Der Fuhrmann mit dem steckengebliebenen Wagen

[121] Ein Fuhrmann blieb mit seinem Wagen

Voll Heu im tiefen Schlamm des schlechten Weges stecken

Und wollte fast verzagen,

Da rings kein Helfer zu entdecken.

Es war in der Bretagne Unterland

In einem Strich, der Quimper-Corentin genannt,

Und jeder weiß wohl gut,

Daß dorthin das Geschick

Nur Leute schickt, um sie in Wut

Zu bringen. Himmel, schütze uns vor dieser Reise!

Doch kommen wir auf unsern Kärrner nun zurück.

Er steht und schimpft und flucht so recht nach Fuhrmannsweise,

Verwünscht das Loch, wo er hineingeraten,

Den Wagen, seine Pferde und sich selbst sogar,

Und schließlich fleht er zu dem Gotte, dessen Taten

Berühmt sind auf dem weiten Erdenkreise.

»Herkules,« ruft er, »ist es wahr,

Daß einst dein Rücken

Die ganze Himmelswölbung trug,

So wird es deinem kleinen Finger glücken,

Mich hier herauszuziehn mit einem Zug.«

Da tönt es fern vom Himmel her:

»Herkules will, daß man sich selber rühre,

Dann steht er bei. Sieh hin und spüre

Dem Hemmnis nach, das dich gestört so sehr.

Entferne um die Räder doch den Lehm, der schwer

Die Speichen drückt. Zerhaue jetzt die Steine hier,

Die hindernd liegen in der Bahn.[122]

Nun fülle dies Geleise aus. – Hast du's getan?«

»Ja,« sprach der Mann. – »Nun gut, so helf ich weiter dir,«

Rief's droben her, »die Peitsche jetzt!« – »Die haben wir.

Ja, was ist das? Schon sind wir flott!

Gelobt sei Herkules!« – Da tönt's aus Wolkenpracht:

»Du siehst, wie leicht die Pferde alles gutgemacht.«


Hilf selber dir, so hilft dir Gott.

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 121-123.
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