Fürvermärck

[228] Es ist ein ärgerlicher Zufall/ daß grade die sonst capabelste Ingenia deß offtern beyneben die außgemachteste Seu-Rüssel sind.


Unter allen Lautenisten/ die der selige Herr Opitius mit seiner göldenen Poesie auß dem sonst unfruchtbahren Boden unsres gelährten Vatterlands gleichsahm wie mit einer Wüntschel-Ruhte herauß- und herfür gelokkt hat/ ist unser[229] DAFNIS unter dihsem Hinblikk nicht blohß der künstlichste/ sondren auch der unflähtigste gewesen. Er war so Welt-verlihbt/daß er sich nicht scheute/ seinem Nahmen jenen Bey- oder Zusazz AUS FLANDERN anzuhängen/ der einem ehrlichen Christen übel ansteht und einen unerbahren und wanckel-mühtigen Mäntschen verräht.


Nachdäme er in seiner ungezeumten und hizzigen Jugend in Altdorff gesoffen/ in Jena geraufft und in Helmstädt denen Professoribus die Fenstern eingeschmissen/ stehn seine übrige Lebensümbstände/ dafern sie nicht schon auß seinen Liedren springen/ in seinem lästerlichen »Nohtwendigen Vorbericht« bereits meinstentheils von ihme[230] sälbst vermärckt. Er war dermahls noch zihmlich in seinem vigeur und man spührt auß seinen Außdrükkungen/ daß er ehist den Dägen mit noch grösserer Geschikklichkeit zu führen gewusst/ alß die Fehder.


Erst nachdäme sich bey seinem starken Geblüht allgemählig die hefftigste Stökkungen eingestellt/brachte sein herein gebrochenes Alters Gebrest ihn zum Nachdäncken. Er erwehlte die stille Einsamkeit zu seiner lihbsten Favoritin und fing an/ sich nach Drohst-Gründen ümbzusehn.


Concordie Beate Emerentia/ von der er verhoffend gewesen/ sie würde ihme die Augen zudrukken/ hatte ihn nach unveränderlichem Gottes-Willen in dihsem irdischen Jammer-Thal bedrühbt allein gelassen/[231] und von seinen Söhnen/ die nach ihrem Vatter schlachteten/ kamen ihme auß Flegelhausen und Zechendorff zum Verdriehß blohß noch Brieffgens ümb Cremnitzer Dukahten zu und ümb Lüneburgische Wildemanns-Dhaler.


Die Herrlichkeit dihser Erde verlohdert wie ein angezündetes Büschel-Werck und auff ein großauffgesperrtes Maul folgt das Malum hippochondriacum. Das sind uhralte Veritates! Silvette/ Flattaris und Mabelle/ dihse irdische Göttinnen/ wie er sie genanndt hatte/ ekkelten ihn itzt/ und er sah ein/ waß er mit seinem Säuischen Gekruntze for ein einfältiger Stroh-Stöppsel gewesen.


Ümbsonst! Daß er bey itzt klügerem[232] Alter des Ovidii Verwandlungs-Buch denen Lamentationibus Jeremiae hindtan säzzte/ verhalff ihme nichts mehr! Beelzebub/ Satanas/ Pluto/ Barrabas und die andre verteuffelte Herren der Fünsterniß waren zu lange seine Spieß-Gesöllen gewesen!


Bref/ der erzörnte Gott refusirte seine gehürnißte Excusen und der thörigte Frey-Geist starb/ nachdäme ihme noch zurlezzt von einer Scorbutischen Gicht alle Finger in der Hand krumm und unbrauchbar gewesen/von seinen ungnädigen Blikken bestrahlt wie er gelebt hatte.


Daß ich Dir seine übersäfftigte OMNIA MEA wegen zu starcken Abgangs derer Exemplarien bevor[233] seinen zu späht außgeschütteten Buß-Thränen hihr noch-mahl vermehrfältigt habe/ wirstu nicht unbilligen. Wer auch nur ein Viertel Pfennig-Stükk von einem Judicio besizzt/ weiß/ daß ich dihß nicht for die Epicurische Mast-Seue gedahn/ for die Bantagruels-Brüder und Späkk-Schnäppel/ die mit mir nicht unter die sälbe Zech gehören/ sondern auß aller-honettesten Absichten alß Pythagorisches Symbolum! Nicht zu höchstlichster Belihbung/ Erlüstigung und Wollustirung/ sondern auß Misericordia! Gehet hin und dhuet nicht desgleichen! Evangelium Lucae/Verß fünff im dreyzehnten Kapittul.

Amen!

Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 228-234.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Dafnis
Des Schäfers Dafnis Fress-, Sauf- & Venuslieder
Dafnis. Lyrisches Portrait aus dem 17. Jahrhundert
Dafnis Lyrisches Portrait aus dem 17 Jahrhundert