20. Hippolyt an Julia.

[118] Wir sind in einem Hause, und ich muß das tote geschriebene Wort an Sie richten, dem warmen lebendigen gestatten Sie keinen Zugang. Warum verschließen Sie sich in Ihrem Zimmer, warum nehmen Sie mir meinen Tag, das Licht Ihrer Augen? Ist es meine Schuld, daß ich Sie später gesehen als die gute Alberta? Ich habe ein heißes glühendes Herz, mein Fräulein, ich schwöre es Ihnen, ich will, ich werde Ihr kaltes Gemüt erwärmen; nur Ihre Hand reichen Sie mir, durch die Fingerspitzen will ich mein Leben bis zu Ihrem Herzen treiben. Nie habe ich einem Weibe meine Liebe erklärt, Ihnen, Julia, sage ich, daß ich vergehe in Liebessehnsucht nach Dir. Du bist meine Sonne, mein Mond, der ganze gestirnte Himmel meiner Wünsche, meine Erde, meine Welt, meine ganze Hoffnung auf Seligkeit. Antworten Sie mir, meine ganze Seele fleht, antworten Sie mir gütig, öffnen Sie Ihre Zimmer, ich muß Sie sehen, ich verschmachte in dieser Wüste. Ihr Anblick ist mir die erfrischende Quelle; ich renne mir den Kopf ein in dieser Nacht. Sie sind mein Licht, o leuchten Sie mit dem Meere des Lichts in Ihren Augen. Ich zünde das Schloß an, um Sie aus den Flammen zu tragen, Sie in Dampf und Glut zu küssen. – Weib, das mich unterjocht, ich liebe Dich Julia, Du weißt nicht, was das heißt. Antworte mir, erscheine! –

Quelle:
Heinrich Laube: Das junge Europa, in: Heinrich Laubes gesammelte Werke in fünfzig Bänden, 3 Bände, Band 1, Leipzig 1908, S. 118.
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