Der Holzsammler und der Tod

[17] Ein armer Greis, der aus dem Wald

Mit einem Reisigbündel kam

Und müd den Weg nach Hause nahm,

Macht bald, erlahmt, am Wege halt.

Ihn drückt die Last der Jahre schwer,

Und auch die Last auf seinem Rücken

Scheint heute mächtig ihn zu drücken.

Er stellt sie ab, er kann nicht mehr!

Wie plagt ihn doch das Leben sehr,

Wie wenig Freude hat für ihn die Welt!

Ist einer auf dem Erdenrund, der mehr

An Sorgen hat und weniger an Geld?

Kein Brot, doch Weib und Kind und Steuerzahlen,

Die Gläubiger, dazu die harte Fron;

Viel Arbeit und geringer Lohn –

Wer kann ein schwärzer Bild sich malen?

Er ruft den Tod. – Der eilt sofort herbei

Und fragt ihn, was er wolle.

Der andre bittet, daß er ihm behilflich sei,

Ihm aufzuladen seine Reisigrolle.


Der Tod kommt schnell, um uns zu heilen,

Doch lassen wir's nur, wie es ist!

Zum Sterben mag sich keiner eilen,

Viel lieber plagt er sich noch eine Frist.

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 17-18.
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