[151] Gastzimmer einer einsam gelegenen Schenke im Oberland. Es ist spät Abend, das Zimmer finster. Es klopft stark an die Tür.
WIRT im Nebenzimmer.
Gleich, gleich!
Das Pochen wiederholt sich.
Ich komme schon.
Das Pochen wird stärker.
Mit einer Laterne erscheinend.
Ja, ja! Geduld!
Wer pocht denn da so gotteslästerlich?
Er hat inzwischen die Tür erreicht und öffnet sie.
Je nun, für einen, der bei solchem Unwetter
Zu Fuße reist, macht Ihr 'nen Teufelslärm.
JOS FRITZ das Gesicht durch ein großes Pflaster und einen Bart entstellt, schnell eintretend.
Hui!
Er macht dem Wirt mit der Hand ein geheimes Zeichen.
WIRT überrascht.
Was? Einer von der Bruderschaft?
Ja, dann verzeiht!
Er geht an die Tür, um sie wieder zu verschließen. Jos Fritz hat indes einige Schritte nach dem Vordergrund gemacht und Mantel, Pflaster und falschen Bart abgenommen. Er trägt eine etwas phantastische ritterliche Tracht, um den Leib einen Waffengurt mit mehreren Dolchen und ein Schwert.
WIRT zu ihm zurückkehrend.
Wie? Ihr seid es, Jos Fritz?
Willkommen herzlichst! Langt Ihr eben an?
JOS FRITZ seine Sprache ist rasch und etwas abgebrochen.
Kam vor'ge Nacht in dieser Gegend an,
Auf den Gehöften macht' ich heut die Runde.
WIRT.
Wo kommt Ihr her? Wo waret Ihr! Was bringt Ihr
Für Nachricht mit?
JOS FRITZ.
Hoho! Ihr fragt ja wie
Ein Torschreiber und laßt vor lauter Fragen
Zur Antwort keine Zeit. – War lang nicht hier,
Bin weit herum gewesen. Doch dafür
Bring ich Euch auch gewicht'ger Zeitungen
Gar viele mit Alles geht gut. Wohin
Ich kam, in allen deutschen Gauen ist[152]
Der Bau'r bereit zum Werk. Die Schinderei
Die Pfaffen und der Druck der Herren hat
Sein Äußerstes erreicht. Weithin ist alles
Aufs beste vorbereitet. Wenig nur
Ich noch vonnöten und – die Stunde schlägt.
Ein jed' Ereignis, das geeignet scheint,
Kann das Signal zum Losbruch geben. – Doch
Jetzt ist zum Schwatzen keine Zeit. Bald sollt
Ihr Näheres erfahren denn hierher
Beschieden hab ich der Gemeinde Brüder.
Mit jedem Augenblick erwart ich sie.
Drum eilet Euch. Setzt Lichter dort –
Es klopft.
Aha!
Da klopft man schon. Laßt nur, ich selber will
Öffnen, die Losung ihnen abzunehmen.
Macht Eure Sach' indessen, aber setzt
Die Lichter weit zurück, daß sie die Tür
Möglichst im Dunkeln lassen.
Wirt ins Nebenzimmer, von wo er Lichter, Stühle und Becher holt und sie an einen langen Tisch links an der Ecke der Bühne aufstellt.
JOS FRITZ schreitet auf die Tür zu und öffnet sie halb. Wie der Eintretende auf der Schwelle er scheint, redet er ihn an.
Loset, sagt an! Was ist das für ein Wesen!
ERSTER BAUER stehenbleibend.
Wir können vor Pfaffen und Adel nit genesen.
JOS FRITZ.
's ist recht. Kommt näher.
Er schließt die Tür. Zum Bauer, der inzwischen Mantel und breitkrempigen Hut, der sein Gesicht verborgen, abgelegt.
Ah, Hans von der Matten.
Reicht ihm die Hand.
ERSTER BAUER.
Bin ich der erste noch?
JOS FRITZ.
Der erste. Doch
Ihr werdet nicht gar lang zu warten haben.
Macht s Euch bequem.
Man klopft.
Holla!
Er eilt an die Tür um sie zu öffnen wie vorhin.
Loset, sagt an! Was ist das für ein Wesen?[153]
ZWEITER BAUER.
Wir können vor Pfaffen und Adel nit gewesen.
JOS FRITZ.
Gut. Tretet näher.
WIRT der inzwischen Becher und Lichter auf den Tisch gesetzt hat.
So! Nun bin ich fertig,
Und kann Euch ablösen.
Er postiert sich, während sich Jos Fritz in den Vordergrund begibt, an die Tür. Rasch aufeinander kommen mehrere Bauern, denen der Wirt öffnet, auf der Schwelle leise mit ihnen spricht und sie dann hereinläßt. Die Angekommenen setzen sich teils an den Tisch, teils gruppieren sie sich um Jos Fritz und sprechen leise mit ihm.
ZWEITER BAUER zu Jos.
So meint Ihr, daß
Wir auf die Städte rechnen können?
JOS FRITZ.
Hm!
Wie ich Euch sagte, Jäcklein! Überall
Ist uns die untre Bürgerschaft geneigt,
An vielen Orten die Gewerke hold.
Ein andres freilich ist es mit dem Rat,
Der Ehrbarkeit und was da drum und dran hängt.
Stehn wir allein in der Bewegung, werden
Wohl nimmer sie dem Bauer sich vereinen.
– Doch ist es Not, so werden sie geduckt.
DRITTER BAUER hinzutretend.
Ich glaub, wir sind vollzählig jetzt. Ihr könntet
Beginnen, Jos.
JOS FRITZ.
Setzt Euch; nehmt alle Platz.
Sie setzen sich. Jos nimmt den Vorsitz am Kopfe des Tisches ein.
Wir müssen fünfzehn sein. Sind wir beisammen?
DRITTER BAUER.
Den krummen Stephan seh ich nicht.
EIN BAUER.
Hier bin ich ja!
DRITTER BAUER.
So sind wir voll.
VIERTER BAUER.
Fünfzehn.
JOS FRITZ hat gezählt.
Fünfzehn, 's fehlt keiner.
So laßt uns denn beginnen. Doch zuvor
Schließt ab die Tür.
Der Wirt geht zur Tür, schließt sie und kehrt an den Tisch zurück.
Brüder! Versammelt seid Ihr,[154]
Und so Bericht und Rechenschaft von mir,
Wie Anweisung für Euer weitres Tun
Heut zu empfangen. Nah bevor steht uns
Die Stunde, wo –
Man klopft stark an die Tür. Alle horchen mit gespannter Aufmerksamkeit auf.
EINIGE BAUERN.
Es klopft! Wer kann das sein?
WIRT.
Ich öffne nicht.
ANDERE BAUERN schnell.
Gewiß nicht!
ERSTER BAUER.
Doch es könnte
Auffällig sein, wenn Ihr nicht öffnetet.
Es klopft wiederholt.
DRITTER BAUER.
Wie aber, wenn es Späher sind?
JOS FRITZ.
Dann ist's
Erst recht vonnöten, daß er Einlaß gibt.
Mit einer bedeutsamen Pantomime auf seinen Waffengurt schlagend.
Stumm – sichert uns allein des Spähers Mund.
VIERTER BAUER sein Messer heftig ziehend.
Jawohl, Jos Fritz. Und ist's so ein Halunke –
JOS FRITZ heftig.
Steckt Euer Messer ein, Hans Unbedacht
Stets lauft Ihr über!
Das Klopfen wiederholt sich; zu den Bauern.
Nehmt ein harmlos Aussehn an,
Als saßet Ihr gemütlich hier beim Glas.
Zum Wirt.
Ihr aber, öffnet jetzt.
WIRT will gehen.
Wenn Ihr es wollt.
JOS FRITZ.
Halt! Gebt mir Zeit, mich erst noch zu bepflastern.
Er tut Pflaster und falschen Bart wieder an. Der Wirt öffnet.
Ausgewählte Ausgaben von
Franz von Sickingen
|
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro