4. Auftritt.

[40] Vorige. Vilacky schwer verwundet und erschöpft, wird von einem türkischen Aga hereingeführt.


SOLIMAN.

Ein männlich Antlitz, kühn und heldenkräftig;

Ich habe meine Feinde gern so stolz. –

Wer bist du, Jüngling? sprich!

VILACKY.

Ein Ungar und ein Christ:

So steh' ich doppelt hoch in deinem Hasse.

SOLIMAN.

Bildst du dir ein, ich ließe mich herab,

Den einzelnen zu hassen? Stolzer Träumer!

Ich zähle nie die Tropfen meiner Meere;

Mein Kaiserhaß trifft nur das Volk als Volk.

Bekenne mir: wie steht's in eurem Sigeth?

VILACKY.

Erstürmt es nur, dann könnt ihr's leicht erfahren.

MEHMED.

Verwegner Sklave, sprichst du so zum Großherrn?

VILACKY.

Magst du sein Sklave sein, ich bin es nicht.

Ein freier Ungar beugt sich nur vor Gott

Und seinem König.

SOLIMAN.

Du gefällst mir, Christ!

Nur frisch vom Herzen und dem Feind ins Antlitz!

Wenn ich der Ungarn Heldensinn nicht kennte,

Gäb' ich mir so viel Mühe um das Land?

Den Löwen freut's, daß ihm der Bär gehorcht,

Nicht, daß ihn Hund und Katze König schimpfen.

VILACKY.

Du, Löwe, hüte dich vor deinen Bären!

Ein rechter Bär scheut deine Mähnen nicht.[40]

SOLIMAN.

Dann soll er meine Tatzen fühlen lernen! –

Jetzt, Christ, bekenne, wie's in Sigeth steht,

Und ob ich bald auf den erstürmten Zinnen

Die heil'ge Fahne siegreich pflanzen mag.

Wenn du bei deinem Schweigen stolz beharrst,

So lass' ich dir die stumme Zunge lösen,

Und Schmach und Tod erwartet dich! Nun sprich!

VILACKY.

Was du von mir zu hören hast, Großsultan,

Verlohnte sich, bei Gott, nicht all der Worte.

Zieh ab, ich rate dir's! An jenen Mauern

Bricht sich die Wogenbrandung deines Glücks.

Der Niklas Zriny weicht nicht La Valette,

Der Ungar dem Malteser nicht. Sankt Michael

Belagerst du zum zweitenmal vergebens.

SOLIMAN.

Ich habe Afrika besiegt und Asien

Gesetze vorgeschrieben – glaubst du, Thor,

Dein Häuflein Ungarn wär' unüberwindlich?

Mit zweimal Hunderttausend lieg' ich hier,

Genug, um ein Europa zu bezwingen,

Und diese Felsen ständen mir zu fest? –

VILACKY.

Die Menge bricht sich an dem ehrnen Mute.

Die dort in Sigeth wissen mehr, als du

Mit deinen Hunderttausenden vermagst:

Sie können sterben für den wahren Glauben,

Nicht trunknen Muts, wie dein tollkühnes Heer,

Nein, wie es Helden ziemt: kalt, ernst, besonnen!

SOLIMAN.

Ja, sterben sollen alle die Verwegnen!

Tollkühne Schiffer, die den Strom hinauf,

Der über Felsen in den Abgrund donnert,

Mit rasendem Entschluß die Fahrt gelenkt.

Er stürzt hinab, zerschmetternd reißt er sie

In seines Strudels ungeheure Tiefe,

Und ihres Namens Klang vergißt die Zeit.

VILACKY.

Nein, Soliman, ihr Name lebt und strahlt,

Ein ew'ger Stern im Wechselsturm der Tage,

Zu ihres Volkes fernster Nachwelt durch.

Groß mag es sein, ein Erbe dieser Erde

In die bezwungne, unterjochte Welt

Als kaiserlicher Sieger einzuziehn;

Doch, glaube mir, es ist ein höhres Leben,

Sich, wenn ein weltzerstörend Meteor

Vernichtend in des Lebens Kreise donnert,

Für seines Volkes Freiheit zu verkaufen

Und eine Welt im Kampfe zu bestehn.

Dich, Soliman, wird einst die Nachwelt richten,[41]

Brandmarken mit dem Fluch der Tyrannei!

Das sag' ich dir! – Sieh, wie die Buben zittern,

Daß ich dies große, ungeheure Wort

Dem Sultan keck ins Angesicht geworfen! –

Ja, Soliman, die Nachwelt wird dich richten!

Als Sieger zogst du wohl aus manchem Kampfe;

Doch, glaube mir, so hoch steht nicht dein Ruhm,

Den du auf Menschenleichen, Städtetrümmern

Und der erkämpften halben Welt gebaut,

Als sich der große Johannitermeister,

Philipp de Villers, den du doch bezwangst,

Durch Heldensinn und Heldenkraft geschwungen. –

Nun, Soliman, laß deine Schergen kommen,

Mein Leben ist verwirkt mit diesem Worte;

Was ich dir sagte, sagt dir keiner mehr.

SOLIMAN.

Christ, du bist frei. Was kann's dem Monde kümmern,

Wenn ihn der Hund anbellt? Ich schenke dir,

Beim Allah, wenig, wenn ich's Leben schenke.

Das Leben gilt nur großen Männern viel;

Im Staube kriechen, heißt ja so nicht leben.

VILACKY.

Um diesen Preis mag ich das Leben nicht!

Du sollst mich achten und mich töten lassen!

SOLIMAN.

Christ, Menschen achten hab' ich längst verlernt.

VILACKY.

So lern's an mir! Vom Feind will ich nicht Gnade!


Reißt sich den Verband ab.


Ström' hin, mein Blut! Hier oder auf dem Schlachtfeld,

Ich sterbe doch für Volk und Vaterland! –

Fluch Soliman! Heil meinem großen Kaiser!


Er stürzt ohnmächtig zusammen.


SOLIMAN.

Tollkühner Thor! – Hat Kaiser Maximilian

Viel solche Freunde, mag er reich sich nennen. –

Man trag' ihn fort, und wenn das flücht'ge Leben

Noch in dem Herzen aufzuhalten ist,

So pflegt ihn gut und laßt den Levi holen.


Vilacky wird abgetragen.


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 40-42.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zriny
Leier und Schwert, Zriny, Rosamunde, mit Einleitung;
Zriny: Ein Trauerspiel in Fünf Aufzügen (German Edition)
Zriny: Ein Trauerspiel (German Edition)

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon