Der Ältere

[29] Nun meine ich, ist mir ein Maß geschenkt,

Ein unveränderlich und sichres Maß

Das mich für immer und untrüglich abhält,

Ein leeres Ding für voll zu nehmen, mich

Für Schales zu vergeuden, fremdem Fühlen

Und angelerntem Denken irgend Platz

In einer meiner Adern zu gestatten.

Nun kann zwar Krankheit, Elend oder Tod

Mich noch bedrohen, aber Lüge kaum.

Dazu ist dies mein neues Amt zu voll

Einfacher Hoheit. Und daran gemessen

Vergeht erlogne Wichtigkeit zu Nichts.

Ins Schloß gefallen sind die letzten Türen,

Durch die ich hatte einen schlimmen Weg

Antreten können. Durch und durch verstört,

Im Kern beschmutzt und völlig irre an Güte

Werd ich nun nicht mehr. Denn mich hat ein Glanz

Vom wahren Sinn des Lebens angeglüht.


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke. Erste Reihe in drei Bänden, Band 1, Berlin 1924, S. 29.
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