Der Mord


[578] Die königliche Villa.

Prinzessin Maria, ihre Zofe, Faust, später Herzog Huber.


FAUST.

Das Bild ist fertig, und, ich glaube,

Mir ist gelungen zur Genüge,

Zu fesseln Eure holden Züge

In meiner Blicke stillem Raube.


Das Bild betrachtend.


Wie dieses sanfte, schöne Bild

Auf wildem Meeresgrunde ruht,

So ruht es ewig, klar und mild,

Auf meines Herzens wilder Flut.[578]

PRINZESSIN.

Es mag dem Künstler widerfahren,

Hat er ein Bild mit Fleiß vollbracht,

Daß ein Erinnern oft nach Jahren

An dessen Züge ihm erwacht.

ZOFE.

Das, gnädige Gebieterin,

Bleibt Eurem Maler als Gewinn,

Der Eure Schönheit Zug für Zug

So wahr lebendig übertrug,

Daß sich das Bild ihm ungebeten

Im Angedenken wird verspäten.

FAUST.

Hell flammt in diesem Augenblick

Mir auf mein ganzes Mißgeschick.

Was ich bis jetzo nicht gekannt,

Hat mich allmächtig übermannt.

O lächelt, holde Königstochter,

Herab voll Mitleid auf mein Weh,

Der ich vor Euch, ein Unterjochter,

In meiner bittern Armut steh;

Wenn Ihr mein glühend Herz verstoßt,

Bleibt mir auch nicht der karge Trost,

Daß ich mit einem stolzen Leide

Von Eurem lieben Antlitz scheide,

Daß ich auf meinem Trauerwege

Euch doch ein Opfer noch geweiht,

Entsagend, meine Seligkeit

Auf Eure Schwelle niederlege:

Hab keine zu verlieren mehr,

Das drückt das Herz mir doppelt schwer.

Doch, blick ich wieder Euch ins Angesicht,

So hat die Hölle, der ich zugeschworen,[579]

Mit einmal ihre Macht an mir verloren,

Mir strahlt ein wunderbares Hoffnungslicht.

O nein! ich kann, ich will Euch nicht entsagen,

Ich wills noch einmal mit dem Himmel wagen!

PRINZESSIN.

Verlasset mich, unheimlich bang

Wird mir vor Eurem ungestümen Drang,

Kann Eure dunklen Worte nicht verstehen;

Doch ruht auf Eurer Stirne tiefes Trauern,

Das mich bewegt zu innigem Bedauern,

Lebt wohl! ich will Euch nimmer wieder sehen.

FAUST auf die Knie fallend.

Ach, nur ein leises Wort, ein Hauch, ein Blick,

– Und wär es nur ein mitleidsvoller Trug, –

Daß du mich liebst, es ist genug, genug,

Auf immer zu verwandeln mein Geschick.

Mag dann der Hölle tiefes Qualenmeer

Mit seinen Wogen rauschen um mich her,

Ich werde nicht darin zu Grunde gehn,

Mir wird aus deinem holden Liebeszeichen

Ein ewig grünes Eiland auferstehn,

Verzweifelnd muß die Hölle rückwärts weichen;

Vergebens werden dann Erinnerungen

Aus meinen wüsten, schuldgetrübten Tagen

Ans heilige Ufer meiner Liebe schlagen,

Ich bin gerettet, hab ich dich errungen!

HERZOG HUBERT hereinstürzend.

Erstick in deinem frechen Übermut!

Verdirb, verdirb, schamloses Sklavenblut!

Nach einer Königstochter, Fürstenbraut[580]

Hast du den Blick zu heben dich getraut?

Streckst du, ein unerhört verwegner Buhle,

Die Arme auf aus deinem Pöbelpfuhle?


Zur Prinzessin.


Laß ich ihn auch zu deinen Füßen sterben,

Du bist beschimpfet durch sein schnöd Bewerben.

Der Seufzer, den nach dir gesandt sein Lieben,

Ist giftger Hauch vom Sumpf emporgetrieben;

Sein Blick, der frech nach deinen Reizen schmachtet,

Ein Irrwisch faul, der zu den Sternen trachtet.

Es ist dein Bild besudelt und entehrt,

Das er in seinem tollen Hirne nährt,

Das ihm vielleicht im Traum Erhörung lacht,

Mit ihm sich wälzt auf seinem Bett bei Nacht!

Könnt ich in ihm erwürgen, süße Braut,

Dein Bild, eh ihn mein Schwert in Stücke haut!

Doch nein! mein Fürstenschwert sei nicht verdammt

An diesem Knecht zu niederm Schergenamt. –

Faust steht dem Prinzen gegenüber, schweigt,

Sein Blut aufkochend zu Gesichte steigt,

Empöret von der Lästrung Sturmeshauch;

Aus seinen schwarzen Stirnenlocken droht

Die hochgeschwellte Zornesader Tod,

Wie eine Schlange droht aus dunklem Strauch.

Er schüttelt wild und stolz sein zürnend Haupt,

Er knirscht die Zähne und sein Odem schnaubt,

Die Augen glühn im heißen Rachedürsten

Erstarrte Blitze auf den stolzen Fürsten:

Er zückt sein Schwert zum ungeheuren Streiche,

Und – nimmer lästert ihn des Fürsten Leiche.

Maria starr und bleich zu Boden liegt,

Vor Schreck sind Puls und Odem ihr versiegt.[581]

Die Zofe ist entflohn; – des Prinzen Glut

Hat sich nun abgelöscht in seinem Blut. –

Wie ist es nun so still mit einem Mal,

Wo erst der Zorn gebraust, im weiten Saal!

Faust steht und starrt die Leiche finster an,

Und draußen steigt des Sturmes laute Wut,

Es rauscht der Wald, es knarrt der Wetterhahn,

Und an die Klippen stürzt die Meeresflut;

Vorbei am Fenster schießen mit Geschrille

Die Möwen, und die Donner schlagen ein:

Doch mag, o Faust, das Schrecklichste dir sein

Der Tote da, mit seiner tiefen Stille.

MEPHISTOPHELES plötzlich hinter Faust stehend.

Mir ist, dich hört ich einst im Walde sagen:

»Ich habe diese Liebe nie gekannt,

Fürs Erdenweib war nie mein Herz entbrannt«;

Hier aber hast du einen drum erschlagen.

Du bist doch deshalb treulos nicht geworden

Der »Liebe für die Wahrheit, die dein Schmerz«?

Und wärst du's auch, und hätt ein bißchen Morden

Schon für die Wahrheit abgekühlt dein Herz;

Sie gibt darum dich nimmer doch verloren;

Dein Sehnen hat sie nicht umsonst beschworen;

Und wolltest du nun aus dem Weg ihr eilen,

Sie stellt dir nach, darauf sei nun gefaßt.

Verschmähte alte Liebschaft wird zuweilen

Zudringlich, lieber Freund, und sehr zur Last.

Die Wahrheit steht an dieser Leich und schaut

Ins Antlitz dir: sei Mann und nicht erbebe,

Kühn ihren blutbesprengten Schleier hebe,

Und ihre leise Lippe dir vertraut,

Daß, wer ein Bündnis mit der Hölle schlingt,

Den Menschen Fluch mit seiner Liebe bringt.[582]

FAUST.

Marien hab ich leider! Fluch gebracht.

O wenn sie doch ins Leben nur erwacht!

MEPHISTOPHELES.

Das findet sich; doch möcht ich eben

Nicht Zeuge sein, wenn sie erwacht ins Leben.

Hier ists langweilig, Freund, komm fort,

Eh da im Blut dein heller Mut verrostet.

Was dir an Freuden hegte dieser Ort,

Das hast du, mein ich, ziemlich ausgekostet.

FAUST.

Komm fort, komm fort, Maria muß mich hassen;

Doch kann ich nicht zurück ihr Bildnis lassen.


Die Diener des Hauses pochen an die von Mephistopheles verschlossene Tür.


MEPHISTOPHELES.

Das Bildnis kriegst du nimmermehr, fürwahr!

Ich reiße lieber ein Marienbild,

Zehnfach geweiht, und wundergnadenmild,

Dir eigenhändig wo vom Hochaltar,

Eh ich gedulden mag die Raserei

Daß du dich schleppst mit diesem Konterfei.

FAUST.

Steh ich vor dir, dein Werk, ein Mörder auch,

Und neigt sichs tief mit mir bereits; doch spricht

Noch meines guten Geistes Sterbehauch:

Bewahre dir dies Himmelsangesicht!

Und Faust ergreift das Bild mit heißer Hast,

Der Teufel hats am andern End gefaßt;

Sie ringen mit dem Bilde hin und her,[583]

Laut zankend, bis der Teufel es erzwingt

Und es mit wildem Hohngelächter schwingt

Hinaus zum Fenster und hinab ins Meer. –

Die Diener an die Tür stets lauter pochen,

Und stürmend kommen sie hereingebrochen.

Entsetzenstarr die Königswach erschaut

Den Fürsten hingestreckt und seine Braut.

Sie dringen auf die Fremden, sie zu fassen:

Die trotzen, unerschütterlich gelassen,

Den vorgedrohten Hellebardenspitzen;

Der Böse läßt nur einen Augenblick

Die Höll in seine dunklen Züge blitzen,

Und die Trabanten stürzen bleich zurück.

Nun schauen sie, verblüfft und überwunden,

Den Fremden nach, die schnell waldein geschwunden.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 578-584.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Faust
Faust: Ein Gedicht
Faust

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon