[190] In Armentières.
Der Obriste Graf Spannheim am Tisch mit seinem Feldprediger Eisenhardt, einem jungen Grafen seinem Vetter und dessen Hofmeister, Haudy Untermajor, Mary und andern Offiziers.
DER JUNGE GRAF. Ob wir nicht bald wieder eine gute Truppe werden herbekommen?
HAUDY. Das wäre zu wünschen, besonders für unsere junge Herren. Man sagt Godeau hat herkommen wollen.
HOFMEISTER. Es ist doch in der Tat nicht zu leugnen, daß die Schaubühne eine fast unentbehrliche Sache für eine Garnison ist, c'est à dire eine Schaubühne wo Geschmack herrscht, wie zum Exempel auf der französischen.
EISENHARDT. Ich sehe nicht ab, wo der Nutzen stecken sollte.
OBRISTER. Das sagen Sie wohl nur so Herr Pastor, weil Sie die beiden kleinen weißen Läppchen unterm Kinn haben, ich weiß im Herzen denken Sie anders.
EISENHARDT. Verzeihen Sie Herr Obriste! ich bin nie Heuchler gewesen und wenn das ein notwendiges Laster für unsern Stand wäre, so dächt ich wären doch die Feldprediger davon wohl ausgenommen, da sie mit vernünftigeren Leuten zu tun haben. Ich liebe das Theater selber und gehe gern hinein ein gutes Stück zu sehen, aber deswegen glaube ich noch nicht, daß es ein so heilsames Institut für das Corps Offiziers sei.
HAUDY. Aber um Gotteswillen Herr Pfaff oder Herr Pfarr wie Sie da heißen, sagen Sie mir einmal, was für Unordnungen werden nicht vorgebeugt oder abgehalten durch die Komödie. Die Offizier[s] müssen doch einen Zeitvertreib haben.
EISENHARDT. Mit aller Mäßigung Herr Major! sagen Sie[190] lieber, was für Unordnungen werden nicht eingeführt unter den Offiziers durch die Komödie.
HAUDY. Das ist nun wieder so in den Tag hinein räsonniert. Kurz und gut Herr Lehnt sich mit den beiden Ellenbogen auf den Tisch. ich behaupte Ihnen hier, daß eine einzige Komödie und wenn's die ärgste Farce wäre, zehnmal mehr Nutzen ich sage nicht unter den Offiziers allein sondern im ganzen Staat angerichtet hat als alle Predigten zusammengenommen, die Sie und Ihresgleichen in Ihrem ganzen Leben gehalten haben und halten werden.
OBRISTER winkt Haudy unwillig. Major!
EISENHARDT. Wenn ich mit Vorurteilen für mein Amt eingenommen wäre Herr Major, so würde ich böse werden. So aber wollen wir alles das bei Seite setzen, weil ich weder Sie noch viele von den Herren für fähig halte, den eigentlichen Nutzen unsers Amts in Ihrem ganzen Leben beurteilen zu können, und wollen nur bei der Komödie bleiben und de[m] erstaunenden Nutzen den sie für die Herren vom Corps haben soll. Ich bitte Sie, beantworten Sie mir eine einzige Frage, was lernen die Herren dort?
MARY. Ei was, muß man denn immer lernen, wir amüsieren uns ist das nicht genug.
EISENHARDT. Wollte Gott daß Sie sich bloß amüsierten, daß Sie nicht lernten! So aber ahmen Sie nach was Ihnen dort vorgestellt wird und bringen Unglück und Fluch in die Familien.
OBRISTER. Lieber Herr Pastor, Ihr Enthusiasmus ist löblich, aber er schmeckt nach dem schwarzen Rock, nehmen Sie mir nicht übel. Welche Familie ist noch je durch einen Offizier unglücklich geworden? Daß ein Mädel einmal ein Kind kriegt, das es nicht besser haben will.
HAUDY. Eine Hure wird immer eine Hure, gerate sie unter welche Hände sie will, wird's keine Soldatenhure so wird's eine Pfaffenhure.[191]
EISENHARDT. Herr Major es verdrießt mich daß Sie immer die Pfaffen mit ins Spiel mengen, weil Sie mich dadurch verhindern, Ihnen freimütig zu antworten. Sie könnten denken es mische sich persönliche Bitterkeit in meine Reden, und wenn ich in Feuer gerate so schwöre ich Ihnen doch, daß es bloß die Sache ist von der wir sprechen, nicht Ihre Spöttereien und Anzüglichkeiten über mein Amt. Das kann durch alle dergleichen witzige Einfälle weder verlieren noch gewinnen.
HAUDY. Na so reden Sie, reden Sie, schwatzen Sie, dafür sind wir ja da, wer verbietet es Ihnen?
EISENHARDT. Was Sie vorhin gesagt haben war ein Gedanke der eines Nero oder Oglei Oglu Seele würdig gewesen wäre und auch da bei seiner ersten Erscheinung vielleicht Grausen würde verursacht haben. Eine Hure wird immer eine Hure, kennen Sie das andere Geschlecht so genau?
HAUDY. Herr Sie werden es mich nicht kennen lehren.
EISENHARDT. Sie kennen es von den Meisterstücken Ihrer Kunst vielleicht, aber erlauben Sie mir Ihnen zu sagen, eine Hure wird niemals eine Hure, wenn sie nicht dazu gemacht wird. Der Trieb ist in allen Menschen, aber jedes Frauenzimmer weiß, daß sie dem Triebe ihre ganze künftige Glückseligkeit zu danken hat, und wird sie die aufopfern, wenn man sie nicht drum betrügt?
HAUDY. Red ich denn von honetten Mädchen?
EISENHARDT. Eben die honetten Mädchen müssen zittern vor Ihren Komödien, da lernen Sie die Kunst sie malhonett zu machen.
MARY. Wer wird so schlecht denken.
HAUDY. Der Herr hat auch ein verfluchtes Maul über die Offiziers. Sackerment wenn mir ein anderer das sagte. Meint Er Herr denn, wir hören auf, honnêtehommes zu sein, sobald wir in Dienste treten.
EISENHARDT. Ich wünsche Ihnen viel Glück zu diesen Gesinnungen. Solang ich aber noch entretenierte Mätressen[192] und unglückliche Bürgerstöchter sehen werde, kann ich meine Meinung nicht zurücknehmen.
HAUDY. Das verdiente einen Nasenstüber.
EISENHARDT steht auf. Herr, ich trag einen Degen.
OBRISTER. Major ich bitt Euch – Herr Eisenhardt hat nicht unrecht, was wollt Ihr von ihm. Und der erste der ihm zu nahe kommt – setzen Sie sich Herr Pastor, er soll Ihnen Genugtuung geben. Haudy geht hinaus. Aber Sie gehn auch zu weit, Herr Eisenhardt, mit alledem. Es ist kein Offizier der nicht wissen sollte was die Ehre von ihm fodert.
EISENHARDT. Wenn er Zeit genug hat, dran zu denken. Aber werden ihm nicht in den neusten Komödien die gröbsten Verbrechen gegen die heiligsten Rechte der Väter und Familien unter so reizenden Farben vorgestellt, den giftigsten Handlungen so der Stachel genommen, daß ein Bösewicht dasteht als ob er ganz neulich vom Himmel gefallen wäre. Sollte das nicht aufmuntern, sollte das nicht alles ersticken was das Gewissen aus der Eltern Hause mitgebracht haben kann. Einen wachsamen Vater zu betriegen oder ein unschuldig Mädchen in Lastern zu unterrichten, das sind die Preisaufgaben, die dort aufgelöst werden.
HAUDY im Vorhause mit andern Offiziers, da die Tür aufgeht. Der verfluchte Schwarzrock –
OBRISTER. Laßt uns ins Kaffeehaus gehn Pfarrer, Sie sind mir die Revange im Schach schuldig – und Adjutant! wollten Sie doch dem Major Haudy für heut bitten, nicht aus seiner Stube zu gehen. Sagen Sie ihm, ich werde ihm morgen früh seinen Degen selber wiederbringen.[193]
Ausgewählte Ausgaben von
Die Soldaten
|
Buchempfehlung
»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.
530 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro