Dritte Szene


[257] Die Philister

Lenz sitzt an einem einsamen Ort ins Tal hinabsehend, seinen Hofmeister im Arm. Einige Bürger aus dem Tal reden mit ihm.


EINER. Es freut uns daß wir Sie näher kennen lernen.

ZWEITER. Es verdrießt mich aber doch in der Tat, daß Ihre Stücke meist unter einem andern Namen herumlaufen.

LENZ. Und mich freut's. Wenn sie so geschwinder ihr Glück machen, soll ich's meinen Kindern mißgönnen? Würd ein Vater sich grämen wenn sein Sohn seinen Namen veränderte, um desto leichter emporzukommen?

DRITTER. Wenn man nun aber zu zweifeln anfinge, ob Sie allein im Stande gewesen wären –

LENZ. Laß sie zweifeln. Was würd ich durch ihren Glauben gewinnen? Das Gefühl, an diesem Herzen ist er warm geworden, hier hat er sein Feuer und alle gutartige Mienen bekommen, die andern Leuten an seinem Gesicht Vergnügen machen, ist stärker und göttlicher als alles Schnettern der Trompete der Fama eins aufschütteln kann. Dies Gefühl ist mein Preis und der angenehme Taumel in den mich der Anblick eines solchen Sohnes bisweilen zurücksetzt und der fast der Entzückung gleicht mit der er geboren ward.


Goethe, über ein Tal herabhängend, in welchem eine Menge Bürger emporgucken und die Hände in die Höhe strecken.


EINER. Traut ihm nicht.

ZWEITER. Da bewegt er sich. Gewiß in der andern Hand, die er auf dem Rücken hat, hält er nichts Guts.

EIN GELEHRTER UNTER IHNEN. Es scheint der Mann will gar nicht rezensiert sein.

EIN PHILISTER. Ihr Narren, wenn er euch auch freien Willen[257] ließe, er würde bald unter die Füße kommen. Und er streitet nicht für sich allein, sondern auch für seine Freunde.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 257-258.
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