Dritter Auftritt

[299] Hermann und Eginhardt treten auf.


HERMANN.

Tod und Verderben, sag ich, Eginhardt!

Woher die Ruh, woher die Stille,

In diesem Standplatz röm'scher Kriegerhaufen?

EGINHARDT.

Mein bester Fürst, du weißt, Quintilius Varus zog

Heut mit des Heeres Masse ab.

Er ließ, zum Schutz in diesem Platz,

Nicht mehr, als drei Kohorten nur, zurück.

Die hält man ehr in Zaum, als so viel Legionen,

Zumal, wenn sie so wohlgewählt, wie die.

HERMANN.

Ich aber rechnete, bei allen Rachegöttern,

Auf Feuer, Raub, Gewalt und Mord,[299]

Und alle Greul des fessellosen Krieges!

Was brauch ich Latier, die mir Gutes tun?

Kann ich den Römerhaß, eh ich den Platz verlasse,

In der Cherusker Herzen nicht

Daß er durch ganz Germanien schlägt, entflammen:

So scheitert meine ganze Unternehmung!

EGINHARDT.

Du hättest Wolf, dünkt mich, und Thuskar und den andern

Doch dein Geheimnis wohl entdecken sollen.

Sie haben, als die Römer kamen,

Mit Flüchen, gleich die Teutoburg verlassen.

Wie gut, wenn deine Sache siegt,

Hättst du in Deutschland sie gebrauchen können.

HERMANN.

Die Schwätzer, die! Ich bitte dich;

Laß sie zu Hause gehn. –

Die schreiben, Deutschland zu befreien,

Mit Chiffern, schicken, mit Gefahr des Lebens,

Einander Boten, die die Römer hängen,

Versammeln sich um Zwielicht – essen, trinken,

Und schlafen, kommt die Nacht, bei ihren Frauen. –

Wolf ist der einz'ge, der es redlich meint.

EGINHARDT.

So wirst du doch den Flambert mindestens,

Den Torst und Alarich und Singar,

Die Fürsten an des Maines Ufer,

Von deinem Wagstück staatsklug unterrichten?

HERMANN.

Nichts, Liebster! Nenne mir die Namen nicht!

Meinst du, die ließen sich bewegen,

Auf meinem Flug mir munter nachzuschwingen?

Eh das von meinem Maultier würd ich hoffen.

Die Hoffnung: morgen stirbt Augustus!

Lockt sie, bedeckt mit Schmach und Schande,

Von einer Woche in die andere. –

Es braucht der Tat, nicht der Verschwörungen.

Den Widder laß sich zeigen, mit der Glocke,

So folgen, glaub mir, alle anderen.

EGINHARDT.

So mög der Himmel dein Beginnen krönen![300]

HERMANN.

Horch! Still!

EGINHARDT.

Was gibt's?

HERMANN.

Rief man nicht dort Gewalt?

EGINHARDT.

Nein, mein erlauchter Herr! Ich hörte nichts,

Es war die Wache, die die Stunden rief.

HERMANN.

Verflucht sei diese Zucht mir der Kohorten!

Ich stecke, wenn sich niemand rührt,

Die ganze Teutoburg an allen Ecken an!

EGINHARDT.

Nun, nun! Es wird sich wohl ein Frevel finden.

HERMANN.

Komm, laß uns heimlich durch die Gassen schleichen,

Und sehn ob uns der Zufall etwas beut.


Beide ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 299-301.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Hermannsschlacht
Die Hermannsschlacht
Die Hermannsschlacht: In einer Bearbeitung von Rudolph Genée. Mit Erläuterungen von Alfred Heil
Hermannsschlacht: Ein Gedicht Auf Ã-sterreich (German Edition)

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon