Wardeins Brautfahrt

[377] »Hier ist die Brücke, da der Fluß,

Mein Lieb, nun gib die Hand!

Ein freundlich Lächeln sei dein Gruß:

Das ist mein Heimatland!


Ein Maßlieb blüht am Markstein hier –

Siehst du das Blümchen gern?

Zum Willkomm pflück und geb ich dir

Den hold bescheidnen Stern!


Die duftig blauen Hügel dort,

Schau, werden mählich braun;

Schon siehst du dran nach Gottes Wort

Das Volk die Scholle baun.


So komm! Das Land ist schön und gut,

Die Leute recht und schlecht;

Doch leidet wo unschuldig Blut,

So wird es auch gerächt.


Wer redlich handelt, der gewinnt,

Die Untreu bringt den Tod!

So komm, bist du nur treu gesinnt,

Und brich mit mir das Brot!


Mit Linnen decke weiß den Tisch,

Frau Ehre kommt als Gast!

Sie teilt einst unter dem Rasen frisch

Zu dritt mit uns die Rast!«


So sprach zum jungen Eheschatz

Der strenge Herr Wardein.

Er ruhte bald am stillen Platz

Im Rasen – doch allein!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 377-378.
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