Kleinstadtpfingsten

[30] Um eine schöne Pfingststimmung zu bewirken,

Stellt man in den kleinen Städten Birken

Vor die Tür. Und am Vorabend singen

Die Mädchen süßsonderbare Lieder, die den Sommer herbeizwingen Sollen.

Die Buben zwitschern auf ihren Kalmusstauden wie Nachtigallen.

Aber vor allen

Dingen vergeßt

Nicht: wir feiern Pfingsten das Schützenfest.

In grasgrüner Uniform wie die Förster, mit Fahnen, Flöten, Pauken, und unter Applaus

Des Publikums, marschiert die Schützengilde (63 Mann) zum Schützenhaus.

Mein Vater ist Schützenmajor – er trägt einen Ehrendegen

Und muß an solchem Fest- und Ehrentage auch seinen Kronenorden vierter Klasse anlegen,

Sowie die hohenzollern-sigmaringsche Verdienstmedaille. –

Die Mädchen gehen alle schon in weißer Taille,

Und am Abend tanzt man im Schützenhaussaal bis zum Verrücktwerden...

Dann draußen unter den Bäumen... im Grase... von deinem Munde beglückt werden.

... Küsse... Musik von ferne.. am Abendhimmel die Venus gleißt...

Und wir reden jauchzend irr mit fremden Zungen,

Unsere Herzen sind wie Blüten aufgesprungen,

Nieder fuhr durchs Dunkel wie ein Blitz singend der heilige Geist...[30]


Quelle:
Klabund: Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern, Berlin [1913], S. 30-31.
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Morgenrot. Klabund. Die Tage dämmern. Gedichte von Klabund pseud. (German Edition)