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[201] Drei Jahre sind verstrichen, Erik und Fennimore sind zwei Jahre verheiratet und wohnen in einem kleinen Landhause am Mariagerfjord. Niels hat Fennimore seit jenem Sommer in Fjordby nicht gesehen. Er wohnt in Kopenhagen und hat viel Verkehr, doch steht er zu niemand in freundschaftlichen Beziehungen, ausgenommen zu Doktor Hjerrild, der sich alt nennt, weil sich bereits weiße Silberfäden in seinem dunkeln Haar zeigen.
Die unerwartete Verlobung Eriks war ein harter Schlag für Niels gewesen, er ist infolgedessen ein wenig stumpf geworden, auch ein wenig bitterer und nicht mehr so vertrauensvoll, er hat auch Hjerrilds Mißmut gegenüber nicht mehr so viel Begeisterung. Er setzt seine Studien unverdrossen fort, doch sind sie planloser geworden, und der Gedanke, fertig zu werden, um vortreten und zugreifen zu können, fristet nur noch ein schwaches, flackerndes Leben. Er lebt viel mit anderen, aber er lebt eigentlich nicht mit ihnen, sie interessieren ihn wohl, aber es ist[201] ihm völlig gleichgültig, ob sie irgendwelches Interesse für ihn haben oder nicht, und das eine fühlt er: die Kraft in ihm, die ihn dazu hätte anspornen können, sein Teil in der Welt zu leisten, im Verein mit anderen oder im Kampf mit anderen, diese Kraft wird schwächer und schwächer. Er kann ja warten, sagt er sich, und sollte er selbst so lange warten, bis es zu spät geworden ist. Wer glaubt, der hat keine Eile, das ist sein Trost. Denn er besitzt Glauben genug, das fühlt er, wenn er nur auf den Grund seines Herzens geht, Glauben genug, um Berge zu versetzen; er kann sich nur nicht überwinden, die Schulter dagegen zu stemmen. Hin und wieder erfaßt ihn wohl ein Drang, zu schaffen, eine Sehnsucht, wenigstens einen Teil seines Ichs durch die Arbeit befreit zu sehen, und ganze Tage lang kann sich sein Wesen gehoben fühlen durch frohe titanische Anstrengungen, den Ton zusammenzuformen, aus dem er seinen Adam bilden will; aber es gelingt ihm nie, ihn nach seinem Bilde zu schaffen; er hat nicht Ausdauer genug, um die Selbstkonzentrierung, die hierzu erforderlich ist, aufrechtzuerhalten. Er trägt sich wochenlang mit dem Gedanken, die Arbeit aufzugeben, und schließlich gibt er sie wirklich auf und fragt sich gereizt, weshalb er sie denn auch fortsetzen solle, was er denn im Grunde dabei gewinnen könne? Er hat das Glück der Empfängnis genossen, die Beschwerden des Großziehens stehen ihm noch bevor, dies Hegen und Nähren, dies bis zur Vollendung in sich Herumtragen. Und wozu? Für wen? Er ist kein[202] Pelikan, sagt er sich selber. Aber er mag nun sagen, was er will, er ist doch unbefriedigt und fühlt, daß er sich nicht den Forderungen gegenüber, die er an sich selber stellen muß, verantworten kann, und es hilft ihm nichts, daß er mit diesen Forderungen ins Gericht geht und sich bemüht, die Berechtigung der Ansprüche an ihn in Zweifel zu ziehen. Er sieht sich vor eine Wahl gestellt, und er muß wählen; denn es ist ja nun einmal so, wenn die erste Jugend vorüber ist, früher oder später, je nachdem der Naturboden in einem Menschen ein Früher oder ein Später ist, daß dann ein Tag hereinbricht, wo der Verzicht wie ein Versucher an uns herantritt und uns dazu verleiten will, dem Unmöglichen Lebewohl zu sagen und uns zu begnügen. Und solche Resignation hat so viel für sich; denn wie oft sind nicht die idealen Forderungen der Jugend zurückgewiesen, ihre Begeisterung beschämt und ihre Hoffnung vernichtet worden! Die Ideale, die lichten, lieblichen, haben zwar noch nichts von ihrem Glanze eingebüßt, aber sie weilen nicht mehr auf der Erde mitten unter uns wie in den ersten Tagen unserer Jugend; auf der breit angelegten Treppe der Weltklugheit sind sie Stufe um Stufe zurückgeführt worden in den Himmel, aus welchem unser einfältiger Glaube sie heruntergeholt hatte, und dort sitzen sie, strahlend aber fern, lächelnd aber müde in göttlicher Untätigkeit, während der Weihrauch einer tatenlosen Anbetung in festlichen Windungen zu ihrem Throne aufwirbelt.
Niels Lyhne war müde; diese eifrigen Anläufe zu einem[203] Sprunge, der niemals ausgeführt wurde, hatten ihr ermattet. Alles war ihm hohl und wertlos geworden, verdreht und verwirrt und auch so kleinlich; es schien ihm so natürlich, seine Ohren und seinen Mund zu verstopfen und sich in Studien zu versenken, die nichts mit dem Staube der Erde zu schaffen hatten, die abgesondert für sich selber waren, gleich einer stillen Meerestiefe mit friedlichen Tangwäldern und merkwürdigem Getier.
Er war müde, und um die vernichteten Liebeshoffnungen schlangen sich die Wurzeln dieser Müdigkeit; von dort aus hatte sie sich schnell und sicher seinem ganzen Wesen mitgeteilt, hatte sie alle Fähigkeiten, alle seine Gedanken ergriffen. Jetzt war er kalt und leidenschaftslos genug, aber in jener ersten Zeit, als ihn der Schlag getroffen hatte, war seine Liebe von Tag zu Tag mit der unhemmbaren Macht eines schleichenden Fiebers gewachsen, und es hatte Stunden gegeben, in denen seine Seele, von wahnsinniger Leidenschaft getrieben, in unsäglichem Sehnen und schäumendem Verlangen zu einer Woge angeschwollen war, höher und höher steigend, so daß jede Fiber seines Hirns, jede Saite seines Herzens bis zur äußersten Grenze angespannt war. Und dann war die Müdigkeit über ihn gekommen, abstumpfend und heilend, sie hatte seine Nerven taub gemacht gegen den Schmerz, sein Blut zu kalt für Begeisterung und seinen Puls zu schwach zum Handeln. Und mehr als das, sie hatte ihn vor einem Rückfalle geschützt, indem sie ihn mit der ganzen Vorsicht und dem Egoismus eines Rekonvaleszenten[204] ausstattete. Und wenn er jetzt an die Tage in Fjordby zurückdenkt, so geschieht es mit demselben Gefühle der Sicherheit, das der Mensch, der eben eine schwere Krankheit überstanden hat, bei dem Gedanken empfindet, daß jetzt, nachdem er seine Leiden ausgelitten, nachdem sich das Fieber in seinem Körper selbst zu Asche verzehrt hat, daß er jetzt auf lange, lange Zeit frei sein wird.
Da geschah es denn, als Erik und Fennimore, wie schon gesagt, ungefähr zwei Jahre verheiratet waren, daß er eines Sommertags einen halb kläglichen, halb prahlenden Brief von Erik erhielt, worin dieser sich selbst anklagte, seine Zeit vergeudet zu haben; woran es eigentlich liege, wisse er nicht, aber er habe gar keine Ideen mehr. Sein Umgang bestehe aus frischen, munteren Leuten, die weder prüde noch schwerfällig, aber was die Kunst betreffe, die gräßlichsten Dromedare seien. Da sei auch nicht ein Mensch, mit dem er sich einmal gründlich aussprechen könne, und es habe ihn ein lähmender Zustand von Trägheit und Unaufgelegtheit überfallen, von dem er sich nicht mehr befreien könne, denn nie sehe er eine Idee oder eine Stimmung so wie früher, er sei wirklich oft besorgt, daß seine Fähigkeiten versiegt seien, daß er niemals wieder etwas leisten würde. Aber das könne doch unmöglich so weiter gehen, es müsse doch wieder kommen, er sei zu reich gewesen, als daß es so enden könne; und dann wolle er ihnen zeigen, was Kunst sei, jenen anderen, die ununterbrochen weiter malten, als sei das etwas, was sie auswendig gelernt hätten. Vorläufig habe er jedoch[205] das Gefühl, als liege ein Bann über ihm, und es würde ein großer Freundschaftsdienst von Niels sein, wenn er nach Mariagerfjord kommen wollte, er sollte es so gut haben, wie es die Verhältnisse gestatteten, und er könne ja den Sommer ebensogut dort verbringen wie anderswo. Fennimore lasse grüßen und freue sich sehr auf seinen Besuch.
Dieser Brief sah Erik gar nicht ähnlich, es mußte wirklich etwas Ernsthaftes vorliegen, daß er so klagen konnte. Das sah Niels sofort ein, und er wußte auch nur zu gut, wie schwach im Grunde die Quelle von Eriks Produktion war, ein spärlicher Bach, den ungünstige Verhältnisse leicht austrocknen konnten. Er wollte sofort abreisen, was auch zwischen ihnen liegen mochte, Erik sollte einen treuen Freund in ihm finden, und hatten auch die Jahre das Band gelockert, waren auch die Illusionen im Laufe der Zeit verblaßt, jene Freundschaft aus der Kinderzeit wollte er doch zu wahren wissen. Er hatte Erik früher gestützt, er wollte ihm auch jetzt eine Stütze sein. Ein leidenschaftliches Freundschaftsgefühl überkam ihn. Er wollte der Zukunft entsagen, dem Ruhme, den ehrgeizigen Träumen, um Eriks willen. Alles, was er an glimmender Begeisterung, an gärender Schaffenskraft besaß, wollte er Erik einflößen, er wollte völlig in Erik aufgehen; sein eigenes Ich, seine Ideen, das war alles bereit, nichts wollte er für sich zurückbehalten, und er träumte sich den groß, der so unsanft in sein Leben eingegriffen hatte; er selber kam sich ausgelöscht vor, übersehen,[206] arm, ohne geistiges Eigentum, und er träumte weiter, wie das, was Erik erhalten hatte, allmählich nichts Geliehenes mehr war, sondern wirklich sein eigen, und zwar durch den Stempel, den er ihm aufdrückte, indem er es zu Taten und Werken prägte, Erik hoch und geehrt, und er selber nur einer der vielen, vielen Durchschnittsmenschen; schließlich zur Armut gezwungen, nicht freiwillig, ein wirklicher Bettler, kein Prinz in Lumpen, und es war so süß, sich so bitter, elend und gering zu träumen.
Aber Träume sind Träume, und er lachte über sich selber und dachte daran, daß Leute, die ihre eigenen Angelegenheiten versäumen, stets imstande sind, ein unerschöpfliches Interesse für die Arbeit anderer zu verwenden, und er dachte auch daran, daß Erik, wenn sie einander gegenüberstünden, natürlich seinen Brief verleugnen, das Ganze als einen Scherz hinstellen und es ungeheuer komisch finden würde, wenn er wirklich zu ihm käme und sich bereit erklärte, ihm wieder zu seinem Talent zu verhelfen. Aber trotzdem reiste er; im Innersten seiner Seele glaubte er doch, daß er Nutzen stiften könne, und wie er sich auch bemühte, es wegzuerklären und in Zweifel zu ziehen, er konnte sich doch nicht von dem Gefühle freimachen, daß es wirklich die alte Knabenfreundschaft sei, die in ihrer ganzen Wärme und Natürlichkeit wieder erwacht war, den Jahren und ihrem Einflusse zum Trotz.
Das Landhaus am Mariagerfjord gehörte einem älteren Ehepaare, das durch Gesundheitsrücksichten gezwungen[207] war, seinen Wohnsitz auf unbestimmte Zeit im Süden zu nehmen. Es war ursprünglich nicht ihre Absicht gewesen, das Haus zu vermieten, denn damals, als sie reisten, glaubten sie, daß sie nur ein halbes Jahr lang bleiben würden, und sie hatten deswegen alles stehen lassen. Als nun Erik das Haus vollständig möbliert mietete, war dies in so buchstäblichem Sinne der Fall, daß er es samt Nippfiguren, Familienporträts und allem bekam, sogar eine Bodenkammer mit altem Rumpelzeug war da, und in den Schiebladen der Schreibtische fand sich eine Menge alter Briefe vor.
Erik hatte das Landhaus entdeckt, als er nach seiner Verlobung Fjordby verlassen hatte, und da sich hier alles beisammen fand, was sie brauchten, und mehr als das, und da er die Absicht hatte, sich nach Verlauf einiger Jahre in Rom niederzulassen, so hatte er es von dem Konsul zu erreichen gewußt, daß dieser keine Aussteuer für Fennimore anschaffte. Das junge Paar war in Marianenlund eingezogen, wie man in ein Hotel einzieht, nur mit dem Unterschiede, daß sie einige Koffer mehr bei sich hatten, als gewöhnliche Reisende zu haben pflegen.
Die Fassade lag nach der See hinaus, keine zehn Ellen vom Wasser entfernt. Das Gebäude hatte ein ganz gewöhnliches Aussehen, oben einen Balkon und unten eine Veranda, dahinter lag ein erst vor kurzem angelegter Garten, dessen Bäume nicht viel dicker waren als Spazierstöcke, dafür hatte man aber von dort aus einen herrlichen Blick auf einen prächtigen Buchenwald mit weiten[208] Heideflächen und tiefliegenden Klüften zwischen grünbewachsenen Höhen.
So war Fennimores neues Heim, und eine Weile war es so licht, wie das Glück es nur machen konnte, denn sie waren ja jung und verliebt, frisch und gesund, ohne jegliche Sorgen in geistiger wie in leiblicher Beziehung.
Aber jedes Glücksschloß, das sich erhebt, hat in dem Grunde, auf dem es ruht, Sand, und der Sand sammelt sich und rinnt unter den Mauern fort, langsam vielleicht, unmerklich, aber er rinnt und rinnt, Korn auf Korn. Und die Liebe? Auch sie ist kein Fels, wie gern wir es auch glauben möchten.
Sie liebte ihn von ganzer Seele, mit der Heftigkeit der Angst, mit zitternder Glut; er war ihr mehr als ein Gott, weit mehr; ein Abgott, den sie anbetete ohne Rückhalt und über alle Maßen.
Seine Liebe war stark wie die ihre, aber sie ermangelte der feinen, männlichen Zärtlichkeit, welche die Geliebte vor sich selbst behütet und über ihrer Würde wacht. Wohl mahnte es ihn wie eine dunkle Pflicht, wohl rief es ihn mit leiser Stimme, aber er wollte nicht hören, denn sie war so bezaubernd in ihrer blinden Liebe, und ihre Schönheit, die der unbewachten Üppigkeit und dem demütigen Liebreiz einer Sklavin glich, reizte und entflammte ihn zu einer Leidenschaft ohne Grenzen und ohne Gnade.
Steht nicht irgendwo in dem alten Mythus von Amor geschrieben, daß er seine Hand auf Psychens Augen legt,[209] ehe sie im süßen Liebestaumel durch die glühende Nacht dahinfliegen?
Arme Fennimore! Wenn das Feuer ihres eigenen Herzens sie hätte verzehren können, so würde der, der sie hätte schirmen sollen, in die Flammen geblasen haben, denn er glich jenem trunkenen Herrscher, der mit der Brandfackel in der Hand bei dem Anblicke seiner brennenden Königsstadt jubelte, denn der Schein der flackernden Gluten steigerte seinen Rausch, bis ihn die Asche ernüchterte.
Arme Fennimore! Sie wußte nicht, daß die brausende Hymne des Glückes so oft gesungen werden kann, daß schließlich weder Worte noch Melodie zurückbleiben, sondern nur ein Schwulst von Trivialität; sie wußte nicht, daß der Rausch, der heute himmelhoch steigt, seine Kraft den Flügeln des kommenden Tages entlehnt; und als endlich die Nüchternheit bleischwer zu dämmern begann, da begann sie mit Zittern einzusehen, daß sie sich in ihrer Liebe zu einer süßen Verachtung vor sich selber wie voreinander erniedrigt hatten, zu einer süßen Verachtung, deren Süßigkeit sich aber von Tag zu Tag verringerte, bis sie schließlich einen bittern Beigeschmack erhielt. Da entfernten sie sich voneinander, soweit es nur möglich war, er, um von einem treulos verlassenen Ideal voll höhnender Hoheit und kühlen Liebreizes zu träumen, sie, um in verzweiflungsvollem Sehnen nach der blassen, stillen, jetzt so unendlich fernen Küste ihrer Mädchentage hinüberzustarren. Von Tag zu Tag ward es unerträglicher[210] für sie, die Scham brannte wild in ihren Adern, und ein erstickender Abscheu vor sich selber machte alles für sie hoffnungslos, machte sie tief unglücklich.
Es befand sich im Hause eine kleine, entlegene Kammer, in der nichts stand als die Koffer, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Dort saß sie oft, Stunde auf Stunde, bis die Sonne draußen über der weiten Welt herabsank und die Kammer mit rötlichem Licht erfüllte; dort marterte sie sich selber mit Gedanken, die spitziger waren als Dornen, schlug sich selber mit Worten, die schärfer waren als Geißeln, bis sie, von Schmerz und Qual verwirrt, einen betäubenden Trost darin suchte, sich wie einen wertlosen Gegenstand auf den Boden zu werfen, sich selber zu widerlich, um der Sitz einer Seele zu sein. Die Buhlerin ihres eigenen Mannes! Der Gedanke verließ sie nie, mit diesem Gedanken warf sie ihr eigenes Selbst verächtlich in den Staub, unter ihre Füße, mit diesem Gedanken schloß sie jede Hoffnung an eine Wiederherstellung ihrer Ehre aus, mit ihm steinigte sie jede Erinnerung an ein früheres Glück.
Allmählich überkam sie eine starre Gleichgültigkeit, sie hörte auf, zu verzweifeln, wie sie aufgehört hatte, zu hoffen, ihr Himmel war zusammengestürzt, und sie fühlte kein Bedürfnis, ihn wieder zusammenzuträumen, sie machte keine Ansprüche mehr auf Seligkeit, sie war nicht mehr zu gut für die Erde, wie auch die Erde nicht mehr zu gut für sie war, sie waren einander wert. Sie warf keinen Haß auf Erik, zog sich auch nicht voller Abscheu[211] von ihm zurück, im Gegenteil, sie nahm seine Küsse ruhig hin, denn sie empfand viel zu viel Verachtung vor sich selber, um sich ihnen entziehen zu können, sie war ja nun einmal sein Weib, das Weib eines Mannes!
Auch für Erik war das Erwachen bitter, obgleich er es sich mit dem prosaisch klaren Blick eines Mannes gesagt hatte, das es notwendigerweise einmal so kommen würde. Als es aber kam, als die Liebe nicht mehr ein Ersatz für alle Mängel war, als der goldenschimmernde Schleier, in welchem sie zu ihm herab auf die Erde gestiegen war, davongeweht war, da empfand er es als ein Erschlaffen aller Lebensgeister, ein Sinken aller seiner Fähigkeiten, das ihn besorgt machte und ihn mit Reue erfüllte, so daß er sich mit fieberhaftem Eifer wieder seiner Kunst zuwandte, um sich zu vergewissern, daß er nicht noch etwas anderes eingebüßt habe als das Liebesglück. Aber er erhielt nicht die Antwort, auf die er gehofft hatte, er ließ sich auf ein paar unglückliche Ideen ein, mit denen er nicht vorwärts kam und die aufzugeben er sich auch wieder nicht entschließen konnte. Obwohl er nichts Rechtes daraus zu machen wußte, beschäftigten sie ihn doch fortwährend und hinderten andere Ideen daran, aufzukommen und ihn an sich zu ziehen, er wurde mutlos und verstimmt und verfiel in einen grübelnden Müßiggang, weil die Arbeit ihm so ermüdend widerspenstig war, und weil er dachte, daß er nur zu warten brauche, dann würde wohl der Geist wieder über ihn kommen. Aber die Zeit verging, sein Talent blieb nach wie vor[212] unfruchtbar, und hier an der stillen Meeresbucht fand sich kein Umgang, der befruchtend auf ihn hätte einwirken können; auch waren hier keine Kunstgenossen, deren Siege ihn zur Nacheiferung und zum schöpferischen Widerspruch hätten anspornen können. Diese Untätigkeit wurde ihm unerträglich, er sehnte sich glühend danach, sich selber zu fühlen, gleichviel wie oder wodurch, und da sich ihm nichts anderes darbot, fing er an, sich einem Kreise jüngerer und älterer Landleute anzuschließen, die sich unter Anführung eines sechzigjährigen Jagdjunkers die Öde und Einförmigkeit des Landlebens durch solche Ausschweifungen zu versüßen suchten, auf die ihre nicht allzu reiche Phantasie verfiel. Der Kern ihrer Zerstreuungen bestand im Trinken und Kartenspielen, und es war ziemlich gleich, ob die Schale, welche diese Vergnügungen umgab, eine Jagdpartie oder eine Marktreise genannt wurde. Auch machte es keinen weiteren Unterschied, daß man die Szene hin und wieder nach einer der zunächstgelegenen Provinzialstädte verlegte und dort im Laufe eines Nachmittags wirkliche oder eingebildete Geschäfte mit den Kaufleuten erledigte. Der Schluß dieser Geschäfte fand stets am Abend im Wirtshause statt, dessen Inhaber mit bewunderungswürdigem Takt alle Leute von der richtigen Farbe ihrem Klub zuführte. Waren reisende Schauspieler im Städtchen so ließ man die Kaufleute links liegen, denn die Schauspieler waren weit umgänglicher, der Flasche gegenüber nicht so zurückhaltend, und sie hatten im allgemeinen nichts dagegen, sich der leider selten mit durchschlagendem[213] Erfolg ausgeführten Wunderkur des sich Nüchterntrinkens zu unterziehen, nämlich in Genever, nachdem man sich in Champagner betrunken hatte.
Der Hauptstamm des Kreises bestand aus Gutsbesitzern und Landleuten jeglichen Alters, aber es gehörte auch noch ein Branntweinbrenner dazu, ein massiver junger Laffe, sowie ein weißhalsiger Hauslehrer, der in den letzten zwanzig Jahren kein Hauslehrer mehr gewesen war, sondern sich besuchsweise auf den verschiedenen Gütern herumgetrieben hatte, mit einer Reisetasche aus Seehundsfell und einer grauen Kracke, von der man allgemein im Scherz behauptete, daß er sie einem Pferdeschlächter gestohlen habe. Er war ein stiller Säufer, ein großer Virtuose auf der Flöte, und es ging die dunkle Sage, daß er Arabisch verstehe. Zu der Gesellschaft, die der Jagdjunker seinen Stab nannte, gehörte ferner ein Prokurator, der immer neue Geschichten erzählte, sowie ein Doktor, der nur eine einzige Geschichte wußte, und zwar von Anno Sechs, von der Belagerung Lübecks.
Dieser Kreis erstreckte sich sehr weit, und es kam fast niemals vor, daß sie alle versammelt waren; vernachlässigte aber einer die Gesellschaft allzu lange, und wußte man, daß er zu Hause war, so ließ der Jagdjunker einen Aufruf an seine Getreuen ergehen, und man machte sich in pleno auf, um die Ochsen des Abtrünnigen zu besehen. Das bedeutete, daß man sich zwei bis drei Tage auf dem Hofe des Unglücklichen einquartierte und dort, soweit es möglich war, alles auf den Kopf stellte durch[214] Spiel und Gelage und andere ländliche Scherze, zu denen die Jahreszeit gerade einlud. Während eines solchen Strafbesuches geschah es einmal, daß die Gesellschaft so gründlich einschneite, daß dem Wirt schließlich der Kaffee, der Rum und der Zucker ausging, und man sich zuletzt mit einem Kaffeepunsch begnügen mußte, der aus Zichorie gekocht, mit Sirup gesüßt und mit Branntwein vermischt war.
Es war im ganzen eine schlimme, zügellose Bande, in die Erik hineingeraten war: aber Menschen mit einer so unverwüstlichen Lebenskraft konnten sich in zivilisierteren Vergnügungen kaum genügend Luft schaffen, auch trug der unerschöpfliche Humor, den sie besaßen, sowie ihre breite urwüchsige Gemütlichkeit nicht wenig zur Milderung der Roheit bei. Wäre Eriks Talent dem eines Brower oder Ostade verwandt gewesen, so würde diese auserlesene Sammlung von Zechgenossen eine wahre Goldgrube für ihn geworden sein; so aber, wie die Sachen lagen, hatte auch er keine weitere Ausbeute als die anderen, sie vergnügten sich alle vortrefflich, ja nur zu gut, denn bald ward dies wilde Leben ihm ganz unentbehrlich und nahm nach und nach seine ganze Zeit in Anspruch. Wenn er sich auch hin und wieder seiner Untätigkeit wegen Vorwürfe machte und sich ernstlich sagte, daß dieser Zustand ein Ende haben müsse, so trieben ihn doch die Leere und die Ohnmacht, die er jedesmal empfand, wenn er zu arbeiten versuchte, wieder und wieder zu dem alten Leben zurück.[215]
Den Brief, den er an Niels geschrieben, eines Tages, als seine ewige Unfruchtbarkeit, die nie ein Ende nehmen wollte, den Eindruck auf ihn gemacht hatte, als sei sie ein zehrendes Fieber, das sein Talent ergriffen habe, diesen Brief bereute er, sobald er abgeschickt war, und er hoffte, Niels würde seine Klagen in das eine Ohr hinein- und aus dem andern wieder herausgehen lassen.
Niels jedoch kam, der wandernde Ritter der Freundschaft in höchsteigener Person, und ihm wurde denn auch jene halb abweisende, halb mitleidige Bewillkommnung zuteil, die wandernde Ritter stets von denen erhalten, um derentwillen sie die Rosinante aus dem warmen Stall gezogen haben.
Da Niels jedoch vorsichtig war und wartete, taute Erik bald auf, und die alte Vertraulichkeit zwischen ihnen erwachte zu neuem Leben. Und Erik empfand ein Bedürfnis, sich auszusprechen, zu klagen und zu bekennen, es war fast ein physisches Bedürfnis, das er empfand.
Eines Abends – es war längst über die Schlafengehenszeit hinaus, und Fennimore hatte sich bereits zur Ruhe begeben – saßen die beiden bei ihrem Glase Grog in dem dunklen Wohnzimmer. Nur das Glimmen ihrer Zigarren zeigte, wo sie waren, und hin und wieder, wenn Niels sich ganz in seinen Stuhl zurücklehnte, hob sich sein aufwärtsstarrendes Profil ganz schwarz gegen das dunkle Fenster ab. Sie hatten ziemlich viel getrunken, besonders Erik, während sie von alten Tagen auf Lönborggaard sprachen, von jenen Zeiten, da sie noch Knaben[216] waren. Jetzt war durch Fennimores Weggehen eine Pause entstanden, die scheinbar keiner von ihnen gern unterbrechen wollte, denn die Gedanken in ihnen rollten so angenehm weich, während sie träumerisch dem Blute lauschten, das, warm von dem aufsteigenden Rausch, vor ihren Ohren sang.
»Wie einfältig ist man doch mit zwanzig Jahren!« ertönte schließlich Eriks Stimme. »Gott mag wissen, was man eigentlich erwartete und wie man es sich nur in den Kopf hatte setzen können, daß so etwas möglich sei! Wir nannten die Dinge ja freilich bei ihren rechten Namen, aber das, was wir darunter verstanden, lag doch völlig außerhalb eines Vergleichs mit dem zahmen Gottessegen, der uns zuteil geworden ist. Es ist im Grunde nicht viel am Leben, meinst du nicht auch?«
»Ach, ich weiß nicht recht, ich lasse es so gehen, wie es gehen will. Im allgemeinen lebt man ja nicht so weiter. Den größten Teil der Zeit existiert man nur. Wenn man das Leben wie einen ganzen, großen, appetitlichen Kuchen bekommen könnte, und wenn man dann einhauen könnte! Aber so bissenweise! – das ist nicht ergötzlich –«
»Sag mir einmal, Niels – man kommt eigentlich nur mit dir dazu, über so wunderbare Dinge zu reden –, aber ich weiß nicht, es geht so gut mit dir. Sag einmal – hast du auch noch etwas in deinem Glase? Gut! – hast du wohl jemals über den Tod nachgedacht?«
»Ich? – Ach ja – und du?«[217]
»Ich meine nicht bei Beerdigungen, oder wenn man krank ist, nein, im Gegenteil, gerade wenn man sich am allerwohlsten fühlt, dann kann es oft so über mich kommen, gleichsam wie eine – ja, wie eine Verzweiflung. Ich sitze da und grüble und kann nicht das geringste zustande bringen, ja es ist mir völlig unmöglich, und dann fühle ich, wie die Zeit mir entgleitet, Stunden, Wochen, Monate! Ohne Inhalt fliehen sie an mir vorüber, und ich kann sie nicht mit meiner Arbeit an den Fleck nageln. Ich weiß nicht, ob du verstehst, was ich meine, es ist ja nur so ein Gefühl von mir, aber ich möchte die Zeit aufhalten können durch etwas, was ich ausgerichtet hätte. Siehst du, wenn ich ein Bild male, so bleibt die Zeit, während deren ich es male, stets mein Eigentum, oder ich habe wenigstens etwas davon, sie ist nicht vorüber, weil sie entschwunden ist. Ich kann ganz krank werden, wenn ich daran denke, wie die Tage dahin gehen, unaufhaltsam. Und ich habe nichts, oder ich kann nicht dazu gelangen. Es ist eine Angst, ich kann so rasend werden, daß ich im Zimmer auf und ab gehen und ganz Unsinniges vor mich hinsingen muß, nur um nicht vor lauter Wut zu weinen, und dann bin ich nahe daran, den Verstand zu verlieren, wenn ich innehalte und daran denke, daß die Zeit inzwischen weitergeschritten ist, und daß sie weiterschreitet, während ich denke, weiter und immer weiter. Es gibt nichts so Elendes, als Künstler zu sein; hier stehe ich, kräftig und gesund; ich kann sehen, mein Blut ist warm und reich, mein Herz schlägt, ich[218] bin bei vollem Verstande, und ich will arbeiten. Aber trotz alledem kann ich nicht, ich kämpfe und greife nach etwas Unsichtbarem, das sich nicht greifen läßt, zu dem mir keine Anstrengungen verhelfen können, und wenn ich arbeiten wollte, bis mir das Blut unter den Nägeln hervorspritzte. Was soll man tun, um eine Eingebung zu erlangen, eine Idee? Ich kann mich zusammennehmen, soviel ich will, ich kann mich bemühen, zu tun, als sei nichts geschehen, kann ausgehen und mich umsehen, ohne zu suchen, aber nein! Niemals, niemals auch nur das geringste, nur das Gefühl, daß jetzt die Zeit da draußen in der Ewigkeit mitten im Leben steht und die Stunden an sich zieht, so daß sie vorüberfliegen ohne Aufenthalt, zwölf weiße und zwölf schwarze ohne Aufenthalt. Was soll ich nur tun, es muß doch etwas geben, was man tun kann, wenn es so mit einem steht, ich kann doch nicht der erste sein, dem es so ergeht? Weißt du nicht vielleicht ein Mittel dagegen?«
»Du mußt reisen!«
»Nein, nur das nicht! Wie kommst du auf den Gedanken? Du glaubst doch nicht, daß es aus sei mit mir?«
»Daß es mit dir aus sei? Nein! Aber ich meinte, die neuen Eindrücke –«
»Die neuen Eindrücke! Das ist es ja gerade! Hast du niemals von Leuten gehört, die vollauf Talent besaßen, solange sie in ihrer ersten Jugend standen, solange sie frisch waren, voller Hoffnungen und Pläne, aber dann,[219] als sich das verlor, war auch ihr Talent weg und kehrte nie wieder zurück.«
Er schwieg lange.
»Die reisten, Niels, um neue Eindrücke zu sammeln. Das war wenigstens ihre fixe Idee. Aber der Süden, der Orient, es war alles vergebens, es glitt spurlos an ihnen vorüber wie an einem Spiegel. Ich habe Gräber in Rom gesehen. Wenigstens die von zweien, aber es gibt viele – unendlich viele. Der eine verlor seinen Verstand.«
»Ich habe das bis jetzt niemals von Malern gehört.«
»Freilich! Was glaubst du wohl, was es sein kann? Ein heimlicher Nerv, der zerstört ist? Oder trägt man etwa selbst die Schuld daran? Etwas, dem man treulos geworden ist, ein Unrecht, das man begangen hat? Eine Seele ist ein gar gebrechliches Ding, und niemand weiß, wie lange so eine Seele in dem Körper wohnt. Man sollte gut gegen sich selber sein. Nun, – und seine Stimme wurde leise und weich – ich habe auch zuweilen diese Sehnsucht – zu reisen, weil ich mich so leer fühle; ich sehne mich oft in einer Weise, von der du dir keine Vorstellung machen kannst, aber es ist mir, als dürfte ich den Versuch nicht wagen; denn, setze einmal den Fall, daß es nichts hülfe, und daß ich einer von denen wäre, von denen ich dir vorhin erzählte – was dann? Denke dir, wenn ich der nackten Gewißheit gegenüberstünde, daß es mit mir aus wäre, daß ich nicht das geringste besäße, daß ich nichts, gar nichts könnte, denke dir – nichts zu[220] können: ein Lump zu sein, ein Krüppel, ein elender Kapaun. Was sollte nur aus mir werden? Sage mir das doch! Und siehst du, so ganz unmöglich wäre es doch nicht; die erste Jugend ist vorüber, von Illusionen und allem, was dahin gehört, ist – bei Gott – nicht viel übriggeblieben. Es ist merkwürdig, wie viel man davon verbrauchen kann, und ich habe doch niemals zu den Leuten gehört, die sich freuen, ihre Illusionen loszuwerden, mit mir war es nicht so wie mit euch andern, die ihr bei Frau Boye verkehrtet; ihr waret gar zu geschäftig, euch die Schmuckfedern auszurupfen, und je kahler ihr wurdet, desto übermütiger wart ihr. Aber im Grunde bleibt es sich ja völlig gleich, einmal muß man doch seine Federn hergeben.«
Sie schwiegen. Die Luft war bitter von dem Tabakrauch, widerlich vom Kognak, und sie seufzten tief auf wegen des Qualms, der da drinnen herrschte, und dann, weil das Herz ihnen beiden so schwer war.
Da saß nun Niels, der sechzig Meilen gereist war, um zu helfen, da saß er und mußte sich vor dem kälteren Teile seiner Natur schämen. Denn was konnte er nur tun, wenn es schließlich darauf ankam? Sollte er anfangen, malerisch mit Erik zu sprechen, sollte er viele Worte machen, mit Purpur und Ultramarin, triefend von Licht, und in Schatten getaucht? Damals, als er reiste, war ihm ein ähnlicher Traum vorgeschwebt. Wie war es doch lächerlich! Helfen! Man kann ihm ja bei seinen Schöpfungen nicht mehr helfen, als man ihm, wenn er[221] gelähmt wäre, dazu verhelfen könnte, den kleinen Finger von selber aufzuheben. Und wenn man noch so voll von Herz und Mitgefühl und Opferfreudigkeit und allem wäre, was edel und hochherzig ist. Vor seiner eigenen Türe kehren, das sollte man, das wäre gesund und nützlich! Leichter war es ja natürlich, ein Gefühlsmensch zu sein, ins Blaue hinein, bis hoch hinauf in den höchsten Himmel. Wenn es nur nicht so grenzenlos unpraktisch, so betrübend zwecklos gewesen wäre! Für sich selber sorgen, und zwar gründlich für sich sorgen, davon wurde man zwar nicht selig, aber man brauchte auch vor niemand die Augen niederzuschlagen, weder vor Gott noch vor den Menschen.
Niels hatte vollauf Gelegenheit, mißmutige Betrachtungen über die Ohnmacht des guten Herzens anzustellen, denn der ganze Nutzen, den er stiftete, bestand darin, daß er ungefähr einen Monat lang Erik mehr an das Haus fesselte. Er hatte indessen keine Lust, gerade in der wärmsten Zeit wieder nach Kopenhagen zurückzukehren, aber er wollte auch nicht so bis ins Unendliche der Gast seiner Freunde sein; deshalb mietete er sich bei einer Familie auf der andern Seite der Meeresbucht ein, nahe genug, um in einer Viertelstunde nach Marianenlund hinüberrudern zu können. Warum sollte er nicht ebensogut hier sein wie anderwärts? Er hatte sich hier an die Gegend gewöhnt, und er gehörte zu den Menschen, auf die ihre Umgebung leicht Einfluß gewinnt; und dann hatte er seinen Freund hier und seine Cousine Fennimore;[222] das waren Gründe genug, zumal es in der weiten Welt nicht eine Menschenseele gab, die auf ihn wartete.
Damals, als Niels nach Marianenlund reiste, hatte er lange darüber nachgedacht, wie er sich zu Fennimore stellen solle, namentlich, wie er es ihr zu erkennen geben könne, wie vollständig er vergessen habe, ja daß er sich nicht einmal mehr erinnere, daß überhaupt etwas zu vergessen gewesen sei; vor allen Dingen keine Kälte, eine herzliche Gleichgültigkeit, ein oberflächliches Entgegenkommen, eine höfliche Sympathie, so sollte es sein.
Aber es war schließlich alles überflüssig gewesen.
Die Fennimore, die er vorgefunden, war eine ganz andere als die, die er vormals verlassen hatte. Sie war noch sehr hübsch, ihre Gestalt war üppig und schön wie früher, und sie hatte noch immer dieselben trägen, langsamen Bewegungen, die er damals an ihr bewundert hatte; aber in dem Ausdrucke um ihren Mund zuckte eine traurige Gedankenlosigkeit, wie bei jemand, der zu viel gedacht hat, und in ihren sanften Augen lag eine elende, kümmerliche, zermarterte Grausamkeit. Er konnte es ganz und gar nicht verstehen, das aber war ihm klar, sie hatte etwas anderes zu tun gehabt als an ihn zu denken, und sie war völlig gefühllos den Erinnerungen gegenüber, die er jetzt erwecken konnte. Sie sah ganz aus wie eine, die ihren Entschluß gefaßt und das Schlimmste daraus gemacht hatte, was sie hatte machen können.
Nach und nach fing er an, zu buchstabieren und das[223] Gefundene aneinander zu reihen, und eines Tages, als sie zusammen am Strande gingen, begann ihm der Zusammenhang klar zu werden.
Erik war bemüht, in seinem Atelier Ordnung zu schaffen, während sie am Wasser entlang gingen, kam das Mädchen mit einer ganzen Schürze voll Plunder herab und warf es auf den Strand. Es waren alte Pinsel, Bruchstücke von Abgüssen, zerbrochene Modellierhölzer, alte Ölflaschen und leere Farbenkapseln, ein ganzer Haufe. Niels wühlte mit dem Fuße darin herum, und Fennimore schaute zu, mit der unbestimmten Entdeckungslust, die man angesichts alten Gerümpels gewöhnlich empfindet. Plötzlich zog Niels den Fuß zurück, als hätte er sich verbrannt, besann sich aber sofort und stöckerte hastig in dem Haufen herum.
»Ach laß mich das einmal sehen«, sagte Fennimore und legte die Hand auf seinen Arm, wie um ihm Einhalt zu tun.
Er bückte sich und hob einen Gipsabguß auf, eine Hand, die ein Ei hielt.
»Das muß ein Irrtum sein«, sagte er.
»Nein, sie ist ja zerbrochen«, erwiderte sie ruhig und nahm ihm den Abguß aus der Hand. »Sieh, der Zeigefinger fehlt.« Da sie aber in demselben Augenblicke gewahrte, daß das Gipsei mitten durchgeschnitten war, und daß ein Dotter mit gelber Farbe hineingemalt war, errötete sie leise und beugte sich vorn über und zerschlug die[224] Hand ganz langsam und bedächtig an einem Steine in kleine Stücke.
»Weißt du noch, damals, als die Hand gegossen wurde?« fragte Niels, um doch etwas zu sagen.
