Beyschrifft an des berühmten Klaiens Göttlichen Leidens Gedichte

[276] Hastu nicht/ mein werther Freund/

Dein und meinen Seelenretter/

Als des Davids letzten Vetter/

(Eh ich dich zu kennen meint)

Angesungen in der Wiegen

Vnd gelobet sein Vermügen?


Du warst mit ihm in dem Stall/

Da der Ochs und Mühlendiener

Standen bey dem Weltversühner;

Da der ekkte Feuerpall

Vnter Gottesburg erschiene/

Heyden auch zu machen kühne.


Da der Morgenländer Cron

Vnd die Weißheit ihrer Städte

Ihre grosse Reise thäte

Bis zu Gottes-Jungfer-Sohn;

Da die Heydenschafft mit Gaben

Auch Erlösung wolten haben.


Dir ist auch nicht unbekand

Vnsers Kindes sein Elende/

Als es auf der Flucht behende

Zog hin in der Heyden Land/

Ascalons des wilden Heyden

Sein Erwürgen zu vermeiden.


Hastu nicht den Teuffelsman/

Den ungleichen Welttyrannen

Vnd das herbe Weiberzannen

Greulich mit geführet an;

Seinen Hertzensschmertz und Qwelen

Weistu alles zu erzehlen.[276]


Du läst ferner doch nicht seyn

Hin zu Gottes eignen Mauren

Eine Reise mit zu dauren

In dem zwölfften Jahresschein;

Du wirst von dem jungen Munde

Reden eine gute Stunde.


Salemsburg und Gotteshauß/

Ihre Lehrer und die Lehre

Vnd der Hohenpriester Ehre

Werden da mit brechen rauß.

Vnsers Mitlers Wanderschafften

Dir auch im Gedächtniß hafften.


Itzo fertigt deine Kiel

Vnsers Bruders rote Wunden;

Fessel/ wormit er gebunden/

Vnd des Leidens allzuviel:

Lauter blauvermengte Striemen

Von den Henkergeisselriemen.


Du besingest seinen Tod/

Seine Marter/ seine Schmertzen/

Seine Liebesbrunst von Hertzen/

Wie er üm die unsre Noht

Sich hat aller unterfangen/

Nur daß wir zu ihm gelangen.


Seinen rechten Freudentag

Wie den Tod er überwunden

Vnd die Seinen ihm entbunden/

Wie mans nur beschreiben mag:

Daran hastu schon vor diesen

Ein recht Meisterstük erwiesen.


Seinen Höllenraub und Macht

Hastu mit so kluger Zungen

Wunderbarer Weiß gesungen

Als in einer mächtgen Schlacht:

Vnd beschreibst die Himmelsreise

Fast nach rechter Engelweise.


Wie nicht minder das Geschenk

Seines Geistes ausgegossen

Auf die Jüngerschafftsgenossen/

Bistu gleichfals eingedenk.

Vnd besingst die Dreygeeinten/

Die uns sogar treulich meinten.


Werde/ liebster Freund/ nicht laß/

Fahre fort mit dem Gedichte

Auch zu reden vom Gerichte/

Das die Bösen wird in Haß

Vnd in Frieden Fromme setzen.

Also kan man uns ergetzen/


In Dreßden

Zu Ehren eilends gefertigt

Von Christian Brehmen.

Quelle:
Johann Klaj: Redeoratorien und »Lobrede der Teutschen Poeterey«. Tübingen 1965, S. 276-277.
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