deinige scheint ja fix und fertig zu sein.
STANI. Ah, ich find ihn einfach unmöglich. Ich verstehe einfach eine solche Figur nicht. Und dabei ist der Mensch ganz gut geboren!
HANS KARL. Und du findest ihn so unannehmbar?
STANI. Aber ich bitte: so viel Taktlosigkeiten als Worte.
HANS KARL. Er will sehr freundlich sein, er will für sich gewinnen.
STANI. Aber man hat doch eine assurance, man kriecht wildfremden Leuten noch nicht in die Westentasche.
HANS KARL. Und er glaubt allerdings, daß man etwas aus sich machen kann – das würde ich als eine Naivität ansehen oder als Erziehungsfehler.
STANI geht aufgeregt auf und ab. Diese Tiraden über die Helen!
HANS KARL. Daß ein Mädel wie die Helen mit ihm Konversation über unsereinen führt, macht mir auch keinen Spaß.
STANI. Daran ist gewiß kein wahres Wort. Ein Kerl, der kalt und warm aus einem Munde blast.
HANS KARL. Es wird alles sehr ähnlich gewesen sein, wie er sagt. Aber es gibt Leute, in deren Mund sich alle Nuancen verändern, unwillkürlich.
STANI. Du bist von einer Toleranz!
HANS KARL. Ich bin halt sehr alt, Stani.
STANI. Ich ärgere mich jedenfalls rasend, das ganze Genre[363] bringt mich auf, diese falsche Sicherheit, diese ölige Suada, dieses Kokettieren mit seinem odiosen Spitzbart.
HANS KARL. Er hat Geist, aber es wird einem nicht wohl dabei.
STANI. Diese namenlosen Indiskretionen. Ich frage: was geht ihn dein Gesicht an?
HANS KARL. Au fond ist man vielleicht ein bedauernswerter Mensch, wenn man so ist.
STANI. Ich nenne ihn einen odiosen Kerl. Jetzt muß ich aber zur Mamu hinauf. Ich seh dich jedenfalls in der Nacht im Klub, Onkel Kari.
AGATHE sieht leise bei der Tür rechts herein, sie glaubt Hans Karl allein.
STANI kommt noch einmal nach vorne.
HANS KARL winkt Agathe, zu verschwinden.
STANI. Weißt du, ich kann mich nicht beruhigen. Erstens die Bassesse, einem Herrn wie dir ins Gesicht zu schmeicheln.
HANS KARL. Das war nicht sehr elegant.
STANI. Zweitens das Affichieren einer weiß Gott wie dicken Freundschaft mit der Helen. Drittens die Spionage, ob du dich für sie interessierst.
HANS KARL lächelnd. Meinst du, er hat ein bißl das Terrain sondieren wollen?
STANI. Viertens diese maßlos indiskrete Anspielung auf seine künftige Situation. Er hat sich uns ja geradezu als ihren Zukünftigen vorgestellt. Fünftens dieses odiose Perorieren, das es einem unmöglich macht, auch nur einmal die Replik zu geben. Sechstens dieser unmögliche Abgang. Das war ja ein Geburtstagswunsch, ein Leitartikel. Aber ich halt dich auf, Onkel Kari.
AGATHE ist wieder in der Tür erschienen, gleiches Spiel wie früher.
STANI war schon im Verschwinden, kommt wieder nach vorne. Darf ich noch einmal? Das eine kann ich nicht begreifen, daß dir die Sache wegen der Helen nicht nähergeht!
HANS KARL. Inwiefern mir?
STANI. Pardon, mir steht die Helen zu nahe, als daß ich diese unmögliche Phrase von »Verehrung« und »Angehören« goutieren könnt. Wenn man die Helen von klein auf kennt, wie eine Schwester![364]
HANS KARL. Es kommt ein Moment, wo die Schwestern sich von den Brüdern trennen.
STANI. Aber nicht für einen Neuhoff. Ah, ah!
HANS KARL. Eine kleine Dosis von Unwahrheit ist den Frauen sehr sympathisch.
STANI. So ein Kerl dürfte nicht in die Nähe von der Helen.
HANS KARL. Wir werden es nicht hindern können.
STANI. Ah, das möcht ich sehen. Nicht in die Nähe!
HANS KARL. Er hat uns die kommende Verwandtschaft angekündigt.
STANI. In welchem Zustand muß die Helen sein, wenn sie sich mit diesem Menschen einläßt.
HANS KARL. Weißt du, ich habe mir abgewöhnt, aus irgendeiner Handlung von Frauen Folgerungen auf ihren Zustand zu ziehen.
STANI. Nicht, daß ich eifersüchtig wäre, aber mir eine Person wie die Helen – als Frau dieses Neuhoff zu denken, das ist für mich eine derartige Unbegreiflichkeit – die Idee ist mir einfach unfaßlich – ich muß sofort mit der Mamu davon sprechen.
HANS KARL lächelnd. Ja, tu das, Stani. –
Stani ab.
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