»Ich erinnere mich dessen noch sehr wohl, ich wurde mit grüner Seife eingerieben, damit der Gips nicht an meiner Hand hängen bliebe. Meinst du das?«
»Nein, ich dachte an den Abend, wo Erik den Abguß deiner Hand am Teetisch die Runde machen ließ. Als er dann zu deiner alten Tante kam, weißt du noch, wie der guten Frau die Tränen in die Augen traten und sie dich voll tiefsten Mitleides an sich zog und auf die Stirn küßte, als sei dir ein Leids geschehen?«
»Ja, die Menschen sind oft gefühlvoll!«
»Wir lachten damals genug über sie, aber es lag doch eine gewisse Feinheit darin, obgleich es eigentlich so unsinnig war.«
»Ja, von dieser sinnlosen Feinheit gibt es leider nur allzuviel!«
»Du willst wohl Streit mit mir anfangen?«
»Nein, das wollte ich nicht, ich möchte dir nur gern etwas sagen. Du nimmst mir ein wenig Offenherzigkeit doch nicht übel? Nun, dann sage mir, glaubst du nicht auch, daß, wenn ein Mann in Gegenwart seiner Frau etwas erzählen will, etwas recht Derbes, oder auch etwas, was deiner Meinung nach ihr gegenüber ein wenig rücksichtslos ist, hältst du es dann nicht selbst für höchst überflüssig, daß du dagegen protestierst, indem du dich übertrieben[225] zartfühlend und ritterlich zeigst? Man sollte doch annehmen dürfen, ein Mann kenne seine Frau am besten und wisse, daß es ihr nichts tun oder sie gar verletzen kann; sonst würde es er ja unterlassen. Nicht wahr?«
»Nein, das ist durchaus nicht wahr; allein hier, mit deiner Billigung, kann ich gern ja sagen.«
»Ja, tu du das nur, du kannst fest überzeugt sein, daß die Frauen keine so ätherischen Wesen sind, wie mancher gute Junggeselle träumt; sie sind wirklich nicht zarter als die Männer; glaube mir, der Ton, aus dem sie beide gebildet sind, ist schmutzig gewesen.«
»Liebste Fennimore, du weißt gottlob nicht, was du da sagst, aber du tust den Frauen sehr unrecht und dir selbst am meisten; ich glaube an die Reinheit des weiblichen Geschlechts.«
»An die Reinheit des weiblichen Geschlechts? Was verstehst du unter der Reinheit des weiblichen Geschlechts?«
»Darunter verstehe ich – ja –«
»Ich will dir sagen, was du darunter verstehst – nichts, gar nichts, denn das ist auch so eine von diesen sinnlosen Feinheiten. Eine Frau kann nicht rein sein, sie soll es gar nicht einmal sein; wie wäre das auch nur möglich! Was für eine Unnatur wäre das! Ist sie vielleicht von der Hand Gottes dazu bestimmt, es zu sein? Antworte mir! Nein, und tausendmal nein! Was für ein Wahnsinn das ist! Weshalb sollt ihr uns mit der einen Hand zu den Sternen erheben, wenn ihr uns doch[226] mit der andern wieder herabziehen müßt? Könnt ihr uns nicht auf der Erde wandeln lassen, an eurer Seite, ein Mensch neben dem andern, und nicht das geringste mehr? Es ist uns ja ganz unmöglich, uns sicher in der Prosa zu bewegen, wenn ihr uns blind macht mit euren Irrlichtern von Poesie. Laßt uns doch in Frieden, laßt uns um Gottes willen in Frieden!«
Sie setzte sich hin und weinte bitterlich.
Niels begriff vieles; Fennimore wäre unglücklich gewesen, wenn sie geahnt hätte, wie viel! Das war ja zum Teil wieder die alte Geschichte von dem Festgericht der Liebe, das nicht zum täglichen Brot werden wollte, sondern ein Festgericht blieb, nur von Tag zu Tag fader werdend, ekelerregender, weniger und weniger nahrhaft. Und der eine kann keine Wunder tun, und der andere kann es auch nicht, und da sitzen sie nun in ihren festlichen Gewändern und bemühen sich, einander zuzulächeln und festliche Worte zu gebrauchen, aber in ihrem Innern herrscht eine Pein, ein Hunger und ein Durst, und ihre Blicke fürchten sich, einander zu begegnen, denn der Gram keimt in ihren Herzen. Ist es nicht zuerst so, und kommt dann nicht noch die zweite, ebenso traurige Geschichte dazu, die Geschichte von der Verzweiflung einer Frau, daß sie sich nicht selber wieder zurücknehmen kann, wenn sie entdeckt, daß der Halbgott, dessen Braut sie so jubelnd gewesen war, nur ein ganz gewöhnlicher Sterblicher ist? Zuerst die Verzweiflung, die nutzlose Verzweiflung, und dann die nutzenbringende Abgestumpftheit, war es nicht[227] so? Er glaubte, daß es so wäre, und er verstand es alles: die Härte, die sie zeigen konnte, die herbe Demut und ihre Verwilderung, die für sie der bitterste Tropfen in dem ganzen Kelche war. Allmählich begriff er auch, wie sehr ihr seine Rücksicht, seine ehrerbietige Huldigung zur Last fallen, sie in ärgerliche Unruhe versetzen mußte. Liegt es doch nur zu nahe, daß eine Frau, die aus dem Purpurbett ihrer Träume auf das Steinpflaster hinabgestürzt worden ist, jeden haßt, der ihr weiche Decken über die Steine breiten will; denn in ihrer ersten Bitterkeit will sie gerade die Härte in ihrem ganzen Umfange fühlen; es genügt ihr nicht, den Weg zu Fuß zurückzulegen, sie will ihn auf den Knien entlang kriechen, und zwar gerade da, wo er am härtesten ist, wo die Steine am spitzesten sind. Sie weist jede Hand, jede Hilfe zurück, sie will ihr Haupt nicht erheben, ihr Gesicht soll tief im Staube liegen, soll den Staub mit der Zunge schmecken.
Niels bedauerte sie von ganzem Herzen, aber er ließ sie in Frieden, wie sie es ja gewünscht hatte.
Es war so schwer, sie leiden zu sehen, nicht helfen zu können, weit fort zu sitzen und sie in dummen Träumen glücklich zu träumen oder in kühler ärztlicher Klugheit zu warten und zu berechnen und zu sich selber so traurig und so klug zu sagen, daß eine Linderung nicht eher eintreten könne, als bis ihre alte Hoffnung auf den feinen, funkelnden Reichtum des Lebens sich völlig verblutet und ein trägerer Lebensstrom alle Adern ihres Wesens durchdrungen[228] habe, bis sie selber stumpf genug geworden sei, um zu vergessen, schwerfällig genug, um sich genügen zu lassen, und schließlich sogar grobstoffig genug, um an der trüben Seligkeit Gefallen zu finden, die viele Himmel tiefer ist als die, welche sie gehofft und die zu erreichen sie sich so schmerzlich heiß nach Flügeln gesehnt hatte.
Ihn erfaßte ein wahrer Abscheu vor der ganzen Welt, wenn er darüber nachdachte, wie sie, vor der er einst so demütig und anbetend in seinem Herzen gekniet hatte, nun so tief erniedrigt war, daß sie in Knechtschaft leben, frierend am Zaun des Feldes stehen mußte, während er hoch zu Roß an ihr vorüberritt und das reiche Gold des Lebens in seiner Tasche rasselte.
Eines Sonntagsnachmittags, gegen Ende August, ruderte Niels über den Fjord. Er fand Fennimore allein zu Hause. Sie lag, als er kam, auf einem Sofa im Eckzimmer und klagte bei jedem Atemzug mit jenem kurzen, regelmäßigen Stöhnen, das einem, wenn man krank ist, die Schmerzen zu erleichtern scheint. Sie habe so furchtbare Kopfschmerzen, klagte sie, und es sei niemand zu Hause, der ihr helfen könne; das Mädchen habe Erlaubnis bekommen, nach Hadssund zu den Ihren zu gehen, und bald nachdem sie gegangen, sei jemand gekommen, um Erik abzuholen; sie könne gar nicht begreifen, wohin sie nur in dem Regenwetter gefahren sein könnten. Jetzt habe sie schon mehrere Stunden hier gelegen und versucht zu schlafen, aber daran sei vor lauter Schmerzen nicht zu denken gewesen. Sie habe es noch[229] niemals so gehabt, und es sei so plötzlich gekommen, des Mittags habe ihr noch nicht das geringste gefehlt, in den Schläfen habe es angefangen und habe sich dann weiter und weiter verbreitet, bis es gerade hinter den Augen angelangt sei; wenn es nur nichts Gefährliches werde, sie sei so gar nicht daran gewöhnt, krank zu sein, und sei sehr bange und unglücklich darüber.
Niels tröstete sie, so gut er konnte. Er sagte ihr, sie solle nur ruhig liegen bleiben, ihre Augen schließen und ganz stille sein; er suchte einen dicken Schal, den er um ihre Füße wickelte, holte Essig aus dem Büfett und machte einen nassen Umschlag, den er ihr auf die Stirn legte. Dann setzte er sich still ans Fenster und sah hinaus in den strömenden Regen.
Von Zeit zu Zeit schlich er auf den Zehen zu ihr hin und wechselte den Umschlag, ohne zu sprechen, indem er ihr nur zunickte, wenn sie dankbar zu ihm aufsah. Zuweilen wollte sie sprechen, er aber wehrte alle Worte mit einem Kopfschütteln ab.
Schließlich fiel sie in Schlaf.
Eine Stunde verging, und noch eine, und sie schlief noch immer. Eine Viertelstunde ging langsam in die andere über, während das trübe Tageslicht mehr und mehr abnahm, und die Schatten des Zimmers länger wurden und aus den Möbeln und Wänden herauswuchsen. Und der Regen da draußen fiel noch immer gleichmäßig und ununterbrochen, alles, was es an Lauten gab, mit seinem rieselnden Sausen übertäubend.[230]
Der Essigdampf und der Vanillegeruch von den Heliotropen auf den Fensterbrettern vereinigte sich zu einem säuerlichen Weinduft und erfüllte die Luft, die warm von ihrem Atem einen immer dichteren Tau über die grauen Fensterscheiben zog, je mehr die Kühle des Abends zunahm.
Niels war jetzt weit fort in Erinnerungen und Träumen, während doch die ganze Zeit ein Teil seines Bewußtseins bei der Schlafenden Wache hielt und ihrem Schlummer folgte. Ganz allmählich, als die Dunkelheit zunahm, wurde die Phantasie müde, die stets aufflackernden, stets wieder ersterbenden Träume zu schüren, gleich wie der Erdboden es müde wird, stets dieselbe Frucht zu erzeugen; die Träume wurden matter, unfruchtbarer, ohne üppig wuchernde Einzelheiten, sie wurden starrer und büßten ihre lang ausgeschossenen, seltsam geformten Ranken ein. Und der Sinn ließ es alles fahren, das Ferne, und kehrte wieder heim.
Wie still es da war! Waren sie nicht beide da, er und sie wie auf einer Insel des Schweigens, die sich über dem einförmigen Schallmeer des Regens erhob? Und ihre Seelen waren still, so still und sicher, während die Zukunft in einer Wiege des Friedens zu schlafen schien.
Möchte sie doch nie erwachen, möchte doch alles so bleiben, wie es jetzt war, nicht das geringste Glück außer dem, das im Frieden lag, aber auch kein Kummer, keine peinigende Unruhe! Daß es sich jetzt schließen könnte, dieses gegenwärtige Dasein, so wie eine Knospe sich um[231] sich selber schließt, und daß nimmer ein Frühling kommen möge!
Fennimore rief; sie hatte schon eine Weile wach gelegen, so glücklich, sich frei von Schmerz zu fühlen, daß sie nicht daran gedacht hatte, zu reden. Jetzt wollte sie aufstehen und Licht anzünden, aber Niels fuhr fort, den Arzt zu spielen, und zwang sie, liegen zu bleiben. Es würde gewiß nicht gut für sie sein, wenn sie jetzt aufstünde; er habe Schwefelhölzer in der Tasche, und eine Lampe werde er schon finden.
Als er die Lampe angezündet hatte, stellte er sie auf den Blumentritt in die Ecke, so daß die runde, weißschimmernde Kuppel halb von dem feinen, schlummernden Laube einer Akazie verdeckt ward, und daß es nur gerade so hell wurde, daß sie einander sehen konnten.
Er setzte sich vor sie hin, und sie sprachen von dem Regen, und wie gut es sei, daß Erik seinen Regenmantel mitgenommen habe, und wie naß die arme Trine wohl werden würde. Dann kam das Gespräch ins Stocken.
Fennimores Gedanken waren noch ein wenig schläfrig, und die Mattigkeit, die über ihr lag, machte es so angenehm, so ruhig dazuliegen und halb zu denken, ohne zu sprechen, und Niels war auch nicht zum Reden aufgelegt, er stand noch unter dem Einflusse des langen, schweigsamen Nachmittags.
»Hast du dies Haus gern?« fragte Fennimore endlich.
Ach ja, er hatte es wohl gern.[232]
»Wirklich? Erinnerst du dich der Möbel von zu Hause?«
»In Fjordby? Ganz genau!«
»Wie ich sie liebe, und wie ich mich oft nach ihnen sehne! Die Möbel, die wir hier haben, gehören uns ja nicht, sie sind nur gemietet und gehen uns nichts an; an ihnen hängen keinerlei Erinnerungen für uns, und wir sollen auch nicht länger mit ihnen zusammenleben, als wir hier sind. Du wirst es gewiß merkwürdig finden, aber ich versichere dir, ich fühle mich oft so einsam zwischen all diesen fremden Möbeln, die hier so gleichgültig und stumm dastehen und mich gehen lassen, wie ich will, ohne sich im mindesten um mich zu kümmern. Und da sie mir nicht folgen werden, sondern hier bleiben, bis andere Leute kommen, um sie zu mieten, so kann ich mich auch nicht an sie anschließen oder mich für sie interessieren, wie ich es könnte, wenn ich wüßte, daß mein Heim stets das ihre sein würde, und daß, was auch Gutes und Böses kommen mag, es mir stets mitten unter ihnen kommen wird. Du findest das kindlich, vielleicht ist es das auch, aber ich kann nun einmal nichts dafür.«
»Ich weiß nicht, was es ist, ich kenne es von mir selber, damals, als ich allein im Auslande war. Meine Uhr wollte nicht gehen, und als ich sie dann von dem Uhrmacher zurückerhielt und sie wieder ging, da war es – so wie du vorhin sagtest. Ich liebte sie förmlich, es lag etwas Eigenartiges in dem Gefühl, etwas so gründlich Gutes!«[233]
»Ja, nicht wahr! Ach, an deiner Stelle hätte ich die Uhr geküßt!«
»Hättest du das getan?«
»Sage mir doch,« begann sie plötzlich, »du hast mir niemals etwas von Erik erzählt, wie er als Knabe war! Wie war er damals eigentlich?«
»Alles, was gut und schön war, Fennimore, prächtig, brav, in jeder Hinsicht. Das Ideal eines Knaben für einen Knaben, nicht gerade das Ideal für eine Mutter oder einen Lehrer, sondern für einen anderen Knaben, was so ungleich viel mehr wert ist.«
»Wie kamt ihr miteinander aus? Habt ihr euch sehr lieb gehabt?«
»Ja, ich war vollständig in ihn verliebt, und er hatte nichts dagegen; so war es ungefähr. Wir waren sehr verschieden, mußt du wissen. Ich trug mich immer mit dem Gedanken herum, berühmt und ein Dichter zu werden, aber, weißt du, was er sagte, daß er am liebsten sein möchte, als ich ihn eines Tages danach fragte? Ein Indianer, ein richtiger, roter Indianer! Ich konnte das nicht begreifen, ich erinnere mich dessen noch so deutlich, ich konnte nicht begreifen, wie jemand wünschen könnte, Wilder zu sein.«
»Aber war es dann nicht merkwürdig, daß er Künstler werden wollte?« fragte Fennimore, und es lag etwas Kaltes, Feindliches in dem Tone, in welchem sie das sagte.
Niels merkte das und stutzte. »Ach nein,« sagte er[234] dann, »es ist eigentlich selten, daß Menschen mit ihrer ganzen Natur Künstler sind. Und gerade so frische, lebensfrohe Menschen wie Erik, die haben oft eine so unendliche Sehnsucht nach allem, was zart und fein ist: nach dem feinen, jungfräulichen Walten, dem lieblich Erhabenen – ich weiß nicht recht, wie ich es nennen soll. Nach außen hin können sie robust und vollblütig genug sein, ja sie können oft roh sein, und doch ahnt niemand, welche wunderlichen, romantischen, gefühlvollen Geheimnisse sie mit sich herumtragen, denn sie sind so verschämt in seelischer Beziehung, meine ich, diese großen, schwerfälligen Menschen, daß keine zarte, bleiche, kleine Jungfrau eine zarter besaitete Seele haben kann als sie. Verstehst du es wohl, Fennimore, daß so ein Geheimnis, das nicht mit gewöhnlichen Worten in die gewöhnliche, alltägliche Luft hinausgesprochen werden kann, daß das einen Menschen zum Künstler machen kann? Und sie können es nicht aussprechen, hörst du, sie können es nicht; man muß es glauben, daß es da ist und still da drinnen lebt, gleich einer Zwiebel, die in der Erde liegt, denn zeitweise sendet es ja seinen duftigen, farbenprächtigen Blumenschatz ans Tageslicht. Verstehst du wohl, verlange nichts von dieser Blütenkraft für dich selber, glaube daran, freue dich, sie pflegen zu können, freue dich des Bewußtseins, daß sie vorhanden ist. Sei mir nicht böse, Fennimore, aber ich fürchte, daß du und Erik nicht gut gegeneinander seid. Kann das nicht anders werden? Denke nicht daran, wer recht hat; grüble nicht über[235] die Größe des Unrechts nach, du sollst nicht mit ihm ins Gericht gehen, denn wie könnten wohl die Besten von uns bestehen, nein, denke an ihn, so wie er in der Stunde war, als du ihn am innigsten liebtest; glaube mir, er ist dessen würdig. Du sollst nicht abmessen und wägen, ich weiß es, es gibt in der Liebe Augenblicke voll glühender, festlicher Ekstase, in denen wir, wenn man es von uns verlangte, unser Leben für den Geliebten hingeben würden. Nicht wahr? Denke jetzt daran, Fennimore, vergiß es nicht, sowohl um deiner selbst wie auch um seinetwillen.«
Er schwieg.
Auch sie sprach nicht, sie lag still da mit einem schwermütigen Lächeln um die Lippen, bleich wie eine Blume.
Dann erhob sie sich halb und reichte Niels ihre Hand. »Willst du mein Freund sein?« fragte sie.
»Das bin ich, Fennimore«, und er ergriff ihre Hand.
»Willst du es bleiben, Niels?«
»Immer«, erwiderte er und führte ihre Hand ehrfurchtsvoll an seine Lippen.
Dann erhob er sich. Fennimore wollte es scheinen, als habe sie ihn noch nie so schlank gesehen.
Bald darauf kam Trine und meldete, daß sie wieder da sei, und dann kam das Teewasser, und endlich ein Ruderboot durch den trüben Regen.
Im hellen Morgen kam Erik nach Hause, und als Fennimore in dem kalten, ehrlichen Tageslicht sah, wie er sich auskleidete, um zu Bette zu gehen, schwer und[236] unsicher vom Trunk, mit gläsernen Augen, und erdfahl nach der durchwachten Nacht, da erschienen ihr die schönen Worte, die Niels geredet hatte, phantastisch, und die lichten Gelöbnisse, die sie in ihrem stillen Sinne getan hatte, schwanden erbleichend vor dem werdenden Tage, gauklerische Träume und Gedankentand, eine prahlerische Lügenschar.
Was konnte es nützen, dagegen anzukämpfen mit dem hoffnungslosen Druck, der auf ihnen beiden lag? Es war so nutzlos, sich leicht zu lügen, ihr Leben konnte doch nie wieder auf Federn gehen. Der Frost war dagewesen, die Ranken und Ränkchen mit den Büscheln von Rosen und duftigen Blüten, die um sie geschlungen gewesen waren, die sie miteinander verknüpft hatten, sie hatten jedes kleinste Blatt abgeschüttelt, jede Blume verloren, es waren nur noch die nackten, zähen Ruten, die sie unauflöslich aneinander banden. Was konnte es nützen, daß sie mit der Wärme der Erinnerungen die Gefühle entschwundener Tage zu einem neuen, künstlichen Leben erweckte und ihren Abgott wieder auf seinen Sockel stellte, seinen Augen den Glanz der Bewunderung, seinen Lippen das Anbetungswort und seinen Wangen die Röte des Glückes wiedergab, was konnte das nützen, wenn er sich nicht darauf einlassen wollte, der Priester des Abgottes zu sein, sie bei dem frommen Betruge zu unterstützen? Er! er erkannte ihre Liebe ja gar nicht wieder, es war ja keines ihrer Worte in seinen Ohren zurückgeblieben, kein Tag ihrer Tage in seiner Seele aufbewahrt.[237]
Nein, tot und regungslos war die schwellende Liebe ihrer Herzen; der Duft, das Licht und die zitternden Töne, es war alles verweht, und da konnten sie aus alter Gewohnheit sitzen, er, den Arm um ihren Leib geschlungen, sie, das Haupt an seine Schulter gelehnt, in tiefes Schweigen versunken, einander vergessend; sie, um des Herrlichen zu gedenken, der er doch niemals gewesen war, er, um sie im Traume zu dem Ideal umzuschaffen, das er jetzt immer in den Wolken strahlen sah, hoch über ihrem Haupte. So war ihr Zusammenleben, und die Tage kamen und gingen wieder und brachten keine Veränderung, und Tag für Tag starrten sie hinaus auf die Wüste des Lebens und sagten sich selber, daß es eine Wüste sei, daß dort keine Blumen blühten, daß auch keine Aussicht auf Blumen, Quellen oder grüne Palmen sei.
Je mehr der Herbst vorschritt, desto häufiger wurden Eriks Ausschweifungen. Was sollte es auch nützen, sagte er zu Niels, daß er zu Hause säße und auf Ideen wartete, die doch niemals kamen, bis ihm die Gedanken in seinem Kopfe zu Steinen wurden. Übrigens fand Erik nicht viel Trost in Niels' Gesellschaft, er fühlte sich zu Leuten, die aus gröberem Schrot waren, hingezogen, zu Leuten, die von Fleisch und Blut strotzten, die nicht ein Spielball zarter Nerven waren. So waren Niels und Fennimore oft allein zusammen, denn Niels ruderte jeden Tag nach Marianenlund hinüber.
Der Freundschaftsbund, den sie miteinander geschlossen hatten, und die Worte, die an jenem Sonntagabend[238] zwischen ihnen gefallen waren, hatten sie in ihrem Verhältnis zueinander ungezwungener und sicherer gemacht, und sie schlossen sich, einsam wie sie beide waren, immer enger und wärmer aneinander an. Dieser herzliche Verkehr erhielt bald eine so große Macht über sie und nahm ihre Sinne so gefangen, daß ihre Gedanken, ob sie nun beieinander oder getrennt waren, stets nach diesem Freundschaftsverhältnis hinstrebten, gleich wie Vögel, die an demselben Neste bauen, alles sehen, das, was sie sammeln, wie das, was sie verwerfen, stets mit dem einen, gemütlichen Ziele vor Augen, das Nest recht warm und weich für einander und für sich selber zu machen.
Wenn Niels herüberkam, so machten sie fast immer, ob es regnete oder stürmte, lange Spaziergänge in dem Walde, der an ihren Garten stieß. Sie hatten sich in diesen Wald förmlich verliebt, und je mehr das Sommerleben darin erstarb, desto teurer wurde er ihnen. Da waren ja auch tausenderlei Dinge zu sehen. Erst wie das Laub gelb, braun und rot wurde, dann wie es abfiel, an einem stürmischen Tage in gelbem Wirbel dahinfegte, wenn es aber windstill war, leise Blatt um Blatt zur Erde schwebte, sanft herabraschelnd gegen und zwischen die steifen Äste und die schwanken, braunen Zweige. Und während das Laub von den Bäumen und Büschen fiel, wie kamen da alle die verborgensten Geheimnisse des Sommers zum Vorschein, eins nach dem anderen, und wie lag und saß es da ringsumher voll von zierlichen Früchten und farbenreichen Beeren, braunen Nüssen,[239] blanken Eicheln und niedlichen Eichelbechern, Korallenbüschen an den Berberitzen, schwarzen, blanken Schlehdornbeeren und scharlachroten Urnen an den Heckenrosen. An den blattlosen Buchen saßen die Bucheckern in Menge, und die Vogelbeerbäume bogen sich unter der Last der roten Traubenbüschel. Späte Brombeeren lagen schwarz und bräunlich zwischen dem nassen Laub am Wege. Zwischen dem Heidekraut wuchsen Preißelbeeren, und die wilden Himbeersträuche trugen zum zweiten Male ihre mattroten Früchte. Die Farrenkräuter hatten im Welken wohl hundert Farben, und gar das Moos! Das war eine ganze Entdeckung, nicht nur die kräftigen, großen Moosarten in den Niederungen und an den Abhängen, die Ähnlichkeit mit Tannen, aber auch mit Palmen und Straußenfedern haben konnten, sondern auch das feine Moos an den Baumstämmen, das so aussah, wie man sich wohl die Kornfelder der Elfen vorstellt, in so feinen, feinen Halmen schoß es auf, mit dunkelbraunen Köpfchen an den Spitzen, die Kornähren glichen.
Kreuz und quer durchstreiften sie den Wald, wie Kinder eifrig bemüht, seine Schätze und Merkwürdigkeiten aufzufinden; und ganz wie Kinder zu tun pflegen, hatten sie den Wald unter sich geteilt, so daß der Teil, der auf der einen Seite des Fahrweges lag, Fennimore gehörte, und der auf der anderen Niels, und sie verglichen oft ihre Reiche miteinander und stritten sich, wer das herrlichste hätte. Sie hatten auch für alles drinnen im Walde Namen, für die Höhen und Klüfte, für die Steige und Pfade,[240] für die Grüfte und Dämme; und stand hier oder dort ein besonders schöner oder großer Baum, so hatte auch der seinen Namen. So hatten sie den Wald auf jede nur denkbare Weise in Besitz genommen, und so hatten sie sich eine kleine Welt für sich geschaffen, eine Welt, die niemand kannte, in der niemand so heimisch war wie sie. Und doch hatten sie kein Geheimnis miteinander, das nicht alle Welt hätte hören können.
Noch hatten sie kein Geheimnis! Aber die Liebe war in ihren Herzen, und war auch doch wieder nicht wirklich da, ebenso wie sich in einer übersättigten Lösung Kristalle befinden und doch auch wieder nicht wirklich da sind, nicht eher, als bis sich der entsprechende Stoff, und wenn es auch nur ein Fäserchen desselben wäre, in die Flüssigkeit senkt, und sich dann gleichsam wie mit einem Zauberschlage die schlummernden Atome ausscheiden, so daß sie einander entgegenfliegen, sich aneinander festsetzen, Glied an Glied nach unerforschlichen Gesetzen und in einem Nu Kristalle sind – Kristalle!
So war es auch eine ganz unbedeutende Veranlassung, die sie fühlen ließ, daß sie einander liebten.
Es ist nicht viel davon zu erzählen, es war ein Tag wie alle anderen, sie waren allein im Wohnzimmer, wie sie es hundertmal vorher gewesen waren, und ihre Unterhaltung hatte sich um ganz gleichgültige Dinge gedreht, und das, was von außen her auf sie einwirkte, war so gewöhnlich, so alltäglich wie nur möglich, es war nichts anderes, als daß Niels am Fenster stand und hinaussah,[241] und daß Fennimore sich neben ihn stellte und auch hinaussah, das war das Ganze, aber es genügte, um gleichsam wie mit einem Blitzstrahl die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für Niels Lyhne zu verwandeln durch das Bewußtsein, daß er die Frau liebte, die an seiner Seite stand. Nicht wie etwas Lichtes, Liebliches, Glückliches und Schönes, das ihn zu Seligkeit und zu Entzücken himmelhoch heben konnte, so war seine Liebe nicht. Aber es war ihm ebenso unmöglich, ohne sie zu sein, wie es ihm unmöglich gewesen wäre, zu leben, ohne Atem zu schöpfen; so liebte er sie, und er griff, wie ein Ertrinkender um sich, nach ihr und preßte ihre Hand an sein Herz.
Und sie verstand ihn. Fast mit einem Schrei und in einem Tone voller Schreck und Jammer rief sie ihm zu, wie eine Antwort und ein Bekenntnis zugleich: »Ach ja, Niels!« und entzog ihm in demselben Augenblick ihre Hand.
Dann stand sie einen Augenblick bleich, flehend da, sank dann mit dem einen Knie auf einen Polsterstuhl, verbarg ihr Antlitz in der Samtlehre und schluchzte laut.
Niels war in den ersten Sekunden wie geblendet, und seine Hände suchten zwischen den Zwiebelgläsern nach einem Stützpunkt.
Es waren nur wenige Sekunden, dann trat er an den Stuhl, auf dem sie lag, und beugte sich über sie, ohne sie zu berühren, die eine Hand auf die Lehne des Stuhles stützend.[242]
»Sei nicht so verzweifelt, Fennimore, sieh auf und laß uns miteinander reden. Willst du, willst du nicht? Du mußt dich nicht fürchten, laß es uns gemeinsam tragen, mein süßes Lieb, hörst du? Versuche, ob es dir nicht möglich ist.«
Sie hob den Kopf ein wenig, so daß sie ihn ansah. »Ach Gott! Niels, was sollen wir nun eigentlich anfangen! Ist es nicht entsetzlich, Niels! Warum muß es mir hier in der Welt auch so gehen? Wie schön hätte alles sein können, so glücklich!« Und sie schluchzte von neuem.
»Hätte ich schweigen sollen,« klagte er, »arme Fennimore, wünschest du, daß du es niemals erfahren hättest?«
Sie blickte abermals auf und ergriff seine Hand. Ich wollte, ich wüßte es und wäre dann tot, o, daß ich in meinem Grabe läge und es wüßte, das würde so gut sein, o, so gut und schön!
»Es ist bitter für uns, Fennimore, daß das erste, was uns unsere Liebe bringt, Angst und Tränen sind. Meinst du nicht auch?«
»Du mußt nicht hart gegen mich sein, Niels, ich kann ja nicht anders. Du kannst es nicht so sehen, wie ich, ich müßte stark sein, denn ich bin gebunden. O, daß ich meine Liebe nehmen und sie in die tiefste Tiefe meines Herzens verschließen könnte, daß ich taub wäre für all ihren Jammer, all ihr Flehen, daß ich es über mich gewinnen könnte, dich zu bitten, weit, weit fortzureisen, aber das kann ich nicht, ich habe so viel gelitten, ich kann[243] das nicht auch noch leiden, ich kann es nicht, Niels. Ich kann nicht ohne dich leben – kann ich das wohl? Glaubst du, daß ich es könnte?«
Sie stand auf und schmiegte sich an seine Brust. »Hier bin ich, ich lasse dich nicht, ich lasse dich nicht von dannen ziehen, um selber in der alten Finsternis zurückzubleiben. Es ist wie eine bodenlose Tiefe voller Ekel und Pein, ich will mich nicht da hineinstürzen, eher springe ich ins Wasser, Niels; und wenn auch das neue Leben Schmerzen bringen wird, so sind es doch neue Schmerzen, die nicht den abgestumpften Stachel der alten haben, die nicht so sicher treffen können wie die alten, die mein Herz so grausam genau kennen. Rede ich verworrenes Zeug? Ja, sicher tue ich das, aber es ist so gut, ohne Rückhalt mit dir sprechen zu können, ohne daß ich mich vor all dem vielen zu hüten brauche, was dir zu sagen bis jetzt unrecht war. Jetzt aber hast du ein Recht vor allen anderen! Ach, könntest du mich doch ganz nehmen, so daß ich ganz die Deine wäre, daß ich mit nichts einem anderen gehörte, o, daß du mich herausheben könntest aus jedem Verhältnis, das mich umgibt!«
»Wir müssen die Ketten zersprengen, Fennimore! Ich werde alles gut einrichten, sei unbesorgt, eines Tages, ehe irgend jemand das geringste ahnt, sind wir über alle Berge!«
»Nein, nein, wir dürfen nicht entfliehen, nur das nicht, eher alles andere, als daß meine Eltern hören sollten, daß ihre Tochter davongelaufen sei, das ist unmöglich,[244] bei Gott im Himmel, das werde ich niemals tun, Niels, das tue ich niemals!«
»Aber du mußt es tun, meine Liebe, du mußt es tun. Siehst du denn nicht all die Gemeinheit, all die Nichtswürdigkeit, die uns auf allen Seiten umgeben wird, wenn wir bleiben? All die entwürdigende List und Falschheit und Verstellung, die uns einschnüren wird, die uns niederdrücken, uns elend machen wird? Ich will dich nicht von alledem besudeln lassen, das soll sich nicht in unsere Liebe einfressen wie ein giftiger Rost.«
Aber sie war nicht zu bewegen.
»Du weißt nicht, wozu du uns verdammst«, sagte er betrübt, »es wäre weit besser, wenn wir mit einem eisernen Haken aufträten, statt zu schonen. Glaube nur, Fennimore, wenn wir unsere Liebe nicht alles für uns sein lassen, das Einzige, das Höchste in der Welt, das, was vor allem anderen erlöst werden muß, so daß wir da zuschlagen, wo wir lieber heilen würden, daß wir da Kummer verursachen, wo wir lieber jeden Schatten von Kummer fernhalten würden, wenn wir das nicht tun, dann wirst du bald erleben, wie alles das, worunter wir uns beugen, sich schwer auf unsere Schultern legen und uns in die Knie zwingen wird, unbarmherzig und unerbittlich. Ein Kampf auf den Knien liegend gekämpft, du weißt nicht, wie schwer der zu kämpfen ist. Du mußt weinen! Wollen wir den Kampf doch kämpfen, meine Liebe, Seite an Seite gegen alle und alles?«
In den nächsten Tagen setzte Niels seine Bemühungen,[245] sie zur Flucht zu überreden, fort, dann fing er an, es sich auszumalen, wie hart es Erik treffen würde, wenn er eines Tages heimkehrte und erführe, daß sein Freund und seine Frau miteinander auf und davon seien, und ganz allmählich erhielt es ein ganz unnatürliches, tragisches Unmöglichkeitsgepräge in seinen Augen, und er entwöhnte sich, daran zu denken, wie er es mit so vielem anderen tat, was er anders gewünscht hätte. Er gab sich mit ganzer Seele den Verhältnissen hin, so wie sie einmal waren, ohne einen wissentlichen Versuch, sie umzudichten oder sie mit phantastischen Festons und Girlanden auszuschmücken und die Mängel fortzulügen. Aber wie süß war es, zu lieben, einmal die wirkliche Liebe des Lebens zu lieben! Denn was er bis jetzt für Liebe gehalten hatte, war ja keine Liebe gewesen, weder das schwer wogende Sehnen des Vereinsamten, noch das brennende Entbehren des Phantasten oder die ahnungsvolle Nervosität des Kindes; das waren Ströme in dem großen Ozean der Liebe, einzelne Reflexe ihres vollen Lichtes, Splitter der Liebe, gleichwie die Meteore, die die Luft durchsausen, Splitter eines Weltenkörpers sind, dies war die Liebe: eine Welt, die ganz war, etwas Vollendetes, Großes, Geordnetes. Es war keine verwilderte, zwecklose Jagd von Gefühlen und Stimmungen, die Liebe war wie eine Natur, ewig wechselnd, ewig erzeugend, und es erstarb keine Stimmung, es welkte kein Gefühl, ohne einem Keim, der die Anlagen zu etwas Vollkommenerem enthielt, neues Leben zu geben. Ruhig, gesund, mit tiefen[246] Atemzügen, so war es herrlich zu lieben. Und die Tage fielen jetzt neu und glänzend vom Himmel selber herab, sie kamen nicht schleppend, selbstverständlich hintereinander wie die abgegriffenen Bilder in einem Guckkasten, jeder von ihnen war eine Offenbarung, denn an einem jeden fand er sich größer und stärker und gehobener. Noch nie hatte er eine solche Innigkeit, eine solche Macht des Gefühls gekannt, und es gab Augenblicke, in denen er sich selber titanenhaft deuchte, in weit höherem Maße, als er sich Mensch fühlte, eine solche Unerschöpflichkeit empfand er in seinem Innern, eine flügelbreite Zärtlichkeit entströmte seinem Herzen, so weit war sein Blick, so großartig mild sein Urteil.
Das war der Anfang des Glückes, und sie waren lange glücklich miteinander.
Die tägliche Falschheit und Verstellung, die Luft von Unehre, in der sie lebten, alles das hatte noch keine Macht, es konnte sie nicht erreichen in der ekstatischen Höhe, in die Niels ihr Verhältnis und sie selber erhoben hatte; denn er war nicht schlechthin ein Mann, der die Frau seines Freundes verführte, oder richtiger, er war es, er sagte voller Trotz, daß er es sei, aber er war auch gleichzeitig der Befreier einer schuldlosen Frau, die das Leben verwundet, gesteinigt, besudelt, einer Frau, die schon ihre Seele der Vernichtung übergeben hatte. Ihr hatte er das Vertrauen auf das Leben wiedergeschenkt, hatte in ihr den Glauben an die bessern Mächte des Lebens wiedererweckt, ihren Geist zu Adel und Hoheit erhoben, ihr[247] das Glück gebracht. Was war nun das beste, jenes schuldlose Elend, oder das, was er für sie erkämpft hatte? Er fragte nicht mehr danach, seine Wahl war getroffen.
Vollkommen so meinte er es jedoch nicht. Der Mensch baut sich so oft Theorien, in denen er doch nicht wohnen will. Die Gedanken schweifen so oft weiter hinaus, als das Gefühl für Recht und Unrecht Lust hat, ihnen zu folgen. Aber dieser Gedanke bestand doch für ihn und nahm der stets erforderlichen Lüge, Falschheit, Niedrigkeit und Gemeinheit viel von ihrem unaufhaltsam zehrenden Gift.
Schließlich machte es sich aber doch fühlbar, es fraß zu viele von den feinen, zarten Nerven an, um nicht bald Schaden anzurichten und Schmerzen zu verursachen, und der Verlauf wurde dadurch sehr beschleunigt, daß Erik bald nach Neujahr glaubte, eine Idee bekommen zu haben, etwas mit einem grünen Gewande, erzählte er Niels, und mit einer drohenden Stellung. Erinnerte er sich wohl noch des Grüns in Salvator Rosas Jonas? Etwas in diesem Genre.
Obwohl Eriks Arbeiten hauptsächlich darin bestanden, daß er in seinem Atelier auf dem Sofa lag und Shag rauchte und Marryat las, so fesselte es ihn doch für eine Zeit sehr ans Haus, zwang sie dadurch zu neuer Vorsicht und machte neue Vorwände und neue Lügen notwendig.
Daß Fennimore so erfinderisch in dieser Hinsicht war, schuf die erste Wolke am Himmel. Es war im Anfang[248] so gut wie nichts, nichts weiter als ein flüchtig an Niels vorbeiziehender Zweifel, ob seine Liebe nicht edler sei als der Gegenstand der Liebe. Aber er war nicht klar und rein der Gedanke, nur eine flüchtige Ahnung, die nach diesem Wege hindeutete, ein undeutliches Schwanken seines Sinnes, das nach jener Seite hinzog.
Aber es kam wieder, und zwar in verstärktem Maße, zuerst noch unbestimmt, dann von einem Male zum anderen schärfer und schärfer. Und es war entsetzlich, mit welch rasender Hast es untergraben konnte, erniedrigen, den Glanz verringern. Ihre Liebe ward nicht geringer, im Gegenteil, je mehr sie herabsank, desto leidenschaftlicher, glühender wurde sie, aber dieses verstohlene Händedrücken unter der Tischdecke, diese Küsse im Vorzimmer und hinter den Türen, diese langen Blicke, unmittelbar unter den Augen des Betrogenen, das beraubte ihre Liebe des Erhabenen. Das Glück stand nicht mehr still über ihren Häuptern, sie mußten sein Lächeln, sein Licht erhaschen, wo sie nur konnten, und List und Schlauheit waren nicht länger eine traurige Notwendigkeit, sondern ein ergötzlicher Triumph; die Falschheit wurde ihr wahres Element und machte sie klein und schlecht. Es gab auch entwürdigende Geheimnisse, über die sie früher, jeder für sich, getrauert hatten, indem sich jeder in den Augen des anderen unwissend stellte; diese mußten sie jetzt teilen, denn Erik war keine verschämte Natur, und es konnte ihm oft in den Sinn kommen, in Niels' Gegenwart zärtlich gegen seine Frau zu sein, sie zu küssen, sie auf den[249] Schoß zu nehmen, sie zu umarmen, und Fennimore durfte diese Liebkosungen nicht abweisen, wie früher, oder es fehlte ihr vielmehr der Mut dazu; das Bewußtsein ihrer Schuld machte sie unsicher und bang.
So sank das hohe Schloß ihrer Liebe mehr und mehr herab, das Schloß, von dessen Zinnen aus sie so erhaben über die Welt hinausgeschaut und worin sie sich so stolz und groß gefühlt hatten.
Aber sie waren glücklich zwischen den Ruinen.
Wenn sie jetzt im Walde gingen, so geschah es meist an dunklen Tagen, wo der Nebel in den braunen Zweigen hing und sich zwischen den nassen Stämmen verdickte, so daß sie niemand sehen konnte, wenn sie sich hier küßten und sich dort umarmten, und niemand sie hören konnte, wenn ihre leichtsinnige Rede in ausgelassenem Gelächter erklang.
Das Gepräge der Ewigkeitsmelancholie, das über ihrer Liebe gelegen hatte, war verlöscht; eitel Lachen und Scherzen herrschte jetzt zwischen ihnen, und es war eine wahre Fieberhast über sie gekommen, eine Gier nach den eilenden Sekunden des Glückes, als müßten sie sich beeilen mit ihrer Liebe, als hätten sie nicht das ganze Leben mehr vor sich.
Es änderte nichts in ihrem Verhältnis, daß Erik nach Verlauf eines Monats seiner Idee müde ward und von neuem seine Fahrten begann, und zwar mit einem solchen Eifer, daß er nur selten zwei Tage hintereinander zu Hause blieb. Wohin sie im Laufe der Zeit gesunken[250] waren, dort blieben sie. Vielleicht daß sie hin und wieder in einsamen Stunden mit Wehmut zu der Höhe hinaufstarrten, von der sie herabgestürzt waren, vielleicht daß sie sich nur wunderten, wie anstrengend es doch gewesen sein müsse, sich dort oben festzuhalten, daß sie sich sicherer da gebettet fühlten, wo sie jetzt waren. Es trat keine Veränderung ein. Keines von ihnen wünschte die Dinge anders, als sie waren; auch verbargen sie es nicht voreinander, denn es war eine zynische Vertraulichkeit zwischen ihnen entstanden, wie sie zwischen Mitschuldigen zu entstehen pflegt, und da war nichts in ihrem Verhältnis, was sie sich gescheut hätten mit Worten zu berühren. Sie nannten die Dinge mit einem traurigen Mut beim rechten Namen und sahen ihnen in die Augen, so wie sie einmal waren.
Es hatte im Februar den Anschein gehabt, als sollte der Winter schon ein Ende nehmen. Dann aber kam der März mit seinem weißen Mantel und dessen losem Futter, und ein Schneegestöber nach dem anderen bedeckte die Erde mit einer dichten Schicht. Späterhin trat Stille ein mit hellem Frost, und der Fjord lag unter einer dichten Eisdecke da, die sich lange hielt.
Gegen Ende des Monats, eines Abends nach dem Tee, saß Fennimore allein in ihrem Wohnzimmer und wartete.
Es war sehr hell drinnen, das Klavier stand offen, die Lichter darauf waren angezündet, und von den Lampen waren die Schleier abgenommen, so daß die Goldleisten[251] und alles, was an den Wänden hing, deutlich und klar hervortraten. Die Hyazinthen waren von den Fensterbrettern genommen und auf den Schreibtisch gestellt und standen nun da, ein Haufe scheinender Farben, die Luft mit ihrem reinen, starken Duft erfüllend. Im Ofen brannte das Feuer mit gedämpftem, vergnüglichem Summen.
Fennimore ging im Zimmer auf und ab, auf einem der dunkelroten Streifen des Teppichs fast balancierend. Sie trug ein etwas altmodisches, schwarzes seidenes Kleid, das schwer von den vielen Garnierungen hinter ihr herschleppte und sich, so wie sie ging, von der einen Seite auf die andere legte.
Sie summte eine Melodie vor sich hin und hatte mit beiden Händen in die mattgelbe Kette von großen Bernsteinperlen gefaßt, die sie um den Hals trug, und wenn sie auf ihrem roten Streifen schwankte, hielt sie mit der Melodie inne, hielt sich aber noch immer an der Kette fest. Vielleicht war ihr ihre Wanderung eine Vorbedeutung, daß, wenn sie so und so viele Male im Zimmer auf und ab gegangen sei, ohne vom Streifen herunterzukommen und ohne die Kette loszulassen, daß dann Niels kommen würde.
Er war am Vormittage dagewesen, als Erik fortfuhr, und war bis gegen Abend geblieben, doch hatte er versprochen, wiederzukommen, sobald der Mond aufginge und es hell genug wäre, um sich über den durch Waaken gefährdeten Fjord zu wagen.[252]
Fennimore war mit ihrem Orakel fertig, welcher Art auch das Ergebnis geworden sein mochte, und trat nun ans Fenster.
Es sah gar nicht aus, als wenn der Mond heute abend noch durchkommen würde, so schwarz war der Himmel, und es war noch viel dunkler da draußen auf dem graublauen Eise, als hier am Lande, wo der weiße Schnee lag. Es war wohl das Vernünftigste, wenn er wegblieb. Und sie setzte sich mit einem resignierten Seufzer ans Klavier, stand aber wieder auf, um nach der Stutzuhr zu sehen. Dann kehrte sie zu rück und setzte entschlossen ein großes, dickes Buch mit Noten vor sich hin, aber sie spielte doch nicht, sie blätterte wie geistesabwesend in dem Buche und verfiel in Gedanken. Wenn er nun doch jetzt drüben an dem andern Ufer stünde und seine Schlittschuhe anschnallte, und dann in wenigen Minuten hier wäre! Sie sah ihn so deutlich vor sich, er atmete ein wenig schwer nach dem schnellen Lauf und blinzelte mit den Augen bei dem hellen Licht hier drinnen nach all der Dunkelheit. Es kam so eine Kälte mit ihm herein, und sein Bart war ganz voller kleiner, blitzender Tropfen. Dann würde er sagen – ja, was würde er wohl sagen?
Sie lächelte und sah an sich nieder.
Und noch immer war der Mond nicht zum Vorschein gekommen.
Sie trat wieder ans Fenster, blieb dort stehen und sah in das Dunkel hinaus, bis kleine Funken und regenbogenfarbene Ringe vor ihren Augen tanzten. Aber sie[253] waren nur so unbestimmt da. Sie hätte es gern gesehen, wenn da draußen ein Feuerwerk gewesen wäre, Raketen, die in einem langen, langen Streifen in die Luft aufstiegen und dann zu kleinen Würmern würden, die sich in den Himmel einbohrten und mit einem Knall verschwänden, oder auch eine große, große matte Kugel, die zitternd in die Höhe schwebte und dann langsam in einem Regen von tausendfarbigen Sternen herabsänke. Sieh, sieh doch! so weich und rund wie ein Neigen, ganz wie ein Goldregen, der sich herabneigt. Lebt wohl! Lebt wohl! Das waren die letzten. Du großer Gott, daß er auch nicht kam! Und sie wollte nicht spielen.
In demselben Augenblicke wendete sie sich nach dem Klavier um, schlug eine Oktave hart an und hielt die Tasten so lange fest, bis der Ton ganz erstorben war, und das wiederholte sie wieder und wieder. Sie wollte nicht spielen, nein, nicht spielen, aber tanzen! Einen Augenblick schloß sie ihre Augen und brauste in Gedanken dahin durch einen unermeßlichen Saal von Rot, Weiß und Gold. Wie herrlich wäre es, zu tanzen, warm zu werden und Champagner zu trinken! Dann mußte sie daran denken, wie sie einmal, als sie noch in die Schule ging, zusammen mit einer Freundin Champagner aus Sodawasser und Eau de Cologne gemacht hatte, und wie sie beide so krank von dem Getränk geworden waren.
Sie richtete sich auf und ging durchs Zimmer, instinktmäßig ihr Kleid nach dem Tanze ordnend.
»Ja, wenn wir nun endlich vernünftig würden!« sagte[254] sie halblaut, nahm ihre Arbeit und setzte sich in den großen Lehnstuhl bei der Lampe.
Aber sie konnte nicht fleißig sein, die Hände sanken ihr bald in den Schoß, und ganz allmählich, mit kleinen Bewegungen, machte sie es sich in dem großen Stuhle behaglich, sich darin zurücklehnend, das Kinn in die Hand gestützt und das Kleid über die Füße gezogen.
Sie dachte neugierig darüber nach, ob die anderen Frauen auch wohl so wären wie sie, ob auch sie sich geirrt hätten und unglücklich gewesen wären und dann einen andern geliebt hätten. Sie nahm die Damen von Fjordby eine nach der andern durch, dann dachte sie plötzlich an Frau Boye; sie war immer ein peinigendes Rätsel für sie gewesen, diese Frau, die sie haßte und von der sie sich gedemütigt fühlte.
Erik hatte auch einmal gesagt, daß er rasend in Frau Boye verliebt gewesen sei.
Wer doch alles über sie wüßte!
Sie lachte bei dem Gedanken an Frau Boyes neuen Mann.
Und die ganze Zeit, während sie mit all diesen Gedanken beschäftigt war, sehnte sie sich, lauschte sie nach Niels, sie dachte sich ihn kommend, immer kommend, da draußen über das Eis her. Sie ahnte nicht, daß sich nun schon seit zwei Stunden ein dunkler, kleiner Punkt aus der entgegengesetzten Richtung über die schneeweißen Ferder mühsam vorwärts gearbeitet hatte, um ihr eine ganz andere Nachricht zu bringen als die, die sie von[255] jenseits des Fjordes erwartete. Es war nur ein Mann in einer Friesjacke und Schmierstiefeln, und jetzt klopfte er an das Küchenfenster und flößte dem Mädchen einen tödlichen Schrecken ein.
»Es sei ein Brief gekommen«, sagte Trine, als sie zu ihrer Herrin ins Zimmer trat.
Fennimore nahm das Papier; es war ein Telegramm. Ruhig reichte sie dem Mädchen die Bescheinigung und ließ sie gehen; sie war nicht im geringsten besorgt. Erik hatte ihr in letzter Zeit mehrmals telegraphiert, daß er am nächsten Tage einige Gäste mit nach Hause bringen würde.
Und dann las sie.
Sie schrie plötzlich laut auf, fuhr entsetzt von ihrem Stuhle auf und starrte mit namenloser Angst auf die Tür.
Sie wollte es nicht hier im Zimmer haben, sie wagte es nicht, und mit einem Satze war sie an der Tür, stemmte ihre Schulter dagegen und drehte an dem Schlüssel, bis ihr die Hand schmerzte. Aber er wollte nicht schließen, wie sehr sie sich auch bemühte. Dann ließ sie die Hand sinken. Es war ja auch richtig, es war gar nicht hier, sondern weit fort von ihr in einem fremden Hause.
Sie fing an zu zittern, ihre Knie trugen sie nicht mehr, sie glitt an der Tür herab auf den Fußboden.
Erik war tot. Die Pferde waren durchgegangen, hatten den Wagen an der Straßenecke umgeworfen, und Erik war mit dem Kopf gegen die Mauer geschleudert worden. Nun lag er tot in Aalborg. So hatte sich die Sache[256] zugetragen, und das meiste davon stand in dem Telegramm. Außer ihm war nur der weißhalsige Hauslehrer, der Araber, auf dem Wagen gewesen, der hatte auch das Telegramm geschickt.
Sie lag am Boden und jammerte leise vor sich hin; die beiden Hände hatte sie flach gegen den Teppich gepreßt, den Blick zu Boden gesenkt, ausdruckslos und starr, hilflos wiegte sie den Oberkörper von einer Seite zur andern.
Noch vor wenig kurzen Augenblicken war es so hell und duftig um sie her gewesen, sie konnte es nicht sofort alles aufgeben und in die pechschwarze Nacht des Kummers und der Reue hüllen, wie sehr sie sich auch bemühte. Es war nicht ihre Schuld, aber durch ihr Bewußtsein zuckte noch ein unsicher blendender Strahl von Liebesglück und Liebeslust, und starke, törichte Wünsche wollten sich vordrängen, sich nach einer Seligkeit des Vergessens sehnend oder sich bemühend, mit krampfhaft wilden Griffen das rollende Rad der Begebenheiten zurückzudrehen.
Aber das war bald vorüber. In dunklen Scharen aus allen Ecken kamen die finsteren Gedanken geflogen, gleich Raben, die der Leichnam ihres Glückes herbeigelockt hatte, und die nun Schnabel neben Schnabel einhackten, während die Lebenswärme den Körper noch nicht verlassen hatte. Und sie zerfetzten und zerhackten ihn und machten ihn völlig unkenntlich, jeder Zug war entstellt und verzerrt, bis das Ganze ein widriger Haufe, ein Gegenstand des Ekels und Abscheus geworden war.[257]
Sie erhob sich und ging umher, indem sie sich wie eine Kranke an Stühlen und Tischen hielt, und sie blickte verzweifelt auf, als suche sie ein Spinngewebe von Hoffnung, nur einen Blick des Trostes, ein kleines Zeichen des Mitleids. Aber ihr Auge begegnete nur den hellbeleuchteten Familienporträts, allen diesen Fremden, die Zeugen ihres Falles und ihres Verbrechens gewesen waren; schläfrige alte Herren waren es und gezierte Matronen, und dann dies unvermeidliche Gnomenkind, welches sie überall hatten, das Mädchen mit den großen runden Augen und der aufgeschwollenen Stirn. An all dies fremde Eigentum hatten sich allmählich Erinnerungen genug geknüpft, der Tisch dort, der Stuhl, der Schemel mit dem schwarzen Pudel darauf und diese schlafrockartige Portiere, das alles hatte sie mit Erinnerungen gesättigt, mit buhlerischen Erinnerungen, die es jetzt von sich spie und ihr nachwarf. O, es war unerträglich, mit allen diesen Gespenstern der Sünde und mit sich selber obendrein hier eingeschlossen zu sein; sie schauderte vor sich selber, sie drohte ihr, dieser ehrlosen Fennimore, die sich zu ihren Füßen wand, sie entzog ihren flehenden Händen den Saum ihres Kleides. Gnade! Nein, da war keine Gnade, wie konnte es wohl Gnade geben vor jenen gebrochenen Augen in der fremden Stadt, die jetzt, nachdem sie sich geschlossen hatten, sehen konnten, wie sie seine Ehre in den Schmutz getreten, wie sie ihm ins Gesicht gelogen, wie sie sein Herz verraten hatte?
Sie konnte es fühlen, wie sie auf sie gerichtet waren,[258] diese gebrochenen Augen, sie wußte nicht, weswegen sie sich von ihnen wenden sollte, um ihrem Blicke zu entgehen, aber sie folgten ihr unaufhörlich, wie zwei eiskalte Strahlen über sie hingleitend; und während sie so niederstarrte und jeder Faden des Teppichs, jeder Stich auf den Schemeln in der starken, scharfen Beleuchtung unnatürlich deutlich vor ihren Augen ward, da merkte sie, wie es mit den Schritten eines Verstorbenen um sie herumging, wie es ihr Kleid streifte, so daß sie entsetzt aufschrie und zur Seite wich; aber dann stand es vor ihr wie mit Händen, und es waren doch auch wieder keine Hände, es war etwas, was langsam nach ihr faßte, was höhnend und lauernd nach ihrem Herzen griff, nach diesem Wunder von Falschheit, dieser gelben Perle der Treulosigkeit! Und sie wich zurück, bis sie an den Tisch stieß, aber da war es noch immer, und ihre Brust konnte sie nicht dagegen schützen, es griff durch Haut und Fleisch hindurch wie – – Sie verging beinahe vor Angst, wie sie dort stand, sich wehrlos rückwärts über den Tisch krümmend, während sich alle Nerven in Erwartung strammten und das Auge starrte, als ob es in seiner Höhle gemordet werden sollte.
