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[280] Im Thon: Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc.
1.
Entbrenne du mein gantzes Ich/
Was in mir ist/ ermuntre sich/[280]
Vnd dichte feine Weisen:
Den Pelican/ der sich zerritzt/
Der seine Brut mit Blut besprützt/
Soll meine Zunge preisen.
Auff! Auff!
Eil! lauff!
Ich will leiten
Reine Säiten/
Sonder Zwingen:
Gott und Gottes Lob besingen.
2.
Im Fall die Mutter nicht zu Hauß/
Vnd etwan ist geflogen auß/
Zu speisen jhre Jungen/
Sticht die trugvolle Schlangenzucht
Deß frommen Pelicanens Frucht
Mit gifftgefülter Zungen/
Zischet/
Gischet/
Was da lebet/
Lebt und Webet
ümbzubringen;
Gott ich will dein Lob besingen.[281]
3.
So/ wann der alte Schuppenfeind
Am Häubte nichts zu schaffen meint/
Wagt er mit tausend Listen/
Sich an die Glieder groß und klein/
An Adam/ Even ins gemein
An alle fromme Christen/
Brennet/
Rennet/
Laufft und eifert/
Speit und geifert/
Zu verschlingen/
Die/ mein Gott/ dein Lob besingen.
4.
Die Mutter/ die sich hat verweilt
Vnd eilend wider Heimwarts eilt/
Die komt/ und muß erbleichen/
Die Frucht/ die sie kaum außgeheckt/
Die hat der grimme Todt gestreckt/
Das Nest ligt voller Leichen;
Sie zagt/
Sie klagt/
Klagt und wümmert/
Sich bekümmert/[282]
Ob den Dingen/
Gott/ ich will dein Lob besingen.
5.
Nach dreyer Tagen Trawerzeit
Legt sie hinweg das schwartze Kleid/
Vnd sich nicht ferner quälet/
Zerhacket jhre zarte Brust
Auß welcher quilt der Lebensmust/
Der jhre Frucht beseelet/
Reget/
Weget/
Hebt die Flügel/
üm die Hügel
Sich zu schwingen:
Gott ich muß dein Lob besingen.
6.
So hat/ der nichts als böses stifft/
Der Teuffel alle Welt vergifft/
Geführet ins Verderben/
Wir solten in der Höllenpein.
Verdamte Höllebränder seyn/
Zwar sterben/ doch nicht sterben;
Sitzen/
Schwitzen[283]
Ob den Thaten/
Teuffelsbraten
Vns vmbringen:
Gott ich will dein Lob besingen.
7.
Wenn Christus nicht das höchste Gut/
Mit seinem Rosenfarbnen Blut/
Das unsre Sünde wäschet/
Deß Teuffels Zorn und Vbermut/
Der Höllen Pech und Schwefelglut
Am dritten Tag geleschet/
Mächtig
Prächtig
Ihn gebunden
Vberwunden
In dem Ringen.
Gott mein Geist soll dich besingen.
8.
Er/ Er der trawte Pelican
Der nam sich unser trewlich an/
Die heiligen fünff Brunnen/
Gegraben an deß Creutzes Stamm/
Auß welchem vns das Leben kam/
Durch sein Blut hergerunnen/[284]
Regnen/
Segnen/
Sündvergeben:
Heil und Leben!
Ich muß springen:
Gott und Gottes Güte singen.
9.
Vnd wie wann nun der Pelican
Für Schwachheit nicht mehr fliegen kan/
Vnd muß ermattet krancken/
So machen sich die Kinder auß/
Versorgen Eltern/ Kind und Hauß/
Vor Leib und Leben dancken/
Jagen/
Tragen
Muscheln/ Fische
Zu dem Tische
Häuffig bringen.
Gott mein Geist soll dich besingen.
10.
So ist mein Gott mein Hertz bereit
Auff Psalterspielen allezeit/
Mein Ehre dich verehret/
Daß du mich auß der Nächte Nacht/[285]
Gesund ans liechte Liecht gebracht/
Von Wiegen an ernehret/
Dein Blut/
Mein Gut/
Das mich tauffet/
Tewr erkauffet/
Muß erklingen:
Gottes Gut und Blut besingen.
11.
Hab danck! hab danck! mein Pelican!
Ich geb dir wider/ was ich kan/
Mein Leib/ mein Seel/ mein Leben/
Vnd wann es einsten dir gefält/
So führ mich auß der Threnen Welt
Hin/ wo die Engel schweben/
Laß mich
Selig
Zu dir kommen/
Mit den Frommen
Vmb dich springen
Gott dich ewig zu besingen.
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