Viertes Lied

[15] Ihr Freunde fehlt noch, die ihr mich künftig liebt!

Wo seyd ihr? Eile, säume nicht, schöne Zeit!

Komt, auserkohrne, helle Stunden,

Da ich sie seh', und sie sanft umarme!


Und du, o Freundin, die du mich lieben wirst,

Wo bist du? Dich sucht, Beste, mein einsames,

Mein fühlend Herz, in dunkler Zukunft,

Durch Labyrinthe der Nacht hin suchts dich!
[15]

Hält dich, o Freundin, etwa die zärtlichste

Von allen Frauen mütterlich ungestüm;

Wohl dir! auf ihrem Schoosse lernst du

Tugend und Liebe zugleich empfinden!


Doch hat dir Blumenkränze des Frühlings Hand

Gestreut, und ruhst du, wo er im Schatten weht;

So fühl auch dort sie! Dieses Auge,

Ach dein von Zärtlichkeit volles Auge,


Und der in Zähren schwimmende süsse Blick,

(Die ganze Seele bildet in ihm sich mir!

Ihr heller Ernst, ihr Flug zu denken,

Leichter als Tanz in dem West und schöner!)


Die Mine, voll des Guten, des Edlen voll,

Diess vor Empfindung bebende sanfte Herz!

Diess alles, o die einst mich liebet!

Dieses geliebte Phantom ist mein! du,


Du selber fehlst mir! Einsam und wehmuthsvoll

Und still und weinend irr' ich, und suche dich,

Dich, Beste, die mich künftig liebet,

Ach die mich liebt! und noch fern von mir ist!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 15-16.
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