Adonis

[70] Als Phöbos Apollon dich sah,

Adonis,

Ergriff seine Seele ein seliger Schmerz.

Nicht freute ihn der Gesang der Mysten

Und nicht das Opfer im ragenden Heiligtum.


Er trat als Bettler staubig vor die Sibylle,

Die weissagende,

Und sprach:

Sage mir das Geschick des Knaben Adonis!


Die heiligen Nebel wallten,

Die süssen Düfte strömten,

Die Pythia sprach:

Der Knabe Adonis wird sterben

An Liebe, die zu heftig liebt.


Da ging der Gott und ging durch die seufzenden Fluren

Und schritt in seinen Tempel

Unerkannt

Und setzte sich auf die steinernen Stufen

Und weinte

Das bärtige Gesicht wie ein Igel

Im Strauchwerk der Hände versteckt.

Als er das Antlitz hob,

Waren seine Hände

Voller Perlen.[71]


Hephästos reihte sie

Zu einer Kette.

Die brachte Hermes dem Knaben,

Als er die Ziegen weidete am Taygetos,

Und hing sie ihm um den Hals,

Die Tränen des Gottes.

Quelle:
Klabund: Das heiße Herz. Berlin 1922, S. 70-72.
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