Der 3. Absatz.

Von dem Zinn, Kupffer und Eisen.

[104] Das Zinn Stannum oder Weiß-Bley ist die dritte Gattung der Metallen / es bestehet aus einem etwas reinen und feinen Mercurio, aber mit Vermischung eines scharpffen und unzeitigen Schwefels / deßwegen es auch gegen dem Silber und Gold gerechnet (als welches viel dicker und vester ist) unter die weichere und geringere Metall gerechnet wird.46 Der Güte nach ist das Zinn unterschiedlich: das beste so in unsern Landen gebräuchlich / ist das Englische / und hernach das Böhmische Zinn. Das Zinn wird ferners in 3. Sorten oder Gattungen abgetheilt / das erste ist das glatte Zinn / welches auch das rechte und pure ist / das zweyte ist das Klingende / welches mit Kupffer /Zinck und Wißmuth[104] vermischt ist / welche Sachen ihm den Klang geben: die dritte ist die gemeinste und mit Bley vermischte Art.

Ubrigens wird das Zinn wie andere Metall aus denen Bergen gegraben. Das Zinn zertheilt die unterschiedliche Metall und söndert sie ab von einander /und erhaltet sie vom Verbrennen. Es ist schön weiß /und werden die Spiegel mit ihm gemäßiget / und auch das Bleyweiß daraus gemacht.

Durch das Zinn kan die Klugheit und Unterscheidungs-Krafft verstanden werden.47 Dann gleichwie das Zinn ein Metall von dem andern unterscheidet /und absönderet / also thut diese Tugend und Klugheit das Böse von dem Guten / und das Gute von dem Böseren unterscheiden und absönderen. Widerum gleichwie die Klug- und Mäßigkeit alle andere Tugenden leitet und beschützet / ohne welche sie wurden zu Grund gehen und keine Tugenden mehr wären; dann virtus consistit in medio, die Tugend bestehet in einer Mittelmäßigkeit zwischen 2. äussersten Dingen / als zum Exempel die Tugend der Hertzhafftigkeit haltet das Mittel zwischen der Vermessen- und Zaghafftigkeit / die Tugend der Freygebigkeit trifft das Mittel zwischen dem Geitz und der Verschwendung etc. hingegen alles was zu viel oder zu wenig / das ist kein Tugend mehr / sondern es ist Mangel- und Tadelhafft. Also thut auch dieses Metall das Zinn wegen seinem mittelmäßigen Temperament zwischen anderen Metallen mittlen und sie erhalten; dann obwohlen das Eisen und Ertz sehr hart ist / so wird es doch weich / wann es ohne Vermischung des Zinns in das Feur kommt /verbrennt. Auch die Tugenden haben keinen Bestand in dem Feur der Verfolgung / wann sie nicht mit diesem sittlichen Zinn der Klugheit und der Discretion vermengt wird. Ferners gleichwie die Spiegel mit dem Zinn / so man ihnen hintersetzt / gemäßiget werden /und gleichsam eingeschränckt / ohne welches man nur dardurch / nicht aber sich selbst darinn sehen wurde /also müssen alle andere Tugenden von der klugen Discretion gemäßiget und eingeschränckt werden /auch die Weißheit selber: non plus sapere, quam oportet sapere, damit man nicht gar zu gescheid seyn wolle.

Cuprum das Kupfer ist unter denen geringen Metallen eines der fürnemsten / und bestehet aus einem Purpur-Farben Schwefel / mit etwas Vitriol und Mercurio vermischt.48 Von dem Purpur-rothen Schwefel bekommt es die rothe Farb / von dem Vitriol die Blumen / oder sogenanten Grünspan: daß es aber etwas wenigers als das Bley und Zinn flüßig ist / das ist dem zimlich wohl figirten Mercurio zuzuschreiben: und eben darum wird es auch sehr gern mit dem Gold und Silber vereiniget / und gibt gleich dem Silber eine schöne blaue Tinctur von sich: Es behaupten einige /daß wann man dem Kupfer mit Vortheil die rothe Farb benemme / es selbst zu Silber werde / und wann mans mit dem Gaum vermische / die schöne Farb des Golds an sich nemme und zu einem Meßing werde. Neben dem / daß das Kupfer von Natur schier ins gemein etwas Gold mit sich führet. Es werden auch von dem Kupfer / als wie von andern Metallen viel Præparata gemacht: und hat man in der Medicin ad darvon oleum crocum, spiritum tincturam, sal und flores.

Ubrigens ist das Ertz / wann es unvollkommen ausgearbeitet oder ausgekocht ist / eben das Kupfer / und hat den Nahmen von der Insul Cypern / allwo es zu erst erfunden worden / wann es aber sein Vollkommenheit erreicht hat / wird es lediglich æs Ertz genennt: und endlich wann es polirt ist / und glantzend gemacht / da wird es Rausch-Gold aurichalcum, welches in dem Glantz dem wahren Gold nachahmet.

In sittlichem Verstand mögen wohl durch dieses Metall die Schmeichler verstanden werden; inmassen es zwar schön und sonor ist oder wohlklingend / und einen guten Thon gibt / aber es ist ungesund / wann man Speiß darinn kochet / oder daraus trincket.49 Also auch die Schmeichel-Reden in[105] dem Mund der Schmeichler seynd / zwar schön und zierlich gestellt /sie lauten wohl / sie geben einen guten Klang in den Ohren dessen / der gelobt wird: aber wann sie zu dem Hertzen eintringen / da seynd sie sehr schädlich: inmassen der Schmeichler nichts als unter falschem Schein der Freundschafft seinen eignen Nutzen sucht /auch mit Schaden dessen / dem er schmeichlet. Adulatio est falsa laude seductio, sagt der Heil. Augustinus.50 Der Schmeichler thut mit falschem Lob verführen. Gleichwie aber das Kupfer gar leicht verrost /und sein Schönheit verliehrt / wann es nicht zu Zeiten mit Oel geschmieret wird / also werden auch die schöne Schmeichel-Wort und Lob-Reden bald aufhören /wann du nicht zum öfftern das Oel der Freygebigkeit /der Schanckungen oder anderer Gefälligkeiten zugiessest.

Das Eisen ist ein Metall / welches mehrentheils bestehet in einer guten quantität säurlichen Saltzes und fixer Erden / sprödem Schwefel / und wenigem Mercurio.51 Das Eisen ist hart und schwer / und laßt sich ungern schmeltzen / worzu ein grosses und starckes Feuer vonnöthen ist / welches endlich es als wie ein kleines feuriges Bächlein aus dem Schmeltz-Ofen fliessend macht. Die Schwere und Härte des Eisens / wie auch / daß es sich nicht so leicht schlagen laßt /kommt her von häuffig beygemischter Erden und wenigem Mercurio, hingegen der beygesellte Schwefel /und das säurliche Saltz verursacht / daß es leicht rostig wird. Wann der bessere Theil des Eisens auf seine gewisse Art noch mehr gehärtet und purificirt wird / da gibt es einen Stahl ab / der sich gar schön und subtil arbeiten / und poliren oder schleiffen und glantzend machen laßt. Das Eisen wird aus denen Bergen in die Schmöltz-Oefen und Hammer-Schmidten gebracht / allda in starcke Stangen geschmiedet /und zum Verkauff behalten.

So häuffig und gemein bey uns das Eisen ist / für so rahr und kostbar wird es an vielen Orthen in Indien / wo hingegen die Menge des Golds zu finden ist / gehalten / allwo man einem Europäer / so dahin kommt / gar gern für eine Axt oder Messer etc. einen grossen Klumpen Gold gibet. Der erste Eisen-Schmidt ist gewesen der Tubalian, nicht lang nach Erschaffung der Welt / daß also die Schmidt sich wohl ihres alten Herkommens rühmen mögen.

Es ist dieses das nothwendig oder dienlichste Metall zu gar unterschiedlichem Gebrauch / und vielerley Instrumenten oder Werckzeug / so man absonderlich in dem Bauen / und in dem Krieg / Waffen daraus zu schmieden / gebraucht / deßwegen es wohl auch auf Lateinisch ferrum à feriendo, das ist / vom schlagen genennet wird.

Es ist auch nicht unnutzlich Artzneyweiß zu gebrauchen; dann wann man ein glüendes Eisen in dem Wasser oder Wein ablöschet / so ist es gut für die Dissenterie oder den Durchlauff / wie auch für einen schlimmen Magen; dann es hat die Krafft zu stärcken und zusammen zu halten. Auch der Rost vom Eisen mit Eßig vermischt / macht das Kyfer und Zahnfleisch vest / und verhinderet oder stellet ein das Ausfallen der Haaren. In Eisen-Bergwercken ist auch die Eisen-Blühe flos ferri, oder schneeweisse / zu Zeiten silberfärbige Eisen-Blumen zu sehen / die gantz leicht und subtil: diese Eisen-Blumen seynd ein mineralischer Stein / so in denen Bergen auf einigen Metallen / absonderlich auf denen Eisen-Steinen aufwachset / und in die Höhe schießt / als wie geschmeidige Aestlein oder Corallen-Zincken / gleichsam mit zarten Fäden umwunden. Sie præsentiren öffters gar unterschiedliche Figuren / so die Natur für sich selbsten gestaltet hat. Magnificus P. Romoser in tract. de Meteor: schreibet: Er habe Anno 1698. in dem Steyrischen Eisen-Bergwerck eine Schnee-weisse Tauben gesehen / welche die Natur aus den Eisen-Blumen für sich selber formirt oder gestaltet habe / mit 2. Flügelein ordentlich versehen und überall mit Strahlen umgeben /gleichwie man den Heil. Geist zu mahlen und zu schnitzlen pflegt.[106]

Durch das Eisen kan wegen seiner Härte und Daurhafftigkeit die Stärcke verstanden werden; weilen gleichwie das Eisen vast alle cörperliche Ding mit einem Gewalt zerbricht / und zerschlaget / also die Stärcke alle Gefahr und Beschwerden überwindet.52 Ja die Heil. Schrifft macht selber diese Gleichnuß / Dan. c. 2. v. 40. mit folgenden Worten: Das. 4te Königreich wird so starck seyn als Eisen: dann wie Eisen alle Ding zerbricht / zerschlagt und zwingt / also wird es auch diese alle zermahlen und zerbrechen.

Das Eisen dauret im Feuer und Wasser / es haltet alles Ungewitter aus: auch ein recht starcker Mensch bleibt standhafftig / Eisen-vest / und unverstöhrt in allen Zufäll- und Begebenheiten. Das Eisen ist ein schier allgemeines Instrument alle starcke und schwere Arbeiten zu vollziehen: absonderlich in dem Krieg und Feldschlachten muß es dienen und das beste thun / so wohl sich selber zu beschützen als den Feind zu bestreiten und zu verfolgen: aber noch mehr ist zu eben solchem Zihl und End die Stärcke vonnöthen /ohne welche das Eisen nicht viel nutzen oder ausrichten wurde / weilen ja das Schwerdt und der Degen in der Hand eines schwachen Kinds / so es nicht regieren kan / wenig zu achten oder zu förchten ist.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 104-107.
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