Damon ladet seinen Thirsis zu sich ein

Die Stürme legen sich, die Luft wird wärmer,

Die grünen Blätter kleiden schon die Aeste;

Die Luft riecht von der bunten Blüte wieder;

Nun schmückt sich das Jahr.


Die brünstge Nachtigall lockt nun die Gattin,

Der weisse Mondenschein erhellt die Nächte,

Mit weichem Gras bepolstert sich der Rasen,

Und wartet auf dich.


Die Freundschaft und die Tugend, nebst der Dichtkunst

Umfassen sich. In leichten frohen Reihen

Berühren sie das Gras mit leichten Füssen,

Und singen von dir.


Auf grünem Blatt bringt Doris gelbe Butter,

Und schneidet lächelnd Scheiben von dem Schincken.

Zufriedenheit und ungeschminckt Vertrauen

Versüssen die Kost.


Hier, komm und setze dich zu deinem Damon,

Und stimm dein scharffes Spiel etwas herunter.

Bis es in meines klingt, und Doris, singe.

Was fehlet uns denn?
[40]

Die Unschuld bringt in meines Hilas Minen,

Liebkosend einen Strauß von Wiesenblümchen,

Und lallt dir zu. Gefällt dir das mein Thirsis,

So eile zu mir.


Sobald dich Pan von weiten wird erblicken,

Wird er den Faunen und den Nymphen wincken,

Die Zephyrs werden in den Blättern rauschen,

Dich zu begrüssen.


Der Schertz, die Anmuth, üben schon die Flügel,

Und flattern dir auf halbem Weg entgegen,

Und kommen noch einmal so munter wieder

Mit dir zurücke.


Wir sorgen nicht, wer noch wird Kaiser werden;

Ob Franckreich auch im Ernst den Frieden liebe.

Die Ruh, die Dichtkunst, und ein gut Gewissen,

Raubt uns kein Schicksal.


Und würde Mars uns dreye nicht verschonen,

So würde Doris ihren Hilas tragen,

Wir beyde führten sie, und suchten singend

Einsame Wüsten.


Und da bewohnten wir Dianens Grotten,

Und holten frölich Wasser, Holtz und Kräuter.

Entfernt von Lastern, unter deinen Lehren,

Erwüchse mein Kind.


Die Engel würden oft bey deinem Spiele,

In jugendlicher Schönheit, bey uns sichtbar,

Mit ihrer Harf bey unsrer Flöt und Leyer

Den Vater zu loben.


Da sähn wir auch in hundert graden Bäumen

Den eingeschnittnen Namen Doris wachsen;

Das scheuhe Wild, bezähmt durch unser Singen,

Diente uns willig.
[41]

So wohnten in der güldnen Zeit die Dichter,

In heilgen Hainen lehrten sie die Schäfer,

Der weite Wald erklang durch Lieder

Von Gott und Unschuld.


Hier würd uns keine Macht des Todes trennen,

Er fände uns mit fest umschlungnen Armen,

Derselbe Augenblick versetzt uns dreye

In die Oberwelt.


Mit Ehrfurcht würden dann die greisen Hirten

Den Kindern unsers Grabes Hügel zeigen,

Und sagen; daß man da, bey heitern Nächten,

Oft Lieder höre!

Quelle:
Freundschaftliche Lieder von I. J. Pyra und S. G. Lange, Heilbronn 1885, S. 38-42.
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