Abendmahl

[77] Es drängt die gläubig fromme Beterschar

Sich in die weit geöffneten Portale,

Auf Knien zu empfangen am Altar

Aus Priesterhänden die geweihte Schale.


Am Kruzifix die leidende Gestalt

Schwebt milde über ihren Büssermienen:

Doch Leib und Blut, die mystische Gewalt

Von Brot und Wein, ist ohne Macht an ihnen.


Ein glaubenloser Träumer sitzt beim Schein

Der Lampe, sinnend über jener Lehre

Von dem geheimnisvollen Brot und Wein,

Mit dem man Leib und Blut des Herrn verzehre.


Aus aller Inbrunst dunkelster Magie

Taucht sie empor wie eine Zauberweise:

Er hält den Kelch, er bricht das Brot, und sieh:

In seiner Seele göttlich wird die Speise.

Quelle:
Hedwig Lachmann: Gesammelte Gedichte. Potsdam 1919, S. 77-78.
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