Und dann war es auf einmal vorüber. Sie schaute mit einem unsicheren Blicke um sich, sank dann auf die Knie nieder und betete lange. Sie bereute und bekannte wild und rücksichtslos in stets wachsender Leidenschaftlichkeit mit demselben fanatischen Haß gegen sich selber, der die Nonnen dazu treibt, ihren nackten Körper zu geißeln.[259] Sie suchte begeistert nach gemeinen Worten und berauschte sich in Selbsterniedrigung und in Demut, die nach Niedrigkeit lechzte.
Endlich erhob sie sich. Ihre Brust bewegte sich stark und unruhig, und es lag ein matter Glanz auf ihren bleichen Wangen, die, unter dem Gebet, voller geworden zu sein schienen.
Sie sah sich mit einem Blicke im Zimmer um, als gelobte sie sich etwas im stillen, dann ging sie in das dunkle Nebenzimmer, schloß die Tür hinter sich, stand einen Augenblick still, um sich an das Dunkel zu gewöhnen, und tastete sich dann zu der Tür, die zu der geschlossenen Glasveranda führte, auf die sie hinaustrat.
Dort war es heller. Der Mond war jetzt aufgegangen und schien durch die Kristallblumen der Glaswände, gelblich durch die Scheiben selbst, rot und blau durch das farbige Glas, das den Rahmen der Fenster bildete.
Fennimore taute mit ihrer Hand ein Loch in das Eis und trocknete das Wasser dann sorgfältig mit dem Taschentuche ab.
Noch war draußen auf dem Fjord niemand zu sehen.
Dann fing sie an, in ihrem Glaskäfig auf und ab zu gehen. Es standen keine anderen Möbel draußen als ein Sofa aus gebogenem Holz, und das lag voll von welken Efeublättern, die von den Ranken oben an der Decke abgefallen waren. Jedesmal, wenn sie daran vorüberkam, raschelten die Blätter leise im Luftzug, und hin und wieder fand ihr Kleid auch ein welkes Blatt auf dem[260] Boden, das es mit kratzendem Laut über die Dielen nach sich zog.
Auf und nieder ging sie, ihre traurige Wacht haltend, die Arme über der Brust gekreuzt, sich hart machend gegen die Kälte.
Endlich kam er.
Mit einem Ruck riß sie die Tür auf und trat mit ihren dünnen Schuhen hinaus in den eisigen Schnee. Sie gönnte es sich, sie hätte barfuß zu diesem Stelldichein gehen können.
Niels hatte beim Anblick der schwarzen Gestalt, die sich gegen den hellen Schnee abhob, gestutzt, und näherte sich langsam mit zögernden, forschenden Bewegungen dem Lande.
Es war ihr, als verbrenne ihr diese schleichende Gestalt die Augen. Jede Bewegung, jeder Zug, den sie wiedererkannte, traf sie wie eine schamlose Verhöhnung, gleichsam, als wollte sie mit dem entwürdigenden Geheimnis prahlen. Sie zitterte vor Haß, ihr Herz schwoll von Verwünschungen, sie konnte ihren Sinn kaum beherrschen.
»Ich bin es,« rief sie ihm höhnend entgegen, »Fennimore, die Metze!«
»Aber um Gottes willen, Geliebte?« fragte er verwundert, jetzt nur noch wenige Schritte von ihr entfernt.
»Erik ist tot!«
»Tot? Wann?« Er mußte mit seinen Schlittschuhen[261] in den Schnee treten, um nicht zu fallen. »Aber so sag' mir doch!« Und er näherte sich ihr hastig.
Sie standen jetzt einander gegenüber, und sie mußte sich Zwang antun, um ihm nicht mit der geballten Faust in die bleichen, verzerrten Züge zu schlagen.
»Du sollst es alles hören,« sagte sie, »er ist tot, wie ich dir schon gesagt habe. Die Pferde gingen in Aalborg mit ihm durch, und sein Kopf zerschmetterte an einer Mauer, während wir ihn hier betrogen.«
»Es ist entsetzlich!« stöhnte Niels und griff sich mit den Händen nach den Schläfen. »Wer hätte das auch ahnen können! Ach wären wir ihm doch treu gewesen, Fennimore! Erik, armer Erik! Wäre ich es doch gewesen!« Und er schluchzte laut und krümmte sich in wildem Schmerz.
»Ich hasse dich, Niels Lyhne!«
»Ach, was liegt denn an uns!« stöhnte Niels ungeduldig. »Wenn wir ihn nur wieder hätten! Arme Fennimore, verbesserte er sich dann. Kümmere dich nicht um mich. Du hassest mich, sagst du? Das kannst du gern tun.« Dann raffte er sich plötzlich auf. »Laß uns hineingehen«, fuhr er fort. »Ich weiß nicht, was ich sage. Wer hat dir telegraphiert?«
»Hineingehen«, schrie Fennimore, empört, daß er ihre feindliche Stimmung so wenig zu beachten schien. »Da hinein? Niemals sollst du deinen ehrlosen Fuß wieder über diese Schwelle setzen! Wie wagst du es nur, daran[262] zu denken! Du Elender! Du falscher Schuft, der, sich hier einschleichend, die Ehre seines Freundes stahl, weil sie nicht genügend gehütet ward. Was, hast du sie ihm nicht vor seinen eigenen Augen gestohlen, weil er glaubte, daß du ehrlich seist, du Hausdieb!«
»Bist du von Sinnen! Was geht mit dir vor? Was für Worte nimmst du da in den Mund! Er erfaßte sie hart beim Arme und zog sie näher an sich heran und sah ihr verwundert ins Gesicht. Du mußt dich fassen,« fuhr er in milderem Tone fort, »was kann es helfen, Kind, daß du mit so häßlichen Worten um dich wirfst?«
Sie riß ihren Arm los, so daß er auf seinen Schlittschuhen schwankte.
»Kannst du es denn nicht begreifen, daß ich dich hasse? Hast du nicht so viel von einem ehrlichen Manne in dir, daß du das begreifen kannst? Wie blind muß ich doch gewesen sein, als ich dich, Betrüger, liebte, während ich ihn, der so tausendmal besser war als du, an meiner Seite hatte! Ich werde dich hassen und verachten bis an mein Lebensende. Damals, als du kamst, war ich rechtschaffen, ich hatte niemals etwas Schlechtes begangen, aber nun kamst du und ruhtest nicht, als bis du mich zu dir in den Kot herabgezogen hattest. Was hatte ich dir getan, daß du mich nicht in Frieden lassen konntest, mich, die ich dir doch vor allen andern hätte heilig sein sollen? Tag für Tag muß ich nun mit dem Schandfleck auf meiner Seele weiter leben, und niemals werde ich jemand begegnen, er sei noch so gering, ohne mir sagen[263] zu müssen, daß ich noch weit geringer bin. Alle meine Jugenderinnerungen hast du vergiftet. An was könnte ich auch jetzt noch zurückdenken, was rein und gut wäre! Du hast es besudelt, alles, alles! Nicht er allein ist gestorben, nein alles, was je zwischen uns an Gutem und Lichtem gewesen, ist jetzt tot und verwest. Du großer Gott, hilf mir doch! Ist es denn gerecht, daß ich keine Rache an dir nehmen kann, trotz allem, was du mir zuleide getan? Mache mich wieder ehrlich, Niels Lyhne, mache mich makellos und rein! Nein, nein, aber es geschähe dir nur recht, wenn du so lange gefoltert würdest, bis du dein Unrecht wieder gutgemacht hättest. Kannst du, kannst du es wieder zurechtlügen? Steh doch nicht so da und verkrieche dich unter deine eigene Hilflosigkeit, leide hier vor meinen Augen, krümme dich vor Pein und Verzweiflung und sei elend! Mach ihn elend, mein Gott, laß ihn mir nicht auch noch die Rache stehlen! Geh, du Elender, geh, ich stoße dich von mir, aber ich schleppe dich mit mir, darauf kannst du dich verlassen, ich ziehe dich durch alle Martern, die ich durch meinen Haß auf dich herabbeschwören kann!«
Sie hatte den Arm drohend nach ihm ausgestreckt, jetzt wandte sie sich ab und ging, und die Verandatür fiel hinter ihr ins Schloß. Niels stand da und verfolgte sie mit starren, fast ungläubigen Blicken; es war ihm, als stünde sie noch vor ihm mit dem bleichen, rachgierigen Gesicht, das so wunderbar niedrig und roh in seiner Leidenschaftlichkeit, völlig seiner sonstigen edelgeformten Schönheit[264] beraubt war, als hätte eine rohe, grausame Hand alle seine Linien aufgepflügt.
Er ging vorsichtig auf das Eis zurück und fing langsam zu laufen an in der Richtung nach dem offenen Meere zu, den Mondschein vor sich, den Wind im Rücken. Allmählich, je mehr die Gedanken seine Aufmerksamkeit von der Umgebung ablenkten, lief er schneller, und die Eisspäne, die seine Schlittschuhe ablösten, raschelten klirrend mit ihm über die blanke Fläche, von dem stetig wachsenden Frostwind getrieben.
Das also war das Ende. So also hatte er diese Frauenseele erlöst, sie gehoben und ihr das Glück verschafft! Wie schön doch sein Verhältnis zu dem toten Freunde gewesen war, zu dem Kindheitsfreunde, für den er Zukunft, Leben und alles hatte opfern wollen: er mit seinem Opfern und seinem Erlösen! Himmel und Erde sollten auf ihn hinschauen, um einen Mann zu erblicken, der sein Leben auf den Höhen der Ehre hielt, ohne Fleck und ohne Makel, der keinen Schatten auf die Idee werfen wollte, der er diente und die zu verkünden er berufen war.
Und er sauste dahin.
Das war nun auch einer seiner großsprecherischen Gedanken, daß sein besudeltes Leben die Sonne der Idee beflecken könne! Großer Gott, er mußte nun einmal alles so hochtrabend auffassen, das lag ihm so im Blute; konnte er nichts Besseres werden, so wollte er doch wenigstens ein Judas sein und sich in seiner großartigen Gemeinheit[265] Ischariot nennen. Das klang doch nach etwas. Mußte er denn stets einhergehen und sich gebärden, als sei er der verantwortliche Minister der Idee und Mitglied ihres geheimen Staatsrates, der alles, was die Menschheit anlangte, aus erster Hand hätte! Sollte er es denn niemals lernen, in aller Einfachheit danach zu streben, als gemeiner Soldat der Idee seine untergeordnete Pflicht zu tun?
Draußen auf dem Eise brannten bengalische Flammen, und er kam so nahe daran vorüber, daß einen Augenblick lang ein riesengroßer Schatten unter seinen Füßen hervorschoß, sich nach rückwärts zu bewegte und verschwand.
Er dachte an Erik, und welch ein Freund er ihm gewesen war. O Erik! Kindheitserinnerungen rangen die Hände über ihn, Jugendträume verhüllten ihre Häupter und weinten über ihn, die ganze Vergangenheit starrte ihm mit einem einzigen, langen, vorwurfsvollen Blicke nach. Er hatte das alles treulos im Stich gelassen um einer Liebe willen, die so klein, so niedrig war wie er selber. Und doch, es war Hoheit in der Liebe gewesen; und auch dieser war er untreu geworden. Wohin sollte er fliehen vor diesen Anläufen, die doch stets im Graben endeten? Sein ganzes Leben war nichts weiter gewesen, und auch in Zukunft würde es damit nicht anders werden, er wußte das, er fühlte es so sicher, und er verging schier bei dem Gedanken an alle diese vergebliche Mühe, er wünschte von ganzem Herzen, daß er entfliehen und sich[266] von diesem zwecklosen Dasein befreien könnte. Wenn nur das Eis unter ihm brechen wollte, während er so darüber hinglitt, und alles in einem Zucken, einem Ringen nach Luft dort unten in dem kalten Wasser abgetan sein könnte!
Ermattet vom schnellen Laufe hielt er inne und blickte zurück. Der Mond war verschwunden, und die Eisfläche hob sich dunkel und langgestreckt von den weißen Höhen des Ufers ab. Dann wendete er um und kämpfte gegen den Wind an. Dieser war inzwischen sehr stark geworden, und Niels war müde. Er bemühte sich, in den Schutz der hohen Küste zu gelangen, aber während er sich so vorwärts kämpfte, kam er auf eine Windwake, die durch den von den Höhen kommenden Zug gebildet war, und das dünne Eis gab mit einem zähen, knitternden Knacken unter ihm nach.
Wie war es ihm aber trotzdem leicht ums Herz, als er wieder auf sicheres Eis gekommen war! Die Müdigkeit hatte sich durch die Angst fast völlig verloren, und er flog mit neuer Kraft dahin.
Während er so da draußen kämpfte, saß Fennimore enttäuscht und vergrämt in dem erleuchteten Zimmer. Sie fühlte sich um ihre Rache betrogen, sie wußte nicht, was sie erwartet hatte, aber es war doch etwas ganz anderes gewesen; ihr hatte etwas Mächtiges vorgeschwebt, etwas Erhabenes, etwa wie ein Schwert und rote Flammen! Etwas, das sie hoch erhob und sie auf einen Thron setzte, und nun war es so kleinlich ausgefallen, so alltäglich,[267] und sie hatte das Gefühl, als habe sie ihn mehr ausgeschimpft, als sie ihn verfluchte.
Sie hatte doch etwas von Niels gelernt!
Am nächsten Morgen, in aller Frühe, während Niels noch schlief, überwältigt von Müdigkeit, reiste Fennimore ab.
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Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro