[493] Jaromir tritt auf, einen Fliederzweig in der Hand.
MARIE schnell, allem was er sagen könnte zuvorkommend. Ich muß fort, heute noch! Etwas unsicherer im Ton, hastig. Mein Vater ist weniger wohl.[493]
JAROMIR. Sie haben eine Nachricht? Wann? Durch wen?
MARIE mühsam. Ihr Diener Franz! Es ist telephoniert worden.
JAROMIR. Marie?
MARIE hat ihre Sachen im Arm. Ich will fort! Ich muß fort!
JAROMIR. Marie!
MARIE. Nicht heftig sein, Jaromir! Nicht mir verderben diesen einen schönen letzten Tag! Ich war hier. – Ich habe diese Luft geatmet, Ihre Kinder gesehen. Ich habe in Ihrem Hause gewohnt, bin in Ihrem Garten gesessen!
JAROMIR näher. Marie! Du hast mich noch lieb! Sonst wärest du nicht gekommen! Du kannst nicht aufhören, zu mir zu gehören!
MARIE ohne ihn anzusehen. Ich will fort! Ich muß fort!
JAROMIR. Oh! Du bist eifersüchtig!
MARIE schüttelt mit schmerzlichem Lächeln den Kopf.
JAROMIR. Auf die Melanie? – Dir zulieb hab ich sie eingeladen. Dir zulieb! – Ich weiß, in dir sitzt diese Angst, daß du mich belasten könntest. Du willst meinen Tag nicht ganz! – Für dich habe ich das alles so eingeteilt und jetzt willst du mich im Stich lassen!
MARIE. Ich habe es vor meinem Vater verheimlicht, vor allen Menschen gelogen! Ich muß fort.
Sie tritt eine Stufe höher.
JAROMIR. Bist du eine Egoistin geworden? Du, Marie? Du weißt doch, bis zu welchem Grade, Marie, ich mich einfach selbst verlier, wenn mich nur der Verdacht anweht, daß das Leben – der unbeschreibliche, unbegreifliche Fonds der Existenz selbst – daß das mir versagen könnte! Begreifst du denn nicht, daß du mich nicht im Stich lassen darfst!?
MARIE auf der obersten Stufe. Was Sie brauchen, wird Ihre Frau Ihnen geben – – Ihre Kinder – – Aber ich muß fort.
JAROMIR. Das sind Ausflüchte! Sprechen wir nicht von mir, sprechen wir ernstlich von dir. Was war denn der Inhalt deiner Existenz?
MARIE schon weggewandt. Ja, ja, aber ich muß fort!
JAROMIR. Du bist auf meine Frau eifersüchtig! Ist es möglich?
MARIE. Ich segne Ihre Ehe. Ich segne alles, was Sie umgibt – wenn Sie mich nicht hindern fortzugehen. Mögen Ihre Kinder lieben und geliebt werden![494]
JAROMIR sieht, daß er sie verloren geben muß. Marie –
MARIE. Geben Sie Ihrer Frau alles, was Sie zu geben vermögen. – Mir nichts mehr. Kein Wort! Keinen Brief!
JAROMIR. Mit was für Augen schaust du denn auf mich!
MARIE schon im Verschwinden. Adieu, für immer. Adieu!
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