Das Pferd und der Esel

[119] Man muß einander helfen in der Welt;

Denn, stirbt dein Nachbar, kann es leicht geschehen,

Daß seine Last auf deinen Rücken fällt.


Ein Esel mußte einst mit einem Pferde gehen,

Das nichts als nur sein leichtes Zaumzeug trug;

Der Esel aber war bepackt genug.

So wandte er sich an das Pferd mit Flehen:

»Hilf mir ein wenig, oder ich muß sterben!

Was ich erbitte, ist für dich nicht viel,

Die Hälfte meiner Last ist dir nur Spiel,

Und großen Dank wirst du erwerben.«

Das Pferd schlug's ab und wollte nichts mehr hören.

Doch als der Esel fiel, was half ihm da sein Wehren?

Es mußte mit des Esels voller Last sich plagen

Und obendrein des Esels Haut noch tragen.

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 119-120.
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