Der 3. (33.) Kühlpsalm

[106] In vertiffter Betrachtung des schlaffenden, aufstehenden, betenden und gekrönten Kotterischen Friderichs und Salomons; zu Lesbos, da Paulus auf seiner letzten Reise nach Jerusalem angeschiffet, gegen Pergamus über, gesungen den 30. Aug. 1678.


1.

Auf Friderich! Auf, Auf! Dein Schlaf ist hinn!

Erwache nun! Di Nacht ist weggestrichen!

Der Ferdinand war blind, itz ohne sinn!

Er meint und meint, du seiest gar erblichen.

Di Jungfrau nimmt dich an aufs neu,

Zeigt durch ihr Kind di erste Treu:

Si sigelt auf, was si dir gab verborgen,

Und trägt das Buch nach Mitternacht vom Morgen.

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.


2.

Wi aber? Ach! Erwachstdu so betrübt!

Du stehest auf im rechtelendem stande!

Beflort! Verschwärtzt! weil trauer dich umgibt!

Du fürchtest noch wohl etwas schwerer bande!

Was ist di ungewohnte Klag?

Du merkest Prag noch ausser Prag.

Ach wilstdu dich zum schlaffen ferner legen,

Weil noch zu früh Win, Rom, Madril zufegen![106]

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.


3.

Auf, Auf, Vernihm! Vernihm der Engel stimm!

Selbst Michael sol dir zur hülfe kommen.

Was achtestdu des Ferdinandes grimm?

Sein Prahlen ist schon halb und halb verglommen.

Schau wi dein Kleid sich herrlich weisst,

Im blaustem Blaue zirlich gleisst!

Schau wi di Drei sich röthenweissenblauen!

Wi wolte dir, wi vor, noch länger grauen?

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.


4.

Was bebstu? Ach! Hat dich so hoch geschrekkt,

Das sibenmahl di drei Trompeter blasen?

O jauchtze, das dich Weis und Blaues dekkt,

Gebis und Ring in Ferdinandes nasen!

Das sich verleuhrt der Stacheldorn,

Und widerwächst dein güldnes hörn!

Der grosse Löw hat sich, nicht dich, zerbrochen:

Von Ost und Nord wird Warheit ernst gerochen.

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.


5.

Di Elle wird, di dich abmas, verbrennt!

Wohl ist dein Knin! Wohl ist dein feurig Beten!

Gottlob, di Zeit ist an ihr Zil gerennt!

Das Wesen wil vollkommentlich eintreten.

Di Ellenasch ist rein als gold:

Was vor verhasst, erlangt nun hold.

Was unrein, ist im Wesensfeuer bliben:

Nun lernt der Kreis, was Gottes Geist getriben.

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.


6.

O grosser glantz! Wi herrlich ist dein thron?

Ligt Ferdinand, der stoltze, dir zun fassen?

Ost, Sud, West, Nord di reichen ihre Krön,[107]

Als Christo si sich endlich beugen müssen.

Du bist zum Christenprintz erwehlt:

Dir wird das fünffte Reich vermählt,

Wi Böhmen vor, nach Gottes heilgem Willen,

Der Heilgen Reich, das alles kan erfüllen.

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.


7.

Auf Friderich! Frohlokke Gott zur ehr!

Stimm herrlichst, stimm di schönsten Dankungspsalmen!

Dein kleines kreutz erhöht dich übersehr:

Jehovah wil dich hir und dort bepalmen.

Nihm alles Kreutz zum Christgeschenk,

Der Gottesgnaden eingedenk:

Fahr ernstig fort, was göttlich fortzustellen,

Bis Gottes Werk könn aller zung erhellen.

Auf Friderich! Steh auf von Schlaf und Erd!

Der Tag bricht an, das dir dein Reich einst werd.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 106-108.
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