Acht und vierzigster Brief

[323] Wie froh, meine Mariane, bin ich, über mein fühlendes Herz, das mich einen so wahren Antheil an den Leiden und Freuden meiner Nebenmenschen nehmen läßt! Und wie glücklich bin ich, während meinem Aufenthalte in dieser Stadt, wo mir so viele Gegenstände vorkommen, die meine Empfindungen in einer immer gleich starken und gleich reinen Bewegung erhalten! Sie wissen, daß ich mißvergnügt war, nach den vier ersten Prunktagen von Juliens Hochzeit nur Einen zu rasten, und den sechsten schon wieder zu einem Gastmahl und Tanz aufs Land zu reisen! Aber wie reichlich wurde ich schadlos gehalten! Nicht durch das Lachen der muntern Freude, oder durch das abwesende Bild von jetzigen und künftigen glücklichen Tagen, welche dieses Bündniß bezeichnen; nein, es war durch die süssen Thränen, der innigsten, tiefsten Rührung der Seele, bey der ich die Güte der Vorsicht aufs Neue erkannte, da sie jedem Gegenstande des Vergnügens eine unendliche[323] Mannigfaltigkeit gegeben hat. Wir waren nach dem Mittagsessen in den Baumgarten gegangen, in welchem, nach hiesiger Gewohnheit, eine Anzahl Bäume entweder einen runden ovalen, oder viereckigten Platz ausmachen, den man den Baumsaal nennt. Der Boden wird mit der äußersten Sorgfalt eben gehalten, und das Gras kurz geschnitten und gestampft. Zwischen zwey Bäumen eine Bank für vier Personen, dann zwey Bäume, etwas näher zusammen gesetzt, frey gelassen, weil man da in die Obstgänge spatzieren kann. Dann wechselsweise wieder Bänke und frey um den ganzen Saal; ausgenommen den Eingang, der ganz offen ist. Hier werden, während der Blüthe, und dann auch im Herbst, wenn das reife Obst an den Bäumen hängt, Tänze gehalten; mit dem einzigen Unterschiede, daß im Frühjahr jedes Mädchen und jeder junge Mann einen Strauß von Blüthe auf ihren Hüten träget, im Herbst aber so viel schöne Handkörbe beygebracht werden, als junge Leute da sind, die erst, so viel sie wollen, unter den vollen Zweigen tanzen, und dann jeder seinen Korb mit den schönsten Früchten zu füllen suchen; wo die jungen Mannsleute[324] selbst auf die Bäume steigen und für sich und ihre Tänzerinn dabey sorgen. Diese Körbe werden dann mitten in den Baumsaal gestellt, und ein Reihentanz darum gehalten. Auch, wann Mädchen dabey sind, die eine artige Stimme haben, Lieder dazu gesungen. Die ganze Obstlese aber wird erst den zweyten Tag hernach gemacht. Diese Gewohnheit gefällt mir ungemein! Es ist so viel Wahrheit und Einfalt der alten Zeit, mit Zierlichkeit und Kunst der Neuern verbunden! Jedes Alter hat seinen Antheil daran. Bey den ersten Tänzen sehen die Väter und Mütter zu; in die Reihen mischen sie sich öfters, und diese werden von den kleinern Kindern um ihre Körbgen auf der andern Seite auch gehüpft; so, wie auf einer dritten, bey der nemlichen Musik, auch Mägde und Bediente im Kreis lustig herum springen. Madame G** gab dieses Fest in dem schönen Baumgarten, den sie von ihrer Familie erbte, und ihn, wie sie sagt, wegen des grünen Saals, so lange sie lebt, behalten wird, weil sie sich darinn der süssesten Tage ihrer Kindheit und erwachsenen Jahre erinnert. Mir wird dieser Baumsaal auch unvergeßlich bleiben. Denn, als wir[325] eine Zeitlang Englisch getanzt hatten, so hieß es auf Einmal: Herr Kahn und seine Frau wären von ihrem Landguth herüber gekommen, um dem jungen Paare ihre Glückwünsche abzustatten. Ort und seine Julie liefen ihnen mit Eile entgegen. Wir waren alle stille, und ich bemerkte in Stellung und Mienen der meisten Anwesenden einen Ausdruck von Achtsamkeit des Herzens, wenn ich so sagen darf, und ein festes Blicken nach dem Eingange des Gartens. Man stellte sich auch in eine Art von sanfter Ordnung; so, wie etwas dergleichen zu geschehen pflegt, wenn in einer Gesellschaft eine Person von höherm Range angemeldet und erwartet wird; ausgenommen, daß hier keiner von den Seitenblicken, oder etwas von dem leisen Zischeln erschien, welche sich meistens bey der Ankunft eines unerwarteten, oder ungebetenen Gastes bey einem Theil der Versammlung zeigt. Madame G**, als Hauswirthinn, war ihnen auch entgegen gegangen, und ich konnte also niemand um den Aufschluß dieses kleinen Räthsels fragen. Endlich kamen sie, und mein staunendes Umgucken nahm zu. – Möchte ich nur, meine Mariane, den Eindruck ihrer[326] Figuren, wie sie von Ferne waren, und den, welche die moralische Stimmung ihrer Seele, bey ihrer Annäherung in ihren Gesichtern zeigte, recht beschreiben können! Ottens und Juliens schöne Personen kennen Sie schon. Diese waren, als Neuvermählte, mit den bunten Farben des Glücks und der Freude bekleidet. Herr Kahn, ein schöner junger Mann von vier und zwanzig Jahren, in einem hellgrauen seidenen Herbstzeug, mit silbernen Quastenknöpfen, sehr nett und zierlich angezogen; seine sehr edelgebildete Frau ganz weiß gekleidet, mit violetten Schleifen um den Hals, die Brüst, Arme und den Strohhuth, welches ihrer zärtlichen Gesichstfarbe und der süssen, ruhigen Traurigkeit, die in ihren Zügen lag, ganz reizend stund. Er hing am rechten Arm von Otten, und hielt mit seiner abhängenden rechten Hand seiner eigenen Frau ihre Linke, die sich mit dem rechten Arme an Julien anschloß. Gang und Haltung von allen war schön und edel! Wahre Freundschaft und Vergnügen, sich zu sehen, bey der Hand zu halten, war in jedem Gesichte. In Otten Spuren von Trunkenheit neu gefühlten Glücks; in seiner Julie, mit bescheidenem[327] Stolz, die Idee: Ich bin Ottens geliebte Gattinn! ich! und dabey noch der sorgsame Putz, immer gleich stark zu gefallen. Herr Kayn und sie, den ruhigen Ausdruck schon einige Jahre gewohnter Zufriedenheit. In ihm beobachtete ich etwas Wankendes der Schritte, und zu stark niederhängenden Kopf, mit beynah geschlossenen Augen. Frau Kahn machte uns allen eine sehr artige Verbeugung. Ort und Julie hatten beyde frey gelassen, und so bückte er sich auch. Jure besten Bekannten drangen sich um sie, und bewillkommten beyde. Ich sah sie erst wieder, da sie saßen, Otte vor ihnen stund und mit beyden ernstlich redete. Ich wandte mich zu Madame G**, die ich nach dem Zuge von Sonderbaren fragte, der seit der Ankunft dieser zwey Personen durch alles erschien? Sie antwortete: »Ich glaube es, gute Rosalia, daß Sie nicht wissen, was wir alle wollen! Mein Vetter soll es ihnen erzählen!« –

Ott kam eben auf uns zu. Sie sagte ihm meine Neugierde, und er versicherte, daß er mich gesucht hätte, um mir seine Freunde Kayn bekannt zu machen. Ich sagte ihm kurz alle meine gehabte Ideen. Er lächelte[328] etwas. »Wie schön mahlen Sie, meine Freundinn, und wie leid ist mirs, daß mein Kahn Ihre Physiognomie nicht sehen kann; denn, Rosalia, der edle, liebe Mann, ist blind!«

Ein tiefer Schmerz durchdrang mich, um so mehr, als ich von dem Platze, wo ich mit Otten redte, Kahn und seine Frau sehen konnte. »O, wie unglücklich ist das! Aber, wie kam es?«

»Aus einer elenden Ursache, Rosalia! Er war sechszehn Jahre alt, und wollte Abends seine Strumpfbänder losmachen, wurde über einen Knoten ungeduldig; will ihn mit einem spitzen Federmesser entzwey schneiden; dieses glitscht aus und gerade in ein Auge, das den Moment verlohren war, und die gewaltsame Vermundung, die schmerzhafte langsame Kur des einen Auges, hat die gänzliche Schwächung des andern nach sich gezogen.« –

Ich hatte meine Augen voll Thränen der Wehmuth, und Ott fuhr fort: »Glücklicher Weise ist, er Sohn des reichsten Hauses in unserer Grgend. Sein Vater suchte junge Leute aus, die ihm nach seiner Genesung vorlesen, Musik machen, und Gesellschaft[329] halten mußten. Er hat große Kenntnisse in allen Theilen der Philosophie und Historie, Sprachen, Poesie und Musik. Auf dem Clavier phantasirt er ganz ausnehmend, aber durch sehr melancholische Gänge und Auflösungen, weil er es am meisten in der Zeit übte, da nach der Heilung des verwundeten Auges ihm die Aerzte zugleich den gänzlichen Verlust des andern anzeigten. Auf dessen Erhaltung er immer gehoft, und sich über alle Schmerzen des erstern getröstet hatte! Nach der Zeit mengte sich Ausdruck der Zärtlichkeit darunter, als er lang Wünsche nach seiner Geliebten aus Bescheidenheit in sich verbarg. Sein Vater war drey Jahre abwesend. Erst nach dessen Zurückkunft eröfnete er der väterlichen Liebe sein Anliegen, und erst dann auch fragte er, ob die zwote Tochter des Herrn Puntig noch lebe und unverheyrathet sey? Die Versicherung über beydes war in vier Jahren der erste Augenblick Freude, die in sein Herz kam. Er hatte sie nur wenige Zeit vor seinem Unglück kennen gelernt, und durch sie das Erstemal Liebe gefühlt. Ihre Gestalt war in seiner Seele geblieben. Die Idee ihres ganzen[330] Geschlechts war für ihn allein mit ihrem Bilde verbunden. Jede poetische, oder mahlerische, und bildhauerische Beschreibung einer weiblichen Figur, war, in seinem Geiste, Lioba Puntig. Sein Vater willigte gleich in seine Wünsche, und versprach, das Mädchen so reich zu machen, daß sie sich sehr glücklich achten solle, seine Frau zu werden. Aber, mein guter Kahn wollte das nicht. Er wollte Liebe. Ich war damals von meinen Reisen zurück gekommen, und brachte alle Abende bey ihm zu. Denn wir waren von der Schule an Freunde gewesen. Ich gab mir alle Mühe, ihm einige Stunden zu versüssen; fand ihn aber meist tiefsinnig und traurig; doch war ihm meine Gesellschaft, wie er sagte, die liebste. Wie oft verließ ich ihn mit äußerstem Kummer! Wenn er mich mit Thränen und Seufzen umarmte, eine meiner Hände an seine Brust drückte, oder küßte, und dennoch niemals von seinem innern Weh mit mir sprach. Aber, nach der Unterredung mit seinem Vater, ließ er mich rufen, und fing an, mir für all meine Neigung und Güte für ihn zu danken. Er entschuldigte sein bisheriges Stillschweigen;[331] erzählte die Ursache, ohne seine Lioba zu nennen, und da er mir den Vorsatz seines Vaters bekannt machte, setzte er hinzu: er wisse, daß sein großes Vermögen ihm leicht eine Gattinn schaffen könnte, die ihre Eltern dazu verbinden, oder sein Gold locken würde. ›Aber, mein Herz will Liebe! Ach so viel, wie Du mich liebst,‹ sagte er; ›Du opferst mir so viele Monate, alle muntre Abendgesellschaften auf; Dein edles Herz nähert sich im Wohlthun, das Du mir beweisest; sag' mir, ich bitte Dich! liebest Du ein Mädchen in unserer Stadt? O, sag' mirs redlich!‹ – Seine Hand und seine Lippen bebten, als er mir diese Frage that, die allein aus der Sorge kam, daß ich ein Auge auf Lioba hätte. Ich versicherte ihn feyerlich, nein! Er umarmte mich: ›O, so stören meine Wünsche Dein Glück nicht, und Du bist den meinigen nicht hinderlich! Kennest Du Lioba Puntia?‹ ›Ja, aber nicht viel, denn sie soll melancholisch seyn, und läßt sich dahero nicht viel sehen.‹ ›Ach Gott‹, sagte er, ›vielleicht liebt sie einen Abwesenden, oder Untreuen! und doch kann ich nur mit ihr, nur durch sie glücklich[332] seyn!‹ – Er jammerte mich ungemein! Ich bat ihn, sich zu beruhigen, ich würde suchen, alles zu erfahren, was sie anginge. Er wollte, daß es noch den nemlichen Tag seyn mögte, weil er fürchte, sein Vater spräche morgen den ihrigen. Ihre jüngere Schwester ist an einen meiner Bekannten verheyrathet, und sie wohnen in Herrn Puntig Hause. Ich dachte gleich, ein melancholisches Herz hat allezeit was Edles in sich; und dann muß es das Mädchen freuen, daß sie von allen Gegenständen der sichtbaren Welt, und von ihrem ganzen Geschlechte, das Einzige ist, so in seiner Seele haften blieb, und Idee und Wunsch von Glück für ihn war. Ich redte gerad mit ihr. Ich nahm die Zeit, da ihre Schwester und Schwager ausgegangen waren. Schenkte der Jungenmagd ein schön Stück Geld, sie sollte die Lioba herauf bringen. Sie kam hastig, weil ihr das Mädchen gesagt es fehle dem Kinde ihrer Schwester Etwas! Sie erschrack, als sie mich im Wohnzimmer sah, und wollte gleich ins andre gehen. Das Mädchen sagte ihr aber, es wäre Nichts, als daß ich mit ihr sprechen wollte. Sie stutzte sehr und[333] war unwillig, daß das Mädchen sie mit dem Uebelseyn des Kindes erschreckt hätte! Ich war da zu ihr getreten, und faßte sie bey der Hand, weil sie wieder zu der Thüre hinaus wollte. Ich sagte: ›Es ist wahr, dem Kinde fehlt nichts; aber ich habe einen unglücklichen Freund. dem Ihr gütiges, mitleidiges Herz Trost geben könnte!‹ – Sie erröthete, und wollte ihre Hand wegziehen. ›Ein unglücklicher Freund von Ihnen, und ich? Herr Ott, was wollen Sie damit?‹ – ›Mein Freund Kahn ist gewiß unglücklich, und er möchte wissen, ob Lioba Puntig Mitleiden mit ihm hat?‹ – Hier fing sie an zu zittern und zu wanken. ›Herr Ott! Herr Ott!‹ stotterte sie. Sah mich starr an, und den Augenblick weinte sie heftig. Ich führte sie zu einem Stuhle und küßte ihre beyden Hände, ihr Schnupftuch und ihre Thränen. ›Tausend, tausend Dank, liebe Mademoiselle Puntig, für diese aufrichtige Bewegung Ihrer Seele! Es ist das Glück meines Kahns! Er liebt Sie, er betet Sie an; Sie, Ihre Liebe allein können sein Leben versüssen!‹ – Sie wandte sich um, lehnte ihren Kopf, mit dem Schnupftuch[334] vor den Augen auf den Stuhl, und hielt mit der andern zitternden Hand die meinige fest. Nun erzählte ich ihr kurz alles, was meinen Freund anging. Sie weinte stark, aber sanft. Endlich trocknete sie ihre Augen und suchte was in ihrem Schubsack; es war ein kleines Calenderchen von vier Jahren her, auf dessen vordersten weißen Blättchen ihr Name ausgeschnitten war. ›Da sagen Sie Herr Kahn, dies wäre das einzige und erste Kennzeichen seiner Freundschaft für mich gewesen, und ich hätte es mit zärtlicher Liebe bewahrt, und seit dem Leiden seiner Augen ist kein Tag vorbey gegangen, wo ich es nicht mit meinen Thränen benetzte! Wenn die reinste, innigste Liebe und Bedauren sein Glück machen kann: so wird er es in diesem Herzen finden.‹ – Hier wies sie auf ihre Brust. Und nach einigen Minuten sagte sie: ›Herr Ott! Sie haben mich überrascht; ich sah auf einmal alle meine Geheimnisse und mein Wohl in Ihren Händen! Ich bin aufrichtig, ich konnte mich nicht verbergen; ich überlasse Ihnen alles.‹ Ich eilte zu Kahn, den ich mit dem Fieber des Verlangens auf seinem Bette antraf.[335] Der gute Mensch wußte sich nicht zu fassen, und brachte seinen Vater noch des Abends zu Herrn Puntig. Ich führte ihn zu Lioba ins Nebenzimmer. Er konnte nicht reden. Sie eilte zu ihm: ›Ach Kahn! mein werther Kahn!‹ – und hier hatte sie seine beyde Hände an ihre Brust gedrückt, ihre zärtliche Blicke auf die geschlossenen Augen von Kahn geheftet; ein Strom von Thränen floß auf seine Hände. Er sank auf seine Knie: ›O, Gott sey Dank, diese Thränen sind Liebe!‹ Er küßte sie von seinen Händen weg. Lioba kniete hin bey ihm. Ich ging und sah noch an der Thür, daß sie seinen Kopf an ihr Herz drückte, während ihr schönes Auge bittend gen Himmel erhoben war. Nach einer guten Stunde kamen die Eltern und gaben Willen und Segen zu dem Bündniß. Von da an ist mein Freund ruhig, freudig und gesund. Sein Umgang und Unterredungen munter und voll Scharfsinn. Sie sollen mit uns, wenn wir Sie besuchen; und, gewiß, Ihr Geist und Herz werden sehr zufrieden seyn! Es ist unmöglich, ein vollkommners Bild wahrer Liebe und reiner Zufriedenheit zu sehen,[336] als Kahn und Lioba! Alle Welt schätzt sie hoch, und ihr Landhaus ist der Wohnsitz jeder edlen Anmuth des Lebens.«

Ich weiß nicht, Mariane, was diese Erzählung auf Sie wirkt; aber ich war in süsser Wehmuth zerflossen. Wir kehrten langsam zurück, und fanden den vortreflichen jungen Mann, mit der Flöte in der Hand die Musik zu den Tänzen accompagniren. Bey den Reihen um die Obstkörbe schloß er sich mit an. Seine zärtliche Lioba tanzte mit. Ott hatte mich ihr als die beste Freundinn seiner Julie vorgestellt, und beyden versprochen, daß sie mich in Kahnberg kennen und lieben würden.

Herr Kahn horcht sehr genau auf den Ton der Stimme. Es dünkte mich auch, daß er nach dem Lobe, so Ott von mir machte, mich ganz besonders belauschte, und sie hingegen auf meine Miene und Wesen Achtung gäbe. Hätten sie nur beyde merken können, wie viel Antheil ich an ihnen nahm! Denn, jedes Gefühl von Vergnügen, das meine Augen, durch die von der Abendsonne vergrößerte[337] Schönheit des Gartens und der Gegend umher genossen, der Anblick lauter frölicher Menschen, führten mich auf die Idee seines Verlustes zurück: und dann sah ich, daß das Auflehnen seines Herzens auf die Liebe seiner Frau, alles, alles für ihn war, und das Glück seiner Empfindungen und Kenntnisse verdoppelte. Ach, wie viel kann ein Mensch für den andern seyn! Und wie viel sind Sie mir![338]

Quelle:
Sophie von La Roche: Rosaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St**. Theil 1–3, Teil 1, Altenburg 1797, S. 323-339.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Klopstock, Friedrich Gottlieb

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon