Der 9. (84.) Kühlpsalm

[136] Als er im Genffischem teutschem Predigerhause, nach sibenmonatlicher unsträfflicher beiwohnung, den 25 Julius gegen alles Völkerrecht unverhöhrt offentlich wegen seines Gefehrten beraubet, den 28 Jul. verarrestiret, von 2 Syndicen und 2 andern Ratsdeputirten geexaminiret und darauf vom Rath frei erklähret; den 29 und 30 Jul. von Welt und Geistlichen gecomplementiret; den 31 Jul. aufs neu durch Poliers teuflereien zur ewigen Genfferschmach verarrestiret; im eifer gesungen unter solchen APAPischwölfischen Calvinussereien, nach dem leibe im falschjerusalemischem Pristerhause zu Genff, aber nach der Geistjerusalemschen Reise zu Neapolis in Italien und bei Messina in Sicilien den 1 und 8 Aug. 1682. darauf das urtheil über das gantze Calvinusthum in Frankreich, Engelland, Teutschland, mit des Königs Fridriches leiblichen Hauses vilbedeutendem fall erfolget.


1.

Jehovah, auf! Erschrekke dis Geschlecht!

Beschütze mich, als deinen Knecht mit Recht!

Si haben dich und mich so hoch verletzt.

Natur und Schrifft aus ihrem geist gesätzt:

Der Satan hat auf mich si angehetzt.


2.

Gib feuer ab wi auf Eliens Wort!

Durchdonner neu, wi Gilgaln, disen Ort!

Las sehen si, was Moses krafft vermag,

Wann angezündt in ihrem Volk di Plag!

Es schall hivon in aller Welt di Sag.


3.

Ihr Tempell fall in deinem Utrechtsgrimm!

Ihr Erdreich beb ob deiner Donnerstimm!

Ihr hertze schmeltz in furchterhitzter qual![136]

Dein Lichtstrahl werd ein lauter schrekkungsstrahl,

Bis man ersink ins Jesus Wundenmahl.


4.

Entkleide si von ihrem Christenkleid!

Dein WEISBLAU sei ihr gröstes hertzeleid!

Ihr Rath und stadt sei selbst verarrestirt!

Ihr speis und trank verbittert zugeführt,

Bis man erkenn, das du mich gantz regirt.


5.

Ihr schlüssel sei in ihrer Feinde hand!

Ihr Adler flüg entflügelt aus dem land!

Beraube si, als wi si mich beraubt!

Anschnaube si, wi si mich angeschnaubt!

Ihr glaube sei vor aller Welt entglaubt.


6.

Auf, läutre si als wi das feinste gold,

Bis das Calvin der sibnen schaalen hold!

Wann aufgebrennt ihr bitter Wermuttstrauch,

Und gantz hinweg der scharffe Wehmuttsrauch,

So schmükke si dein güldnes Blauweis auch.


7.

Dann überwind der Glaube di Vernunfft,

Und sei bewährt di Jesuelsche kunfft!

So blüh di Tann mit ihnen ungekränkt!

Der Adler bleib an ihrem leim behenkt!

Der Schlüssel sei mit stetem Recht geschenkt!


Nachklang,

Als eben am 25 Julius, 3 Jahre hernach, der Reformirten Kirchen Figur, Monmuth enthauptet; gantz Genff in allen glidern täglich verrathen, belogen, entkleidet, beraubet, beschämet, eingekerkert, getödtet, und es von tag zu tag in Engelland und Frankreich noch schlimmer ward; beigesätzet dem Genff zum ewigem zeugnisse, zu Amsterdam am 375 tage des Hauses Israel, den 22 Septemb. 1685.


8.

Calvinusvolk! Gott richtet meine sach!

Erlern, erlern mir zugedachtes Ach!

Wi schrekklichst geht es allenthalben an?

Dein Jacob mus an meinem tage dran!

Du trittest selbst stat MEINER deine bahn.
[137]

9.

Wo sich dein hertz nicht schnell in busse wendt,

So solstdu sehn, das gantz mit Genff geendt!

Mein Kühlmannsthum, durch WEISBLAU vorgebildt,

Geht heimlichst fort, in WEISBLAU gantz durchgüldt:

Christ gibt den Thron, der Pol und Erden füllt.


10.

Höhr Drabitzen, eh dich der grimm zerstreut.

Erwach, erwach! Es ist di höchste zeit!

Wo Ost und Nord vor mich zur rache pfeilt,

So wirstdu hart mit feur und schwerd geheilt:

Das Antirom kommt drauf, wi Rom, geeilt.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 136-138.
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