Zweite Szene.


[103] Gottsched. Frau Gottsched treten sprechend ein. Gellert.


GOTTSCHED schon zu ihr sprechend, während er die Tür öffnet. Es ist damit durchaus nichts auszurichten! Wir sind nur im Vorteil, wenn wir angegriffen werden, – Vorkommend und nur beiläufig zu Gellert. guten Abend, Herr Kollege! Zu ihr weiter. peinige mich nicht länger mit Einwendungen, so nur aus deiner Unkunde entspringen.[103]

FRAU GOTTSCHED Gellert mit der Hand grüßend; zu Gottsched, neben welchem sie vorschreitet. Lieber Himmel, ich brauche ja hierzu gar keiner besonderen Kunde! Ich weiß, was du wert bist, was du giltst in der Welt! Und darauf bin ich stolz, und deshalb find' ich es unter unsrer Würde, daß du mit einer gewissen Zaghaftigkeit verfährst gegen das Kriegsvolk!

GOTTSCHED. Ei Potz tausend! – Kollege Gellert, solch ein Frauenwitz kann einem doch alle Gelassenheit entziehen! Zu ihr. Wodurch bin ich angesehn und mächtig? Durch Kenntnis, durch geistige Schöpfung, durch Haltung, durch Geschmack! Sind dies Waffen auf offnem Markte gegen freche Soldaten? Nein. Was ist also zu tun? Worauf ist mein Absehn zu richten? Auf den richtigen Moment, da meine Waffen wirksam zu machen sind. Dieser Moment der Ruhe wird eintreten, vielleicht schon morgen früh, und dann werd' ich auf dem Platze sein! Er setzt sich in den Lehnstuhl, erschöpft. Hab' ich nicht recht, Gellert? Belehren Sie diese unbegreifliche Frau!

GELLERT. Liebe Freundin, das ist ganz in der Ordnung. Wir schwachen Leute von der Feder können uns nicht anders verhalten. Leise. Sie haben also nichts ausgerichtet mit dem Gange aufs Rathaus?

FRAU GOTTSCHED ebenfalls halblaut. Ach, wir haben gar nichts versucht! Wir sind kaum bis ins Rathaus hineingekommen. Es ist allerdings vollgestopft von Soldaten, und Ein wenig lauter. diese sprachen uns freilich frech zu Ohren und spotteten von gelehrten Perücken, welche ihren Vorwitz teuer bezahlen sollten – Wieder etwas leiser. es wurde mir angst und bange, aber ich bin ja nur ein Frauenzimmer, und mein Mann ist ja doch kein gewöhnlicher Mann, es ist ja Gottsched!

GELLERT halblaut. Liebe Freundin, und wenn er ein Goliath wäre, er hätte nichts ausrichten können! Sie sind also umgekehrt?

FRAU GOTTSCHED. Ja, schon auf dem Vorsaale! Noch leiser. Und haben Sie den Grafen Bolza untergebracht?

GELLERT. Ja doch, leider!

FRAU GOTTSCHED. Sie braver Mann, der auch gegen seine Überzeugung –

GELLERT laut. Ja doch! Und wo ist denn die Frau Gräfin geblieben?[104]

FRAU GOTTSCHED laut. O solch eine Reichsgräfin, Gellert, hat einen Stolz, der uns Bürgerlichen wirklich Ehrfurcht gebietet!

GELLERT. Ah, warum denn?

FRAU GOTTSCHED. Weil dieser Stolz tapfer macht!

GELLERT. Das kommt wohl von der Erziehung. Diese Leute werden in dem Gedanken auferzogen: es habe ihnen niemand zu gebieten.

FRAU GOTTSCHED. Sie rief sich eigenmächtig einen Offizier, nannte ihren Namen und verlangte seine Begleitung. Dann sagte sie zu uns in einem nicht eben verbindlichen Tone: sie dankte für unser weiteres Geleit, und wir möchten nur nach Hause gehen; sie würde allein sprechen mit dem General.

GOTTSCHED. Kollege Gellert! Ich fühle mich körperlich sehr angegriffen. Darf ich Sie wohl um ein Glas Wein bitten? Wenn es ein Glas spanischer Wein sein könnte!

GELLERT für sich. Lieber Gott! Laut. Ja ja, lieber Herr Kollege, ja ja ja! Für sich. Wie mach' ich denn das? Geht etwas nach hinten und bleibt stehen; laut. Spanischen Wein! Liebster Herr Professor! Nehmen Sie's nur nicht übel, in meiner kleinen Wirtschaft ist der Wein leider ein halber Fremdling, und – seien Sie nur nicht böse! spanischen Wein hab' ich eigentlich nicht!

GOTTSCHED. Nun, dann ein Glas andern Wein, lieber Kollege!

GELLERT. Ja? Na schön – Für sich. hab' ich denn auch jetzt etwas Wein?

FRAU GOTTSCHED. Lieber Gott, der arme Gellert hat am Ende gar keinen Wein!

GELLERT. Oh oh oh! Machen Sie mich doch nicht gar so arm! Für sich. Hab' ich denn auch –? richtig! Laut. Richtig! Der gute Graf Moritz Brühl, nicht der Minister, hat mir neulich einen ganzen Korb voll zum Präsent gemacht! Für sich. Ich hab' ihn doch nicht ganz weggegeben? Laut. Gleich! gleich! lieber Kollege! Geht nach links hinten. Ach du lieber Himmel, meine Wirtin wird aber ausgegangen sein, um sich die Soldaten anzusehen – Vorkommend. Seien Sie nur nicht böse über meine armselige Junggesellenwirtschaft. Der alte August, der mir des Morgens die Kleider säubert, sollte eigentlich jetzt gegen Abend nachfragen kommen, ob was zu besorgen sei, und mein Famulus auch – ich werde gleich hinausgehen Feuer zu schlagen und eine Flasche aus dem Keller heraufzuschaffen, gedulden Sie sich nur einen Augenblick! Gehend.[105]

FRAU GOTTSCHED ihm nachgehend. Armer Gellert, ein Glas Wasser tut's auch!

GELLERT. Nicht doch! Nicht doch!

FRAU GOTTSCHED Nicht wahr, Gottsched? Ja freilich!

GELLERT. Aber ich bin ja sehr glücklich, bewirten zu können.

FRAU GOTTSCHED. Bleiben Sie nur da, ich find' schon in der Küche – Nach der Tür.

GELLERT. Aber das kann ich ja nicht zugeben!

FRAU GOTTSCHED. Sie müssen! Geht hinaus.

GELLERT zur Tür hinaussprechend. Rechts in der blauen Lase! 's ist ein frisches gutes Wasser vom Bettelbrunnen! Die gute Frau! Vorkommend. Seien Sie nur ja nicht ungehalten, lieber Herr Professor! Sie sind das ärmliche Wesen nicht so gewohnt wie ich. Mir tut's nichts; mir erleichtert's sogar das Leben, daß ich wenig Bedürfnisse habe, und glauben Sie nur, 's hat auch sein Gutes, wenig Bedürfnisse zu haben. Wenn man nicht selber arm ist, so denkt man nicht leicht an Hilfe für die Armen.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 103-106.
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