Der Gärtner auf der Höhe

[120] »Verlaß die kalten Höhen,

Du armer Gärtnersmann!

Dein Garten steht voll Moose,

Nicht Hyazinth', nicht Rose

In ihm man finden kann.


Im warmen Tale unten

Sah ich der Gärten viel,

Die Blumen stehn in Fülle,

Und ihre bunte Hülle

Gewährt ein lustig Spiel.


Im Garten auf der Höhe

Ist schon die Blüte aus;

Möcht' ihrer nimmer warten,

Alter, verlaß den Garten,

Dein armbestelltes Haus!«


Der Gärtner gab nicht Rede

Dem Wandrer aus dem Tal,

Blieb still wie träumend stehen,

Bis daß voll Glut die Höhen

Im letzten Abendstrahl,[120]


Bis Nacht in enger Tiefe,

Die Erde rings verschwand,

Goldwolken sich erhoben,

Seltsame Bilder woben,

Ein selig Zauberland.


»Dort, Fremder! steht mein Garten;«

Sprach drauf der Gärtnersmann;

»Wo sind die kalten Moose?

Sieh, Hyazinth' und Rose

Auf himmelblauem Plan!


Und sieh von Gold erbauet

Ein herrlich Königshaus,

Die Sterne drüber stehen,

Glutrot die Wimpel wehen,

Dort geh' ich ein und aus.«

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 120-121.
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