Dritte Szene.


[106] Cato. Wilhelmine – bald darauf Frau Gottsched. Die Vorigen.


CATO. Verehrter Herr Professor, auch Komtesse Wilhelmine sucht Ihren Schutz und Ihre Hilfe.

WILHELMINE ebenfalls zu Gellert. Sprechen Sie für uns bei meiner Mutter! Was ich Ihnen heut' morgen geschrieben –

GOTTSCHED aufstehend, leise. Dem hat sie auch geschrieben?!

WILHELMINE. Das ist hier plötzlich zur unmittelbaren Gefahr für mich geworden durch die Anwesenheit des Grafen Bolza!

GELLERT. Was Sie mir geschrieben? Kinder, ihr traut mir am Ende gar Allwissenheit und Allmächtigkeit zu!

WILHELMINE. Sprich du, Fritz.

GELLERT leise. Fritz?!

GOTTSCHED leise. Fritz?!

WILHELMINE. Ich bin von all' den Aufregungen so erschüttert, daß ich mich kaum noch aufrecht erhalten kann.

CATO. Fasse dich, Wilhelmine! Sie schützend. Gestatten Sie Zu Gellert. dem erschöpften Kinde Ihr Sofa zum Ausruhen![106]

GELLERT. Mein Sofa? Ja, lieber Freund, wenn ich nur – Für sich. heut' fehlt mir aber auch alles!

GOTTSCHED. Hier ist ein Lehnstuhl für die Komtesse!

WILHELMINE. Ach der!

CATO. Herr Gottsched! Führt sie hin.

GOTTSCHED. Hat sich denn in meinem Hause ein neuer Angriff ereignet?

CATO. Nein, mein Herr.

GELLERT. Nun, von welchen Gefahren spricht denn die Komtesse?

CATO. Hat Sie denn Herr Professor Gottsched nicht unterrichtet?

GOTTSCHED. Ich?

CATO. Er hat ja die Vermittlung übernommen!

GOTTSCHED. Junger Herr, Ihre Rätselhaftigkeit geht ins Weite.

GELLERT. Offen gestanden, all' Ihre abenteuerlichen Mummereien und Anspielungen wollen mir auch nicht recht zusagen!

CATO zu Gellert. Verzeihen Sie, lieber Herr Gellert! Ich werde Ihnen genaue Auskunft geben über alles! Ihr Zutrauen ist mir ein Herzensbedürfnis! Lassen Sie sich nicht einnehmen durch mein Leise. Hanswurstgepäck, welches zu einer Straflektion in Quandts Hofe bestimmt war, wenn uns nicht die Gefahr übereilt hätte; Laut. hier handelt sich's um einen zärtlichen Brief der Komtesse!

GOTTSCHED. In was alles mischen Sie sich, flüchtiger Herr Offizier!

CATO. Flüchtig? Auf dies Beiwort haben Sie hierbei einen gegründeteren Anspruch. Sie sind so flüchtig, Briefe aufzumachen, welche nicht an Sie gerichtet sind. – Sie haben den Brief in der Tasche!

FRAU GOTTSCHED tritt ein.


Es wird allmählich dunkel.


GOTTSCHED hastig in seine Brieftasche greifend und den Brief aus dem ersten Akte herausziehend.

CATO. Ja, da steckt er! – das ist er Während Gottsched die Adresse betrachtet, ihn nehmend. Große Herren denken leicht, es sei alles nur für sie auf der Welt! Gibt Gellert den Brief.

FRAU GOTTSCHED zwischen Cato und Gottsched. Was gibt's denn hier?

CATO. Irrtümliche Galanterie.

FRAU GOTTSCHED. Gottsched? Ihm das Glas Wasser auf einem zinnernen Teller darreichend.

GOTTSCHED für sich, ingrimmig. Das muß anders werden mit mir! – Ich danke für Wasser. Meine Schwäche ist vorüber![107]

CATO zu Gellert, welcher gelesen. Sprechen Sie für uns bei der Frau Gräfin, verehrter Herr!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 106-108.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gottsched und Gellert
Gottsched Und Gellert: Charakter-Lustpiel in Fünf Akten (German Edition)