Achter Auftritt

[121] DER UNBEKANNTE allein. Nun, Meinau, der letzte glückliche Augenblick deines Lebens naht heran. Du wirst noch einmal sie sehen; sie, an der deine ganze Seele hängt. O daß ich ihr nicht entgegenfliegen, an dies klopfende Herz sie drücken darf! – Pfui! ist das die Sprache des beleidigten Gatten? Ach, ich fühl' es: das Hirngespenst, das wir Ehre nennen, ist nur in unserm Kopfe, nicht in unserm Herzen. – Standhaft! es darf nun einmal nicht anders sein. – Ernst will ich mit ihr reden; aber sanft. – Hüte dich, daß kein Vorwurf deinem Munde entwische! Ja, ihre Reue ist wahrhaftig; mein argwöhnisches Gehirn mag dagegen einwenden, was es will. – Nun, so soll wenigstens ihr Schicksal erträglich sein. Sie soll nicht dienen dürfen um des bißchen täglichen Brots willen. Sie soll unabhängig leben, und noch so viel übrig behalten, ihren wohltätigen Hang zu befriedigen. Er blickt um sich und fährt zusammen. Ha! Sie kommen! Beleidigter Stolz, erwache! gekränkte Ehre, schütze mich!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 121.
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Menschenhaß und Reue
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