12. Auftritt

[83] Vorige. Eugen.


EUGEN durch die Mitte. Sie entschundigen, Herr Knapproth zu Hause?

ULRIKE leise zu Ida. Schon wieder einer.

IDA ebenso. Das wird ja unheimlich!

KLAPPROTH entsetzt für sich. Himmlischer Vater, der auch noch! Jetzt habe ich fast die ganze Gesellschaft auf dem Halse. Aber jetzt heißt es, den Kopf nicht verlieren! Tut, als ob er etwas am Boden sucht. Mein Knopf! Donnerwetter, wo ist denn mein Knopf? [83] Eugen kniet sich ebenfalls am Boden hin und suchen helfen. Klapproth tut, als ob er ihn jetzt erst bemerkt. Ach willkommen, junger Freund! Außerordentlich erfreut. Ulrike, Wein und Gläser herbei, aber rasch, wenn ich bitten darf.

EUGEN. Aber Herr Knapproth, ich –

KLAPPROTH. Keinen Widerspruch, edler Othello!

ULRIKE UND IDA verblüfft. Othello?

KLAPPROTH. Und du, Ida, holst aus dem Wohnzimmer drüben die Zigarren.

EUGEN. Ich rauche ja gar –

KLAPPROTH. Betrüben Sie mich nicht, hochverehrter Hamlet.

ULRIKE leise zu Ida. Onkel will uns weg haben.

IDA leise. Dann bin ich wie der Blitz zurück.

ULRIKE. Ich auch!

KLAPPROTH. Also, tummelt Euch, Kinderchen!


Ulrike, Ida rechts hinten ab.


EUGEN. Ich habe nämnich eine neue Ronne studiert und bin gekommen –

KLAPPROTH. Um sie vorzuspielen? Wie nett von Ihnen! Beiseite. Das hat mir gerade noch gefehlt![84]

EUGEN. Mein Vormund weiß natürnich nichts davon.

KLAPPROTH. Das kann ich mir lebhaft denken. Verzweifelt um sich blickend. O weh! Für den habe ich ja jetzt gar keine Isolierzelle frei!

EUGEN. Und ich hoffe auch, daß Sie es ihm nicht sagen werden.

KLAPPROTH. Bewahre! Für sich. Ha, ein rettender Gedanke!

EUGEN. Warum sehen Sie sich denn so ängstlich um?

KLAPPROTH. Ich? Aengstlich? Nicht im geringsten! Aber Ihr Vormund ist ebenfalls bei mir zu Besuch.

EUGEN. Schönner?! O weh! Er darf nicht sehen!

KLAPPROTH für sich. Das wirkt, ich wußte es ja!

EUGEN ängstlich herumlaufend. Wo verberge ich mich nur vor ihm Will vorn rechts ab.

KLAPPROTH. Um Gottes willen, da sitzt ja schon einer!

EUGEN verdutzt. Sitzt schon einer? Will nach links.

KLAPPROTH ihm nach. Wollen Sie wohl, das ist ja auch bereits besetzt.

EUGEN. Das ist ja entsetznich![85]

KLAPPROTH. Meinen Sie vielleicht, mir wäre es angenehm? – Aber hier ist noch frei. Oeffnet die Schranktür.

EUGEN. Das ist ja ein Kneiderschrank.

KLAPPROTH. Einen anderen Salon kann ich Ihnen momentan nicht zur Verfügung stellen Also zaudern Sie nicht, Schöller kommt!

EUGEN. Das riecht ja so stark nach Insektenpunver!

KLAPPROTH. Da bekommen Sie auch keine Motten in den Kopf. Schnell, schnell! Ihr Vormund kommt!

EUGEN. Da bneibt mir freinich nichts anderes übrig! Steigt in den Schrank. Aber nicht wahr, wenn mein Vormund wieder fort ist –

KLAPPROTH. Ja, ja, ja! Schiebt ihn in den Schrank und schließt denselben ab. Man hört Eugen gedämpft reden und an die Schranktür klopfen. Klapproth öffnet nochmals. Was wollen Sie denn noch?

EUGEN. Ein Gnas Wasser! Das hant ich nicht aus!

KLAPPROTH ihn wieder hineinspeditierend. Wollen Sie nicht auch noch ein Pilsener haben?! Er schöpft. So! wieder einer unschädlich gemacht! Wenn das aber so fortgeht, werde ich selbst noch blödsinnig.

IDA mit Kiste Zigarren von rechts. Hier sind die Ziga – Sieht sich suchend und verblüfft um.[86]

ULRIKE mit Wein und Gläsern. Ja, der junge Mann ist auch wieder verschwunden!

KLAPPROTH flüsternd. Pst? Schreit nicht so! Mit erhobener Stimme. Gewiß, mein lieber Herr Schöller, warum soll denn das nicht gehen? Bitte, nehmen Sie nur hier an meinem Schreibtisch –

ULRIKE sich umblickend. Mit wem spricht er denn eigentlich?

IDA ebenso. Ich sehe ja niemand.

KLAPPROTH fortfahrend. Wie? Anderthalb Stunden werden Sie wahrscheinlich zu schreiben haben? Schön, lieber Schöller, Sie sollen gewiß nicht gestört werden. Mit dem Daumen verstohlen nach dem Schrank deutend. Der muckst sich jetzt gewiß nicht.

ULRIKE kopfschüttelnd. So was ist mir aber in meinem Leben noch nicht vorgekommen. Man hört kräftig niesen.

ALLE DREI unisono. Prosit! Sehen sich erstaunt an.

IDA. Ja, wer hat denn da eigentlich geniest?


Lautes Niesen.


ULRIKE. Das kommt ja aus dem Schranke her!

KLAPPROTH. Na ja, da sitzt ja auch einer drin.

IDA. In dem Schrank?

ULRIKE. Aber so laß ihn doch heraus! Will öffnen.[87]

KLAPPROTH sie zurückhaltend. Du willst uns wohl alle ins Unglück rennen? Sie beide geheimnisvoll auf die Seite nehmend. Ihr müßt nämlich wissen, daß sowohl der Kerl in dem Schrank wie auch –


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 83-88.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon