Dritte Szene.


[211] Eremit bleibt unverändert stehen. Königin als Undine gekleidet aus ihren Zimmern tretend. Ranzau, in der Vandykstracht rechts von hinten kommend, bald darauf Struensee.


KÖNIGIN entgegenwinkend zu Ranzau. Gibt er nach?

RANZAU. Nein, Majestät. Er will nicht von seinem Platze weichen und jede Gefahr bestehn.

KÖNIGIN. Er hat recht. Verdient Ihr denn auch sein Vertrauen,[211] Graf Ranzau, und – das meinige? Mit unsern Feinden seid Ihr vereinigt gewesen –

RANZAU. Und bin es noch. Ich verrate sie nicht, ich will nicht Struensee, nur Struensees Leben retten.

KÖNIGIN. Ihr sagt, es sei bedroht.

RANZAU. Es ist's.

KÖNIGIN. Ihr übertreibt –

RANZAU. Majestät!

STRUENSEE als deutscher Herr gekleidet von rechts hinten eintretend. Für sich. Die Maske hat recht, sie ist's!

KÖNIGIN die Maske vornehmend. Wer kommt? Dies ist sein Wuchs und Schritt!

RANZAU. Er ist's!

KÖNIGIN. So sprecht zu ihm.

RANZAU die Larve abnehmend. Wir kennen Euch, Struensee! Verliert keinen Augenblick um Maskenspiel, hört mich und folgt mir flugs. Ich gehöre zu Euren Gegnern, aber ich will Euch wohl! Eure Stellung ist bereits so gut wie verloren, und Euer Leben ist bedroht. Vertraut Euch mir an; jetzt noch kann ich Euch aus dem Palaste bringen; sobald das letzte Signal gegeben ist, kann auch ich es nicht mehr. Jenseits der Brücke hält mein Schlitten, er ist bereit, Euch zur Flucht zu dienen; entschließt Euch rasch; vielleicht in wenig Minuten ist es zu spät.

STRUENSEE. Welche Sprache! Aus Furcht vor einer Hofverschwörung soll ich meinen Posten verlassen, die Aufgabe meines Lebens mit dem Rücken ansehn! Und das in vollem Besitze der Macht, des Königs und der Truppen sicher?!

RANZAU. Nicht des einen, noch der andern seid Ihr sicher! Verlangt nicht nähere Angaben von mir! Weil ich Euer Gegner bin, darf ich sie Euch nicht geben, weil ich Euer Gegner bin, durfte ich Euch nicht eher warnen, als bis Euer Leben in Gefahr war. Eure Person ist mir wert, und sie will ich gerettet sehen.

STRUENSEE. Welch ein vortrefflich Spiel! Ihr seid ein Meister der Intrige, Graf von Ranzau.

RANZAU. Struensee!

STRUENSEE. Mit einem Streiche deutscher Gemütlichkeit würdet Ihr solchergestalt mehr ausrichten, als alle Ränke meiner dänischen Feinde vermocht haben! Mich vom Kampfplatze verdrängen ohne[212] Schwertstreich! Oh, Herr Landsmann, dies ist das Äußerste von deutscher Landsmannschaft! Zum Siege geführt hab' ich das deutsche Element in diesem Reiche, und Deutsche, ja fast lauter Deutsche sind's, die aus kleinlicher persönlicher Eifersucht den Sieg zu zerstören suchen! Das ist unsrer deutschen Heimat böser Wurm: jedweder einzelne will höher stehen als der Zweck des Ganzen, und über Hinz und Kunz verschwindet Deutschland!


Er tritt einige Schritte seitwärts und wendet sich ab; kurze Pause.


RANZAU. Weh uns, daß Wahrheit in diesen Worten liegt. Weh dir, Struensee, wenn diese Wahrheit dich jetzt zögern läßt. Höre in mir deinen väterlichen Freund! Hier meine Hand darauf, daß jede Täuschung meiner Seele fremd: das Rohr ist geladen, der Hahn ist gespannt, die Todeswaffe ist auf dich gerichtet, ein Druck des Fingers, und du bist zerschmettert. Folge mir eiligst, sonst ist es zu spät.

STRUENSEE. Wohlan! Ich wäre ein trauriger Schüler Eurer Politik, wenn ich auf solche allgemeine Drohungen hin mein Spiel verloren gäbe und die Flucht ergriffe. Solche Drohungen sollen aber beachtet werden. Graf Ranzau, ich bin erster Minister Dänemarks, und als solcher laß ich Euch und Eure wahrscheinlichen Genossen auf der Stelle verhaften!

KÖNIGIN. Struensee!

RANZAU. Struensee!

STRUENSEE. Ihr kündigt mir selbst an, daß eine Verschwörung gegen mein Leben besteht – ist etwa der Grund nicht hinreichend? Er sei's! Gewalt gegen Tücke! Geht nach hinten.

KÖNIGIN die Maske abnehmend. Struensee, das ist nicht edel! Graf Ranzau hat um Euer Wohl sich ausgesetzt – Struensee bleibt stehn.

RANZAU zur Königin. So muß denn das Ärgste gesagt sein! Höret mich, Majestät! Er tritt einige Schritte vor, die Königin folgt ihm, er redet leise. Ihr seid beim Könige angeklagt, eine sträfliche Neigung Struensees für Euch zu begünstigen –

KÖNIGIN. O Gott!

RANZAU. Der König ist zum Ärgsten entschlossen nicht nur gegen Struensee, auch gegen seine Gemahlin; ein zweideutig Wort genügt, den Entschluß in schreckliche Tat zu verwandeln. Struensee fällt, in seinem Falle entschlüpft ihm sicherlich dies Wort; drum seinet- und Euretwegen muß er von hinnen! Bewirkt es sogleich![213] Ich eile durch Eure Gemächer, mich des einzig noch offnen Ausganges für ihn zu versichern! Sorgt, daß er mir unverweilt folge, sonst ist alles verloren. Er geht.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 211-214.
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