Erklärung des Titelbildes

[207] Die Seele/ aus hertzlichem Verlangen nach dem ewigen Leben/ gleichsam in einem Traum entzukket/redet:


Wol mir! Ich lasse nun das müde Meer der Welt/

Den wilden Wellenweg/ das schwanke Segelzelt/

Der Winde Stürmerstimm/ der Silberfluten Brausen/

Das Ekkel-ungemach/ der Eitelkeiten Grausen.

Wie lang? Ach Herr/ wie lang beklagt ich ohne Maß

Die pfellgeschwinde Wind/ als schläffrich/ träg und laß?

Die Threnen leschten nicht mein brünstiges Verlangen:

Mein Seufftzen war zuvor befesselt und gefangen;

So gar daß ich gewillt/ aus dollem Frevelmuht/

Nach langverlangtem Port zu schwimmen durch die Flut.

Wol mir/ ich bin am Strand! Sorg/ Jammer/ Angst und Leiden/

Hat mit mir abgesteurt. Hier ist das Reich der Freuden.

Hertzliebes Vaterland!

Sey tausendmal gegrüsst.

Du sichrer Vferstrand

Sey tausendmal geküsst.

Gegrüsset solst du seyn/

Mit diesem Liebeskuß:

Geküsst dein Kies und Stein

Mit meiner Lippengruß.

Wol mir! und aber wol/ hier find ich aufgestellt/

Des starken AnkersCreutz/ das mir den Rukken hält:

Da mich der Hoffnungstrost mit wahrer Ruh begattet/

Da mich der Lorberkrantz der Ewigkeit beschattet.

Dir düsterwilde Welt sag ich nun gute Nacht;

Mich hat der Todesschlaff an Heiligland gebracht.

Ach schlaff/ ach sanffter Schlaff; mein Wunsch und mein Verlangen!

Wo find ich Hertzenswort dich lieben zu ümfangen?

Mein stetes Wollustbett ist eißl- und eisenkalt/

In welchem mich erkennt die schöne Todsgestalt/

Was nie kein Aug geschaut/ was niemand kan verjähen/

Hat mein entzukkter Geist im Hoffnungstraum gesehen.

Quelle:
Johann Klaj: Redeoratorien und »Lobrede der Teutschen Poeterey«. Tübingen 1965, S. 207-208.
Lizenz:
Kategorien: