An Herrn Hofrath Raspe,

in Cassel

[55] Der du auf Steinen und auf graugewordnen Münzen

Des Alterthums berühmte Köpfe kennst,

Und unter allen vergötterten Prinzen

Den jüngern Cäsar göttlich nennst;

Weil ihn Horaz und Maro sangen,

Und beyde Sänger auf ihr goldnes Saytenspiel


Den Sonnenblick von seiner Huld empfangen.

Freund, solcher Prinzen giebts nicht viel[56]

In alten und in neuern Zeiten.

Doch läßt nicht Cäsar Joseph itzt

Die deutsche Musen, die sein Doppeladler schützt,

In hundert Wettgesängen streiten?

Erweckt das Lächeln seiner Gunst

Nicht edlen Ehrgeiz in dem Spieler auf der Bühne?

Er strebet, daß er sich durch Molierens Kunst

Zwiefachen Lorbeer, so wie Molier, verdiene –

Und muntern nicht zu neuen Liedern mich

Die Helden auf vom Gwelfenstamme?

Wie frisches Oel die zitternde Flamme

Der sterbenden Ampel belebt;

Also beleben mein sinkendes Feuer

Die Prinzen durch ihren huldwinkenden Blick.

Auch Dessaus Fürstinn, – Welch ein Glück! –

Wirft meiner beneideten Leyer

Die selbst der Pariser hört,

Oft Blumen zu vom fühlenden Busen[57]

Im Arme Leopolds, und lehrt

Sanft ihren ersten Sohn – Kind, opfre früh den Musen

Und Grazien, und horche gern, wie wir,

Die vaterländischen Gesänge.

Kein fremdes Lied, kein gallisch Spiel verdränge

Das Lied Teutoniens bey dir.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Neue Gedichte, Mietau und Leipzig 1772, S. 55-58.
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