Siebenter Auftritt


[119] Der Unbekannte – Der Major.


MAJOR ihm entgegen. Ich wünsche dir Glück, Meinau.

UNBEKANNTER. Wozu?

MAJOR. Du hast sie wiedergefunden.

UNBEKANNTER. Zeig' einem Bettler den Schatz, den er ehemals besaß, und nenn' ihn glücklich! Wie albern!

MAJOR. Warum nicht? wenn es nur an ihm liegt, wieder ebenso reich zu sein, als ehemals.

UNBEKANNTER. Ich verstehe. Du bist ein Abgeordneter meiner Frau. Daraus wird nichts.

MAJOR. Lerne deine Frau besser kennen! Ja, ich bin ein Abgeordneter von ihr; doch ohne alle Vollmacht, Frieden zu stiften. Sie, die dich unaussprechlich liebt, die ohne dich nie glücklich sein kann und wird, sie entsagt deiner Verzeihung, weil – so drückt sie sich aus – deine Ehre mit einer solchen Schwachheit nicht vereinbar sei.

UNBEKANNTER. Possen! mich fängt man nicht.

MAJOR. Meinau, besinne dich wohl! Sie ist ein herrliches Weib.

UNBEKANNTER. Soll ich dir sagen, Bruder, wie das alles zusammenhängt? Seit vier Monaten wohne ich hier; das wußte Eulalia –

MAJOR. Das wußte sie? Sie sah dich heute zum ersten Male.

UNBEKANNTER. Das mag sie einem Narren weiß machen. Höre nur weiter! Sie wußte ferner recht gut, daß ich kein ganz ungewöhnlicher Schlag von Menschen bin, daß auf der großen Heerstraße meinem Herzen nicht beizukommen ist. Deshalb legte sie einen feinen, tief versteckten Plan an. Sie spielte die Wohltätige; doch so, daß ich es jedesmal erfahren mußte. Sie spielte die Fromme, die Sittsame, die Eingezogene, um meine Neugier rege zu machen. Und endlich heute spielt sie die Spröde; sie schlägt meine Verzeihung aus, um mir durch diesen künstlichen Edelmut meine Verzeihung zu entlocken.

MAJOR. Meinau, ich habe dir mit Bewunderung zugehört. Vergib mir; nur einem Menschen, der so oft in der Welt betrogen wurde, verzeiht man solchen Unsinn. Schade, daß das ganze scharfsinnige Gebäude durch einen Hauch über den Haufen fällt. Deine Frau hat sich ausdrücklich und standhaft erklärt, sie werde deine Verzeihung nie annehmen; auch dann nicht, wenn du selbst schwach genug sein könntest, die Ehre der Liebe aufzuopfern. Wozu denn also der[119] tief versteckte Plan? Wahrlich, Bruder! solche Maschinerie kann nur der Kopf eines Menschenfeindes argwöhnen.

UNBEKANNTER. So sag' mir doch, warum bist du denn eigentlich hier?

MAJOR. Aus mehr, als einer Ursach. Zuerst in meinem eigenen Namen, als der Freund meines alten Kriegskameraden, dich feierlich zu beschwören, dies Weib nicht von dir zu stoßen; denn bei Gott! du findest ihresgleichen nicht wieder.

UNBEKANNTER. Gib dir keine Mühe!

MAJOR. Aufrichtig, Meinau, du liebst sie noch.

UNBEKANNTER. Leider ja!

MAJOR. Ihre ungeheuchelte Reue hat ihre Schuld längst getilgt. Was hält dich ab, wieder so glücklich zu sein, als du einst warst?

UNBEKANNTER. Ein Weib, das fähig war, einmal die eheliche Treue zu verletzen, ist es auch zum zweiten Male.

MAJOR. Nicht so Eulalia. Vergib mir, Bruder, wenn ich den größten Teil ihrer Schuld auf dich selbst zurückschiebe.

UNBEKANNTER. Auf mich?

MAJOR. Auf dich. Wer hieß dich, ein junges, unerzogenes Mädchen heuraten? Von einem Manne von fünfundzwanzig Jahren fodert man kaum feste Grundsätze; und du suchtest dergleichen bei einem weiblichen Geschöpf von vierzehn Jahren? Doch das beiseite. Sie hat gefehlt, sie hat gebüßt, und in einer Zeit von drei Jahren sich so untadelig betragen, daß auch die schwärzeste Verleumdung durch ihr vergrößerndes Sehrohr in dieser Sonne keinen Flecken entdecken würde.

UNBEKANNTER. Und wenn ich auch das alles glaube – denn ich gestehe dir, ich glaube es gern – so kann sie doch nie wieder die Meinige werden. Bitter. Ha! ha! ha! Das wäre ein Schmaus für die geschminkten Weiber und all' das fade Hofvolk, wenn ich so wieder mitten unter sie träte, mit meinem verlaufenen Weibe am Arm. Wie sie hohnlächeln, sich in die Ohren wispern, mit Fingern auf mich zeigen würden. O das wäre ein Schauspiel, um des Teufels zu werden!

MAJOR. Nun, jenem abgeschmackten Zirkel zu entsagen, wird doch wohl meinem Freunde Meinau keinen Seufzer kosten? Ich denke, wer drei Jahre lang sich selbst genug war, der kann in Eulaliens Armen kühn der Einsamkeit sein ganzes Leben weihen.

UNBEKANNTER. Ich begreife. Ihr habt ein Komplott gemacht,[120] habt euch mit meinem Herzen gegen meinen Kopf verschworen; aber vergebens! Ich bitte dich Bruder: kein Wort weiter, oder ich gehe.

MAJOR. Wohlan, so hab' ich als Freund meine Pflicht erfüllt. Jetzt erscheine ich als Abgeordneter deines Weibes. Sie bittet dich um eine letzte Unterredung; sie will Abschied von dir nehmen. Diesen Trost kannst du ihr nicht versagen.

UNBEKANNTER. O ich verstehe auch das. Sie schmeichelt sich mit dem Gedanken, meine Standhaftigkeit werde vor ihren Tränen hinwegschmelzen; aber sie irrt sich: sie mag kommen!

MAJOR. Und dich fühlen lassen, wie sehr du ihren Charakter verkennst. Ich hole sie.


Will gehen.


UNBEKANNTER. Noch eins, Horst. Hier, gib ihr diesen Schmuck; er gehört ihr zu.

MAJOR. Das magst du selbst tun. Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 119-121.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Menschenhaß und Reue
Menschenhaß und Reue

Buchempfehlung

Angelus Silesius

Cherubinischer Wandersmann

Cherubinischer Wandersmann

Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«

242 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon