In den Äpfeln

[291] Ich kam zu einem Apfelbaum,

In dessen grünen Ästen

Ein krummer Zwerg den frischen Schaum

Der Äpfel sog, der besten.


Um einen Apfel bat ich ihn,

Da fing er an zu rütteln

Und toll und wild und her und hin

So Frucht wie Laub zu schütteln.


Ich aß, wie ein begier'ger Mann,

Und ließ es mich gelüsten,

Nicht achtend, wie der Zwerg begann

Die Krone zu verwüsten.


Da sang ein Vogel: »Iß, du Held!

Du hast den Witz gefunden:

Das Laub, das mit daneben fällt,

Bedeutet deine Stunden!«


Da jagt ich Kobold Unverstand

Herunter aus den Zweigen

Und unternahm, mit Fuß und Hand

Bedacht hinanzusteigen.


Nun saß ich selber auf dem Baum,

Nach Äpfeln auszuspähen,

Und ich genoß den süßen Schaum,

Die Blätter ließ ich stehen.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 291-292.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gesammelte Gedichte
Die Leute von Seldwyla / Gesammelte Gedichte: BD 3
Sieben Legenden und Gesammelte Gedichte