An das Herz im Frühling

[181] Es wollen Vögel wieder singen,

Es wollen Blumen wieder blühn,

Mein Herz, kannst du dich nicht bezwingen,

Nur einmal noch der Lust erglühn?[181]


Was nimmer Leben durfte hoffen,

O sieh! das blickt jetzt frisch hinauf,

Hat dich so sehr ein Frost getroffen,

Daß du dich nimmer richtest auf?


Es schafft, es klopft, es möcht' sich heben,

Doch kann es nicht, es ist zu krank!

So schafft, so klopft, man hört's mit Beben,

Im Sarge der Scheintote bang.


Dann kommen eilend seine Lieben,

Befrein ihn aus des Grabes Graus.

Du Herz aus dieser Brust, der trüben,

Kommst du, ach! nimmermehr heraus?

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 181-182.
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