Erste Szene.


[207] Köller in Tempelherrnmantel gehüllt, mit Tempelherrnmütze bedeckt, steht links am Vorhange unbeweglich. Guldberg als Skalde3 gekleidet, kommt aus des Königs Zimmer und will nach hinten. Köller tritt ihm einen Schritt entgegen.


GULDBERG. Euer Wort?

KÖLLER. Dänemark!

GULDBERG. Seid Ihr's, Oberst?

KÖLLER ein wenig den Mantel zurückschlagend, unter welchem man die gewöhnliche Soldatentracht sieht. Ich bin's.

GULDBERG. Er ist da?

KÖLLER. Er ist da.

GULDBERG. In welcher Maske?

KÖLLER. Als deutscher Herr![207]

GULDBERG. Der freche deutsche Herr!

KÖLLER. Wie steht's?

GULDBERG. Schlecht.

KÖLLER. Ist die Königin nicht dazu gekommen?

GULDBERG. Leider ja! Diese Überspannung des Bogens hat uns den Schuß verdorben! Er war im schönsten Zuge seiner kindischen Herzlichkeit, und als der König bis an die Tür gekommen war, gestand er eben der Gräfin, daß er liebe, eine Minute durfte die Königin noch zögern, so war das ganze Geständnis vor den Ohren des Königs ausgesprochen und sie samt ihm verloren –

KÖLLER. Nun? Er stockte?

GULDBERG. Nein! »Die Frau, welche ich liebe,« rief er, »ist – die Königin.«

KÖLLER. Sprach's also aus!

GULDBERG. Unnütz – wie vom Blitz getroffen trat der König hinaus, und sah, daß die Königin eben eingetreten war, und daß der Zusatz »die Königin« bloß ein Ausruf bei ihrem Erscheinen gewesen war.

KÖLLER. Hat dieser Plebejer Glück!

GULDBERG. Und ist er verwegen! Der König mußte doch wenigstens schwanken, und es galt, ihn vor jeder körperlichen Berührung Struensees zu schützen, da diese so hexenmäßig auf ihn wirkt.

KÖLLER. Auch dies mißlang?

GULDBERG. Auch dies – der deutsche Herr erzwang sie gegen mich mit blankem Degen.

KÖLLER. Neben dem König?!

GULDBERG. Umsonst! Einmal des Königs Hand in seiner, achtete der König auf kein Vergehn, und alles war vergessen.

KÖLLER. Weh uns!

GULDBERG. Jawohl! Doch weh auch ihm! Ich stech' ihn nieder wie ein Tier, wenn er noch einmal im entscheidenden Augenblicke den König berühren will!

KÖLLER. Wie soll aber nun, da der König noch immer für ihn, der entscheidende Augenblick herbeigeführt werden? Meine Vorbereitungen sind alle getroffen; ich kann nicht zurück – jeden Augenblick kann der Kanonenschuß vom Zeughause donnern zum Signale, daß Brandt überwältigt und daß die Notwendigkeit zum[208] Handeln gegen Struensee gekommen ist. Er wird den Schuß hören, und geschieht nichts gegen ihn, so sind wir verloren.

GULDBERG. So ist's.

KÖLLER. Und weiter?

GULDBERG. Weiter nichts.

KÖLLER. Daß Euch die Pest! Ihr steckt bloß in Intrigen, und zieht den Kopf wohl aus der Schlinge, ich aber hab' gehandelt als Soldat und ohne Order, mich kostet's Kopf und Kragen.

GULDBERG. Jawohl! Pause; Köller greift an seinen Degen. Schließt Euren Mantel, man kommt aus der Königin Zimmern! Ranzau kommt aus der Königin Gemächern und geht hinten rechts ab. Wer ist's?

KÖLLER. Weiß ich's!

GULDBERG. Von der Königin kommend! wo ist Ranzau?

KÖLLER. Weiß nicht.

GULDBERG. Gibt's keine Schlacht, und ist Euer Degen so locker, Herr Tempelherr, so zieht ihn doch in einem Korridor gegen den deutschen Herrn, dann ist doch ein Zweck erreicht, und Ihr könnt dem Kriegsgerichte, das Eurer wartet, was Rechtschaffnes erzählen!

KÖLLER. Ove Guldberg!

GULDBERG. Höret ihn. – Der König ward überwältigt, aber er ist nicht mehr für ihn, wenigstens wühlt das Mißtrauen und der Argwohn wie ein Heer von Schlangen in seinem Busen. Er hat den holstein'schen Prediger, Struensees eignen Vetter, rufen lassen. Das Evangelienbuch soll er mitbringen! rief der König. Was er mit ihm vorgenommen, weiß Gott! Ich wußte, daß ich nicht mehr zögern durfte; auch ich habe Kopf und Kragen eingesetzt, und dem Könige rückhaltlos gesprochen von Struensees Liebe zur Königin: er weiß alles, und ich habe die Wahrheit zu verantworten. Hier ist der offne Königsbrief, den Verbrecher vor hochnotpeinliches Gericht zu schleppen; nur der Name des Verbrechers ist noch auszufüllen: er lautet Struensee, wenn es gelingt, was für die nächste Stunde vorbereitet ist, er lautet Guldberg, wenn es mißlingt. Seid Ihr beruhigt?

KÖLLER. Ach was! Ob ich allein oder in Gesellschaft zugrunde gehe, ist Nebensache, was ist vorbereitet?

GULDBERG leise. Der König weiß – Sich umsehend. still! Das ist der deutsche Herr?


Struensee geht hinten nach rechts vorüber.[209]


KÖLLER. 's ist Struensee, der vom Gardensaale kommt, er wird einen neuen Boten ausgeschickt haben, warum Brandt nicht komme!

GULDBERG. Und dieser Bote?

KÖLLER. Wird die alte Antwort bringen: Er solle unbesorgt sein, und den Grafen Brandt unter den Masken suchen. Also! Der König weiß –?

GULDBERG. Der König weiß, in welcher Maskentracht die Königin erscheint; in derselben Tracht erscheint aber auch die Gräfin Gallen. Der König ist streng verlarvt, und Struensee erkennt ihn nicht; auch die Königin kennt ihn nicht, und er wird nicht ein Wort sprechen. Aber er wird hören. Ein gleichgültiger Mann wird Struensee aufmerksam machen, wie die Königin gekleidet sei, damit er sie zeitig entdecke. Daß er sich an sie schließt, daß er spricht, der herzliche Schwätzer, ist vorauszuwissen. Und da die Königin durch die Gräfin doppelt vorhanden ist, so wird er sie überall finden. Das Schweigen der Gräfin aber, das sie bei ihrem Leben gelobt, wird ihn herausfordern zu leidenschaftlichen Worten – ein einziges ist hinreichend, den König zu bestimmen, denn das Maß ist voll. Ich geleite den König und ich leite die Gräfin –

KÖLLER. Und das ist alles? Da habt Ihr recht, es für geraten zu halten, daß ich ihm in einem Korridor mit dem Degen entgegenrenne – gehabt Euch wohl!

GULDBERG. Seid nicht voreilig! Wir haben Zeit bis Mitternacht!

KÖLLER. Jeden Augenblick kann der Kanonenschuß vom Zeughaus dröhnen, und taub ist Struensee nicht. Ich kann auch meine Soldaten nicht stundenlang in den Schloßhöfen stehen lassen, es fällt ununterbrochen Schnee vom Himmel, die Gewehre werden durchnäßt und versagen im entscheidenden Momente!


Die Musik hört auf. Masken drängen sich zahlreich hinten vorüber.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 207-210.
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