[Was tönet so laut durch die Lüfte]

[273] Was tönet so laut durch die Lüfte,

Was tönet so laut durch den Wald,

Durch Berge, Täler und Klüfte

Und weit über das Meer es schallt.


Es ist kein Rufen, kein Schrei'n,

Wie Donner nur rollet es fort,

Durchbrechend die menschlichen Reih'n

An jeglichem fernsten Ort.


O Menschheit, so hoch einst gestiegen,

O Menschheit, du sankest herab,

Die schwärzlichen Banner, sie fliegen,

Verkünden Verderben und Grab.


Schon träumtest vom ewigen Frieden,

Schon winkten die Engel dir zu;

Vom Himmel auf Erden hinieden,

Jetzt findet der Streit keine Ruh'.
[273]

Es glühet vor Haß und vor Streite,

Es glühet und zischt in der Luft,

Es zündet in Nähe und Weite, –

Und Echo dem Echo es ruft.


Die Schönheit entschwindet von hinnen,

Die Weisheit bedeckt ihr Gesicht;

O Menschen, ihr scheinet von Sinnen,

Die Liebe empfindet ihr nicht.


Die Fahnen des Krieges, sie fliegen,

Verkünden Verderben und Grab;

O Menschheit, so hoch einst gestiegen,

O Menschheit, du sankest herab.


Quelle:
Friederike Kempner: Gedichte. Berlin 81903, S. CCLXXIII273-CCLXXIV274.
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