Der Longobarde

[237] Es flogen drei Schwäne über die Heide,

Drei silberne Schwäne und keiner mehr;

Sie kamen von Morgen und Abend und Mitternacht,

Aber von Mittag kam keiner her.


Ihr Silbergefieder trug rote Rosen

Vom Abendrot in die Nacht hinein;

Wie Sterne schimmerten ihre Schnäbel,

Wie goldene Sterne mit hellem Schein.


Sie sangen drei Lieder über die Heide,

Drei alte Lieder, süß und schwer;

Drei Lieder von Liebe und Mühe und Frieden,

Drei liebe Lieder und keines mehr.


Er stand am Tore und sah in die Heide

Und hatte wieder das fremde Gesicht;

Seine Augen flogen hinunter zum Süden,

Und was sie sahen, er kannte es nicht.
[237]

Er sah das Meer und die weißen Städte

Und schwarzes Volk, gering und gemein;

Er sah es unter dem Schwerte sich ducken,

Und das Schwert war rot und das Schwert war sein.


Er sah seine Faust das Szepter halten,

Die Faust, gewohnt des Pfluges Sterz;

Heiß quoll es ihm in die blauen Augen,

Unruhig schlug sein junges Herz.


Es kam ein Adler von Mittag geflogen,

Ein goldener Adler und keiner mehr;

Seine Schwingen zerschnitten die Abendwolken,

Sein Schlachtgesang fuhr vor ihm her.


Es schlugen Flammen aus seinen Augen,

Flammen, wie Rubine so rot;

Seine Krallen schleuderten helle Blitze,

Jeder von ihnen war der Tod.


Es klang sein Mordgeschrei über die Heide,

Der heiße Schrei, der Schrei voll Mut;

Drei süße Schwanenlieder verstummten,

Zum gelben Sand floß rotes Blut.


Er lag ohne Schlaf auf seinem Lager,

Sein Herz war matt, seine Seele krank;

Das Morgenrot stieg über die Heide,

Ein Adlerruf aus der Ferne klang.


Er riß das Schwert vom Hirschhornhaken

Und gürtete sich mit hastiger Hand;

Es rief sein Horn in die Nebelheide,

Laut klang es über das stille Land.


Im Frühlicht blitzten die blanken Speere,

Der Adler flog vor dem Volke her;

Ein Siegeslustlied sang er den Männern,

Die silbernen Schwäne sangen nicht mehr.

Quelle:
Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 237-238.
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