5. Auftritt.

[55] Vorige. Mustafa.


MUSTAFA.

Herr, laß zum Rückzug blasen! Nur vergebens

Jagst du die tapfern Scharen in den Tod.

Der Zriny ras't wie ein gereizter Löwe,

Verderben um sich schmetternd, unter sie.

Ein jeder einzelne steht für ein Heer;

Es müssen Teufel sein, die wir bekämpfen,

Denn solcher Kraft rühmt sich kein Sterblicher.

Die Janitscharen weigern sich, zu stürmen.

SOLIMAN.

Laßt sie mit Hunden hetzen, jagt sie

Mit Peitschenhieben an den Wall hinauf,

Pflanzt Feuerschlünde hinter ihre Reihen

Und schießt sie nieder, weigern sie den Sturm.

Sigeth muß fallen, und sollt' ich die Gräben

Mit Janitscharenköpfen füllen, sollt' ich

Auf Leichenwällen meines halben Heers[55]

Die andre Hälfte in die Hölle schmettern!

Sigeth muß fallen, muß jetzt fallen! Stürmt!

Ich habe wenig Augenblicke noch,

Und mit dem Siegesdonner will ich scheiden!


Mustafa eilt ab.


SOLIMAN.

Ha, kömmst du, Tod? Ich fühle deinen Gruß!


Sturm und Trompetenlärm.


MEHMED für sich.

Zur rechten Stunde sandt' ich meine Boten;

Der Kaiser stirbt, noch eh der Abend kommt.

LEVI.

Blickt nicht so düster, teurer Herr und Kaiser!

Schreckt denn der Tod auch eine Heldenbrust?

SOLIMAN.

Was ist der Tod, daß er mich schrecken sollte?

Gibt's etwas, das den Helden schrecken kann?

Willkommen wär' er mir im Rausch der Thaten,

Willkommen nach geschlagner Siegesschlacht!

Ich wollt' ihn freudig in die Arme drücken

Und hauchte jubelnd meine Seele aus;

Doch so zu sterben! – so! – Der Mensch muß einmal

Im Leben der Besiegte sein; der Tod

Hat auch den großen Mahomed bezwungen,

Und Bajazet und Selim, sieggekrönt

Aus dieser Erde Nebelkampf gegangen,

Sie mußten folgen, als sein Wort sie rief;

Doch so besiegt zu sterben, wenn man siegend

Den Frühling sechsundsiebzigmal begrüßt!

Das mag auch eine Heldenbrust zerreißen!

MEHMED.

Noch lebst du ja, kannst noch den halben Mond

Auf den erstürmten Zinnen Sigeths blicken

Und Zrinys Haupt zu deinen Füßen sehn.


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 55-56.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zriny
Leier und Schwert, Zriny, Rosamunde, mit Einleitung;
Zriny: Ein Trauerspiel in Fünf Aufzügen (German Edition)
Zriny: Ein Trauerspiel (German Edition)

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon