Zehnter Auftritt

[173] Zweiter Trompetenstoß. Es treten auf die drei Fürsten mit Gefolge, voran der Pfalzgraf.


PFALZGRAF LUDWIG rasch eintretend.

Ist hier Franz selbst?

BALTHASAR ihm schnell entgegen.

Achtung für einen Sterbenden!

PFALZGRAF LUDWIG zurückschreckend.

Ein Sterbender!


Er erblickt Franz und tritt erschüttert einige Schritte zurück. Bewegung unter den Fürsten.


PFALZGRAF LUDWIG nach einer Pause mit bewegter Stimme.

Nie hätte ich geglaubt,

Euch so, Franziskus, einst vor mir zu sehn.

FRANZ.

Nicht, Herr? Ich auch nicht! Wollt Ihr jetzt abschwören,

Nun es geschehn, die Folgen Eures Tuns

Und zu der Frucht ehrgeizigen Verrats

Verleugnend sagen: geh, ich mag dich nicht?

Dem eifersücht'gen Ehrgeiz, der Euch schwellt,

Habt jede Pflicht des Dankes Ihr geopfert,

Verraten Eures Hauses treusten Freund.

So mag an Eurem Hause denn mir einst

Die Rach' erscheinen, und eh' ein Jahrhundert

Dahinzieht, mög' in Kämpfen, die ich jetzt,

Ein furchtbar Erbteil, Deutschland hinterlasse,

Eu'r Erbe, elend, von dem Feind gehetzt,

Wie ich von seinen Freunden all verlassen,

Flüchtig und bettelnd durch die Lande ziehn,[173]

Beschließend Eures Hauses wahren Glanz.

– Es waltet eine Nemesis hienieden,

Auf Euch, Ihr Fürsten, ruf ich sie herab.

PHILIPP VON HESSEN.

Mich kümmert Eure Rechnung nicht mit Ludwig;

Stets war ich Euer Feind, stets wart Ihr's mir.

FRANZ.

Ihr täuscht so wenig des Gewissens Stimme,

Als Ihr der Rachegöttin Auge täuscht.

Seid Ihr nicht, Landgraf Philipp, Luthers Freund?

Und schirmtet dennoch jenen Römling dort?

Und halfet dennoch mich erdrücken, der sich,

Des Luthers stärkste Säule, kühn erhob?

Der Selbstsucht Trieb riß zügellos Euch hin,

Der eigne Vorteil galt Euch mehr, als Euch

Gemeine Sache galt. Drum mögt Ihr selbst

Am eignen Leibe büßend noch erfahren,

Was Ihr getan; in Eures Elends Tiefe

Beweinen einst, daß Ihr den fälltet, den

– Ihr zu ersetzen nimmer habt die Kraft.

RICHARD VON TRIER.

Wißt Ihr nicht auch ein Sprüchelchen für mich?

FRANZ.

Bischof! – mit Euch nicht streite ich. Nicht Worte

Entscheiden hier, und nah und näher rückt

– Ich fühl's am schweren Atmen – mir der Tod.

Doch triumphieret nicht – nicht Euch verbleibt

Der Sieg! Blutig geht auf die Saat – erwacht

Ist in den Völkern des Gewissens Schrei.

Früh oder spät – zum Grablied wird er Euch.


Währenddessen ist Philipp von Rüdesheim eingetreten und hat leise, aber angelegentlich mit Marie und Balthasar gesprochen.


MARIE rasch vortretend.

Ihr Fürsten! Fast durch Himmels Fügung, scheint es,

Hat sich ein frommer Mönch auf dieser Burg

Grad eingefunden. Gönnt Ihr uns, allein

Den Vater hier zu lassen, würde ich

Zur Beichte ihn vielleicht bewegen können.

FRANZ mit schwächer werdender Stimme.

Ich will nicht beichten – habe selber –


Balthasar macht ihm heimlich Zeichen.
[174]

MARIE.

Fürsten!

Der Tochter Bitte neigt er sich vielleicht,

Wenn Eurer Gegenwart Ihr ihn enthebt.

FRANZ ungeduldig.

Ich will nicht – hört Ihr –

PFALZGRAF LUDWIG.

Billig ist, was das Fräulein fordert. Fern

Sei es von uns, durch unsre Gegenwart

Die Aussöhnung mit Gott ihm zu erschweren.

Kommt mit, Ihr Fürsten. Alles folge mir,

Was nicht zu Franz gehört.


Die Fürsten mit ihrem Gefolge ab, ebenso gleichzeitig nach einer andern Seite Balthasar.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 173-175.
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